zum Hauptinhalt

Immobilien: Unter dem Pflaster liegt - der Bunker

Zwei Brüder gründen einen Verein, um die umstrittenen Spuren der "Reichshauptstadt" ins Bewußtsein zu bringenVON LEO POMPIGNON Was den Bauherren ein Greuel, ist den Gebrüdern Arnold eine wahre Freude: Unbekannte, längst vergessene Gemäuer unter dem Pflaster der Stadt.Für Bauherren sind es Altlasten für Dietmar und Ingmar Arnold Bauwerke aus dunklen Welten, die sie ins Licht der Öffentlichkeit und ihrer Kameras führen - seit fünf Jahren erforschen sie geheimnisumwitterte Gemäuer im Untergrund.

Zwei Brüder gründen einen Verein, um die umstrittenen Spuren der "Reichshauptstadt" ins Bewußtsein zu bringenVON LEO POMPIGNON Was den Bauherren ein Greuel, ist den Gebrüdern Arnold eine wahre Freude: Unbekannte, längst vergessene Gemäuer unter dem Pflaster der Stadt.Für Bauherren sind es Altlasten für Dietmar und Ingmar Arnold Bauwerke aus dunklen Welten, die sie ins Licht der Öffentlichkeit und ihrer Kameras führen - seit fünf Jahren erforschen sie geheimnisumwitterte Gemäuer im Untergrund.Das Ergebnis ihrer Streifzüge haben sie mit Fotograf Frieder Salm auch als Buch veröffenlicht ("Dunkle Welten").Das zeigt, was die Unterwelt der Stadt Berlin alles zu bieten hat, nicht immer zur Freude betroffener Investoren und Bauherren - zumal wenn sie im Zuge von Baumaßnahmen auf historische Substanz stoßen. "Viele der von uns dokumentierten Bauwerke gibt es bereits nicht mehr, da sie Neubaumaßnahmen zum Opfer fielen", sagt der Stadtplaner Dietmar Arnold sichtlich enttäuscht.Investoren seien naturgemäß eher daran interessiert, den Ausbau der Stadt schnell voranzutreiben, als sich mit der geschichtlichen Dimension verborgener Bauten auseinanderzusetzen.Dabei hätten einige Bauherren das Sprichwort "wo gehobelt wird, da fallen Späne" zur obersten Prämisse erkoren, auch wenn die entdeckten Gemäuer häufig bereits in den 60er Jahren auf Listen denkmalgeschützter Bauten zu finden waren.Dennoch verschwindet alle drei Wochen eine Anlage.Tendenz steigend. Dabei bieten die Funde eine einmalige Möglichkeit, sich mit der Geschichte der Stadt auseinanderzusetzen.Daß die nicht immer in den besten Bahnen verlief, belegen die vielen Bunker unter der Erdoberfläche der deutschen Hauptstadt.Beinahe jedes vor dem zweiten Weltkrieg gebaute Ministerium verfügt über eine eigene Bunkeranlage.Auch wenn Ministerien und dazugehörige Bunker unter Denkmalschutz stehen, kommt es immer wieder zur Verfüllung des ungeliebten Unterbaus.Dieser sorglose Umgang mit dem vorhandenen "historischen Erbe" (Arnold) zeigt sich besonders deutlich am Beispiel des ehemaligen Reichsluftfahrtsministerium in der Wilhelmstraße, Ecke Leipziger Straße.Hier sollen schon bald die Vorbereitungen für eine Verfüllung der hauseigenen, 600 Quadratmeter großen Bunkeranlage getroffen werden. Daß hier die ehemalige Machtzentrale Hermann Görings war - und hier ein Teil des Bombenkrieges der Luftwaffe geplant wurde - scheint auf die Entscheidung der Verantwortlichen Planer und Bauherren keinerlei Einfluß gehabt zu haben.Angeblich seien die Instandsetzungsmaßnahmen der unterirdischen Anlage zu teuer.Zur Restaurierung des Gebäudes wurden aber "nur" 250 Mill.DM von Bonn zugeteilt.Selbst diese Summe reiche kaum aus, und so habe man sich entschieden, an einigen Stellen zu sparen, so die Begründung der Pressestelle des Bundesministeriums.Der derzeitige Mieter begnügt sich nun mit einer kleinen Ausstellung zur Geschichte des Hauses im Eingangsbereich.Damit ist nach seiner Auffassung der Vergangenheitsbewältigung genüge getan. Gegner der Entscheidung tun die Behauptung als absurd ab: "Schließlich handelt es sich um eine Bunkeranlage, die einst ganz anderen Belastungen standgehalten hat", sagt Dietmar Arnold.Haufig seien nur die Dehnungsfugen des Betons undicht.Diese abzudichten, sei kein Problem und verursache in aller Regel nur geringe Kosten.Arnold plädiert dafür, die Anlage einstweilen stehenzulassen, bis ein vernünftiges Nutzungskonzept vorliegt.Daß es bereits genügend Konzepte für eine alternative Nutzung gibt, zeigt die Große Hamburger Straße 17.Hier wurden alte Kellergewölbe, die teilweise noch aus dem 17.Jahrhundert stammen, zu einer Erlebnisgastronomie umfunktioniert. Aber auch Clubs, Theater und Musikgruppen kann sich Arnold als künftige Mieter in den unterirdischen Bauwerken der Stadt vorstellen: "Gerade für den Fremdenverkehr in der Stadt bieten die Anlagen einmalige Möglichkeiten." Die alten Gemäuer verfügten über einen morbiden Charme, den man in Neubauten häufig vergeblich suche.Allerdings entwickelt nicht einmal der Denkmalschutz ein gesteigertes Interesse, Bunker und unterirdische Gemäuer zu erhalten."Ich erinnere mich noch gut daran, wie es sich anhört, wenn Bombenteppiche über die Stadt gelegt wurden.Daran möchten ich und meine Generation nicht mehr erinnert werden", sagt der Landeskonservator von Berlin, Helmut Engel.Wie man sich dagegen offensiv der Vergangenheit stellen kann, zeigte vor einigen Monaten die DG-Bank.Beim Bau des neuen Hauses am Pariser Platz war der Bauherr auf eine alte Bunkeranlage gestoßen.Bevor er den Fund vernichtete, berief die Bank eine Pressekonferenz ein, so daß zumindest die Möglichkeit für die Öffentlichkeit bestand, die Anlage zu dokumentieren.Danach mußte allerdings auch dieses Bauwerk verschwinden. Um den Fortbestand der Gebäude auf längere Sicht gewährleisten zu können, gründeten die Brüder Arnold den gemeinnützigen Verein "Berliner Unterwelten e.V." Der Verein besteht aus etwa 20 Leuten, die aus ganz verschiedenen Bereichen kommen; das läßt Synergieeffekte erhoffen.Aller Anfang ist aber bekanntlich schwer, wie nun auch die Brüder Arnold wissen."Gerade die Behörden sahen in uns eine Konkurrenz", meint Arnold.Diese Zeiten neigen sich aber ihrem Ende zu.Mittlererweile nutzen die Amtsvorderen den Verein sogar als Informationsquelle, da dieser über ein einmaliges Archiv verfügt."Zur Zeit haben wir dermaßen viel Material, daß wir gar nicht mehr mit der Bearbeitung hinterkommen", sagt Arnold.Eine Vergrößerung des Vereins scheint unausweichlich.An Finanzierungsideen, um die Bauwerke zu erhalten, mangelt es dem Stadtplaner nicht: "Wir könnten uns einen Erhalt der Bauten zum Beispiel in Verbindung mit der Ausstellung Topographie des Terrors vorstellen".

LEO POMPIGNON

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false