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Immobilien: Von Wand zu Wand

Hinter raumhohen Schiebetüren lässt sich nicht nur ein ganz individueller Stauraum verbergen, sondern auch das Spielzeugregal oder der Computerarbeitsplatz

Wenn Besuch ins Haus steht, fällt es meist besonders auf: der mangelnde Stauraum in der Wohnung. Einmal weggeräumt, füllen sich Ablageflächen – scheinbar wie von Geisterhand – trotzdem schnell wieder auf: die Kommoden mit Post, der Fußboden mit Zeitschriften, Stühle mit Kleidung. Der eigentliche Raum zum Wohnen schrumpft zusammen.

Diesem Problem begegneten bereits die „Shaker“, eine streng gläubige und Ordnung liebende Lebensgemeinschaft des 18. und 19. Jahrhunderts im Nord-Osten der USA, mit einem System, das Räume aufgeräumt erscheinen lässt. Sie verstauten Geschirr und Kleidung in eingebauten Schränken. Handtücher, Besen und sogar Stühle hängten sie an eine umlaufende Hakenleiste, die die Wände eines jeden Raumen zierten. Somit hatte alles seinen Platz und war stets griffbereit.

Damals wie heute liegen die Amerikaner in Sachen Stauraum an der Spitze. In den Wohnungen und Häusern verfügt fast jedes Zimmer über einen integrierten Schrankraum: Hinter einer Schiebetür öffnet sich der „Closet“: Es ist ein rund 1,5 Meter tiefer und 2,5 Meter breiter Raum, ausgestattet mit Lichtschalter, Ablagefächern und Kleiderstange. Der „begehbare“ Wandschrank reicht bis zur Zimmerdecke und nutzt so jeden Zentimeter aus.

Auch die Skandinavier stehen im systematischen Wegräumen den Amerikanern in nichts nach. Wenn in Schweden ein junger Mensch aus dem Elternhaus auszieht, bekommt er für seine erste eigene Bleibe als Mitgift traditionell eine Kleiderstange geschenkt. Dieser Brauch ist das Herzstück für ein korpusfreies Schranksystem, das sich hinter Schiebetüren verbirgt. Das erweiterbare Metallgitterset hat Ablageflächen, Körbe, Schubfächer und Hosenauszüge. Alle Elemente bestehen aus besonders stabilem Schwedenstahl. Sie lassen sich in verschiedenen Größen individuell zusammenstellen und im Laufe des Lebens je nach Bedarf ergänzen.

Beim Aufbauen muss lediglich eine waagerechte Metallschiene oben in der Wand mit Schrauben fest angebracht werden. Danach kann man den Bohrer wieder in die Werkzeugkiste packen. Die Haken der senkrechten Hängeleisten klemmt man einfach im Abstand von rund 60 Zentimetern oben in die Trageschiene ein. Danach klickt man die waagerechten Tragarme der Ablagevorrichtungen in die doppelreihig gelochten Metallleisten und hängt zum Schluss die Drahtböden und ausziehbaren Gitterkörbe ein.

In den letzten Jahren beobachtet Stefan Heinemann, Berater und Verkäufer in einem Berliner Fachgeschäft für Schiebetüren und individuelle Schranksysteme, auch in Deutschland diesen Trend zum ganz persönlichen Stauraum: „Dabei soll der Schrank gar nicht mehr als einzelnes Möbelstück erkennbar sein, sondern bündig vor der Wand stehen.“ Immer mehr Kunden wünschten, so Heinemann, selbst bei kleinen Wohnungen ein großzügiges Loft-Ambiente. So ließen sich die Küchenzeile im offenen Wohnbereich, der Computerarbeitsplatz im Schlafzimmer oder das Spielzeugregal im Kinderzimmer hinter raumhohen Schiebetüren verbergen. „Der Raum wirkt so viel großzügiger, weil Flächen nicht mehr so stark zergliedert werden und man weniger dunkle Schattenfugen sieht“, erklärt der Innenarchitekt.

Eine besonders großzügige Wirkung kann man mit reflektierenden Oberflächen wie hinterlackiertem Glas erzielen. Rund 5000 verschiedene Farben stehen zur Auswahl. In den Aluminiumrahmen lassen sich mattierte Glas- oder Holzfurnierplatten einsetzen. Wenn sich der Geschmack einmal ändern sollte, kann man sie jederzeit austauschen. Wer es extravagant mag, kann die Öffnung mit Bambuspaneelen, Sandsteinplatten und Betonoptik verkleiden oder mit Kunstfell bespannen lassen. Besonders Platz sparend ist auch ein in die Schiebetür integrierter Flachbildfernseher.

Gerade bei Räumen mit Dachschrägen oder hohen Zimmern in Altbauwohnungen kann trotz individueller Fertigung so eine „Schranklösung“ kostengünstiger und effektiver sein, als ein normierter Kleiderschrank. Für das korpusfreie Innensystem muss man rund 350 bis 650 Euro pro laufenden Meter kalkulieren. Dazu kommen noch die Schiebetüren für 350 bis 800 Euro pro Element. Es empfiehlt sich daher aus optischen und finanziellen Gründen möglichst breite Schiebetüren zu bestellen. Türbreiten bis 150 Zentimeter stellen mit der heutigen Technik kein Problem mehr dar. Auch sind Höhen bis 350 Zentimeter durchaus üblich. Im Gegensatz zu einem klassischen Schrank entfällt der Sockel ebenso wie die zur Montage nötigen drei Zentimeter Abstand zu jeder Wand. Und der Fußbodenbelag läuft einfach unter der Schiebetür durch.

Im Gegensatz zu hängenden Schiebetüren empfiehlt Heinemann stehende Systeme, sie seien konstruktionsbedingt stabiler und dadurch langlebiger, so der Fachmann. Die in der Tür eingebauten Doppelrollen laufen unten in einer eingelassenen oder aufgesetzten Bodenschiene. Die oberen Tandemrollen halten die Tür seitlich an der Deckenschiene und ermöglichen so einen automatischen Höhenausgleich bei Unebenheiten im Fußboden.

Wer es hinter der Schiebetür solider und edler mag, kann sich statt des Gittersystems einen begehbaren Einbauschrank aus Massivholz anfertigen lassen. Diese eingepasste Lösung ist besonders für die „eigenen vier Wände“ geeignet. Der Holzkorpus wirkt besonders elegant, wenn eingebaute Lichtspots die massiven Einlegeböden aus Panzerglas von hinten anstrahlen. Bewegungsmelder ersetzen den Lichtschalter. In die Kleiderstange integrierte Leuchten unterstützen bei der Kleiderwahl.

Doch bevor man sich zu einem neuen Schranksystem entschließt, sollte man überlegen, ob sich nicht die alte Schrankwand „aufmöbeln“ lässt: Die Türen entfernen und durch neue schicke Schiebetüren ersetzen. Vermutlich würden sogar die alten „Shaker“ heute ihre Hakenleisten diskret verbergen.

Weiteres im Internet:

www.schiebetuer.com

Insa Lüdtke

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