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Stapellösung in Groningen. Das Containerdorf bei der alten Zuckerfabrik soll die schlimmste Not lindern.

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Studentenunterkünfte: Container, Zelte – und Schiffe

In den Niederlanden müssen Studenten wegen des Wohnraummangels auch aufs Wasser ausweichen.

Tief eingemummelt in seine Jacke sitzt Paul auf der Bank vor dem Hostel in Groningen. Er ist erkältet. „Es ist richtig beschissen“, sagt der 23-jährige Student. „Es ist echt kein Zimmer zu finden.“ Vor gut vier Wochen hat sein Studium angefangen, und ebenso lange schon wohnt der junge Deutsche in dem Hostel am Rande von Groningen, im Nordosten der Niederlande. Zwangsläufig. Er schläft in einem umgebauten Container mit fünf Etagenbetten und Platz für zehn Personen. Im schmalen Spind ist seine Kleidung. Einen Schreibtisch gibt es nicht. Kostenpunkt: 100 Euro pro Woche, mit Frühstück.

Das Hostel „Rebel, Rebel“ ist mit den umgebauten Containern, vielen Grünpflanzen und einem kleinen Café eine charmante Idylle auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik. Rund um das Industriedenkmal haben sich hippe, junge Unternehmen und Kulturinitiativen angesiedelt. Am Wochenende finden hier Konzerte und Festivals statt.

Wegen der großen Wohnungsnot der Studenten baut die Stadt gerade 250 Notunterkünfte. Doch die waren zu Beginn des Studienjahres am 1. September noch längst nicht fertig. Die zu großen Blöcken gestapelten Container stehen mitten in einer Schlammwüste. Gleich dahinter ist die Autobahn. „Dafür zahlt man 500 Euro Miete im Monat“, stöhnt Camillo. „Und zehn Euro extra fürs Internet.“

Groningen ist ein Opfer des eigenen Erfolgs

Die Wohnungsnot der Studenten in den Niederlanden ist groß. „Besonders prekär ist es in Groningen und für die internationalen Studenten“, sagt Jolien Bruinewoud, Vorsitzende des Studentenverbandes. „Die Stadt ist total überlastet.“ 55 0000 Studenten gibt es in Groningen, gut die Hälfte von ihnen wohnt in der Stadt. Davon kommen 9000 aus dem Ausland – vorwiegend aus Deutschland. Die Universität schätzt, dass mehrere Hundert noch ein Zimmer suchen. Groningen ist ein Opfer des eigenen Erfolgs, klagt Bruinewoud. „Die Uni setzt stark auf Internationalisierung und wirbt im Ausland.“ Die Expansion ist auch eine Folge des Finanzierungssystems in den Niederlanden. Je mehr Studenten eine Hochschule hat, umso mehr staatliche Mittel bekommt sie. Fast alle Universitäten des Landes setzen deswegen auch auf internationale Studenten. Die Reichsuniversität Groningen etwa bekam in diesem Jahr rund 2000 Anmeldungen mehr als erwartet.

Der Studentenverband wirft der Universität vor, zu wenig in die Qualität zu investieren und die Situation der Studenten zu vernachlässigen. „Die Unis sind überhaupt nicht vorbereitet auf den großen Ansturm“, sagt Bruinewoud. In Groningen etwa wurde in diesem Jahr der Numerus Clausus für Psychologie aufgegeben. Die Folge: Ein Boom aus Deutschland. In Groningen wurden nun Notunterkünfte eingerichtet: Feldbetten in Zelten. Kojen auf einem Hotelschiff – mit 1300 Euro pro Monat auch nicht gerade ein Schnäppchen. Manche schlafen noch auf Campingplätzen, andere auf dem Sofa bei Bekannten oder im Hostel. (dpa)

Annette Birschel

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