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Immobilien: Vernetztes Wohnen als Alternative zum Pflegeheim Wohnungsunternehmen setzen auf ältere Mieter.

Neue Serviceangebote sollen ihr Leben erleichtern

Das kleine Gerät, das Rudolf Kujath demonstrativ in die Höhe hebt, sieht wie eine Armbanduhr aus. Doch was der Geschäftsführer der Sophia Berlin GmbH da zeigt, hat eine andere Funktion: Es ist ein Notruf-Armband, mit dem der Träger von jedem Ort der Wohnung aus um Hilfe rufen kann. Mehr noch: Das Armband meldet sich sogar selbst in der Zentrale, wenn sich der Nutzer lange nicht mehr bewegt hat - wenn er also beispielsweise im Bad ausgeglitten ist und ohnmächtig auf dem Boden liegt.

Das Armband der Sophia Berlin GmbH ist ein Bestandteil dessen, was Fachleute vernetztes Wohnen nennen. Darunter verstehen sie den Einsatz von technischen Hilfsmitteln, die es insbesondere älteren Menschen ermöglichen sollen, bis ins hohe Alter in der eigenen Wohnung leben zu können. Hausnotruf und Bildtelefon gehören ebenso dazu wie die Fernüberwachung des Gesundheitszustandes. Diese technischen Anwendungen, sagt Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, seien gerade für die Wohnungswirtschaft interessant, „weil die zunehmende Alterung der Bewohnerschaft Antworten erfordert, die helfen können, Übersiedlungen in vollstationäre Betreuungseinrichtungen zu vermeiden“.

Dass sich Wohnungsunternehmen mit diesem Thema befassen, liegt in ihrem ureigenen Interesse. Ältere Menschen sind ihre liebsten Mieter: Sie zahlen in aller Regel pünktlich und zuverlässig ihre Miete, sind oft fest im Kiez verwurzelt, fallen äußerst selten durch Vandalismus auf und pflegen auch keine lauten Parties nach Mitternacht zu feiern. Außerdem, stellt Lutz Freitag, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, fest, „wollen die meisten älteren Menschen so lange wie möglich unabhängig in der vertrauten Umgebung und den eigenen vier Wänden wohnen bleiben“. Genau das aber ist oft unmöglich, wenn Schwellen, fehlender Aufzug und mangelnde Betreuungsmöglichkeiten hochbetagte oder gesundheitlich beeinträchtigte Mieter zum Umzug in eine Anlage des betreuten Wohnens oder ein Pflegeheim zwingen.

Natürlich lassen sich Wohnungen barrierearm umbauen. Doch das ist oft aufwendig und teuer, wie Holger Schaffranke, Geschäftsführer der Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft, zu bedenken gibt. Sinnvoll ist es seiner Ansicht nach deshalb, auch durch das Angebot von Dienstleistungen und das Schaffen von Kommunikationsmöglichkeiten zum Verbleib in der eigenen Wohnung beizutragen – wobei, so Claus Wedemeier, Multimedia-Spezialist beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, „die Dienstleistungen bauliche Maßnahmen nicht ersetzen, sondern ergänzen sollten“.

Ein Beispiel für solche Dienstleistungen ist „Sophia“. Der Begriff steht für „Soziale Personenbetreuung – Hilfen im Alltag“. Das von einer katholischen Wohnungsbaugesellschaft in Bamberg entwickelte Modell wird in Berlin von den beiden kommunalen Vermietern Stadt und Land sowie von der Degewo getragen. Ältere Menschen, die daran teilnehmen wollen, können aus vier Varianten wählen. Diese reichen vom Basisangebot, das eine rund um die Uhr ansprechbare Telefonzentrale sowie die Vermittlung von Dienstleistungen umfasst, bis zum Komfortpaket, zu dem das Notruf-Armband und eine Bildkommunikation mit der Sophia-Zentrale gehören.

Die Kosten betragen monatlich je nach gewähltem Leistungsumfang 16,90 bis 49,90 Euro. Damit aber ist die Zahlungsbereitschaft auch ausgeschöpft. „Die Menschen sind nicht bereit, mehr als 40 Euro im Monat auszugeben“, hat Kujath festgestellt. Dabei muss die Sophia Berlin GmbH nur deshalb nicht noch mehr Geld verlangen, weil ein Großteil der Betreuung durch Ehrenamtliche erbracht wird.

Und wie steht es mit der Bereitschaft der Senioren, sich auf technische Hilfsmittel einzulassen? „Die Mehrzahl der heutigen Älteren hat Schwierigkeiten mit der Nutzung technischer Komponenten und Anwendungen“, räumt Rolf G. Heinze, Professor für Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum, ein. Dies ändere sich aber: Schon bei den heute 55-Jährigen, also der kommenden Seniorengeneration, fänden technische Instrumente eine breite Akzeptanz.

Nachzulesen ist das in einer soeben veröffentlichten Studie mit dem Titel „Vernetztes Wohnen“, die ein Team um Heinze im Auftrag des GdW und der Deutschen Telekom erarbeitete. Erfolgversprechend, so die Autoren der Studie, seien Anwendungen, die technisch möglichst einfach zu handhaben seien und die neben der technischen auch eine soziale Vernetzung umfassten.

Das erkennen immer mehr Wohnungsunternehmen. Die WHG Eberswalde zum Beispiel baute einen Plattenbau zu den „Wohnterrassen am Finowkanal“ um, wobei sie nicht nur die Wohnungen barrierearm gestaltete, sondern auch eine Zusammenarbeit mit der Volkssolidarität Barnim einging. Für eine monatliche Betreuungspauschale von 38,50 Euro (für Paare 57,75 Euro) können sich Interessenten jetzt die Nachtrufbereitschaft einer Pflegekraft, Freizeitaktivitäten und die Vermittlung von Wäschedienst oder Menüservice sichern.

„Ohne ein kommunikatives Wohnumfeld mit Bürgerengagement bleiben die Optionen für vernetztes Wohnen nur Insellösungen“, halten die Autoren der Studie fest. Und auch GdW-Präsident Freitag will nicht allein auf technische Hilfsmittel setzen: „Der Händedruck“, betont er, „soll nicht durch den Mausklick ersetzt werden.“

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