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Schlüssel liegen auf einem ausgefüllten Mietvertrag.

© Dieter Assmann/dpa

Fachkräftesicherung in angespannten Mietmärkten: Zukunftsthema Mitarbeiterwohnen

Im Ringen um Fachkräfte zählen längst nicht mehr nur Gehalt und Dienstwagen. Unternehmen könnten auch mit günstigen Wohnungen locken.

Soll ich für den Job nach Berlin ziehen? Oder nach München? Oder Köln? Finde ich dort überhaupt eine Wohnung? Solche Fragen stellen sich angesichts angespannter Mietmärkte inzwischen viele Menschen. Umgekehrt versuchen Unternehmen mitunter verzweifelt, qualifizierte Fachkräfte an ihren Standort zu locken. Das könnte dazu führen, eine alte Idee wiederzubeleben, die zwischenzeitlich nur noch wenige Freunde hatte: das Mitarbeiterwohnen.

Das Berliner Forschungs- und Beratungsinstitut RegioKontext hat jüngst eine Studie zum Thema vorgestellt, für die mehr als 50 Unternehmen in ganz Deutschland nach Praxisbeispielen gefragt wurden. In Auftrag gegeben wurde die Studie von mehreren Verbänden aus dem Bau- und Wohnbereich. Sie sehen im Mitarbeiterwohnen ein Zukunftsthema, mit dem auch für Entlastung auf dem Mietmarkt gesorgt werden könnte.

„Es gibt eine Win-Win-Win-Win-Situation“, sagte Studienleiter Arnt von Bodelschwingh bei der Präsentation. Das Unternehmen, das Wohnungen anbiete, profitiere davon, Fachkräfte zu gewinnen und zu sichern. Auch die Kommunen hätten etwas davon, weil Betriebe neue Wohnflächen auf den Markt bringen könnten – und das auch noch bezahlbar und bedarfsgerecht. Dass die Bauwirtschaft profitiert, liegt auf der Hand. Die Wohnungswirtschaft könnte sich über neue Bestände mit guten Mietern und unkomplizierten Mieterwechseln freuen. Und Arbeitnehmer müssten weniger Kompromisse beim Wohnen machen.

Eigentlich ein altes Thema

Mitarbeiterwohnen existiere heute noch in Großstädten und auf dem Land, bei großen Konzernen und bei kleinen Betrieben, erläuterte von Bodelschwingh. So habe etwa eine Öko-Bäckerei in Berlin ein Wohngebäude in Betriebsnähe für seine Beschäftigten gekauft. Auch international gebe es Beispiele. Das Thema habe Potenzial für die Unternehmen. „Es macht Arbeit, aber es lohnt sich“, bilanzierte der Forscher. Perspektivisch seien Zehntausende zusätzliche Wohnungen auf dem deutschen Markt denkbar.

Eigentlich ist Mitarbeiterwohnen ein altes Thema – früher sprach man noch von Werkswohnungen. Ende der 1970er Jahre hielten in Deutschland Unternehmen noch rund 450.000 bezahlbare Wohnungen für ihre Angestellten vor, erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Wohnungs- und Immobilienwirtschaftsverbandes GdW. Insbesondere Post und Bahn verfügten über Einheiten. Heute seien davon nur noch etwa 20 Prozent übrig, schätzte er. Bekannte Konzerne wie Volkswagen oder BASF seien jedoch noch immer sehr stark im Wohnungsbau aktiv.

Dienstwagen, flexibles Arbeiten auch von zu Hause aus, Selbstverwirklichung: Diese Bonuspunkte reichen heute immer seltener aus, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. „Ich locke keinen Ingenieur mehr mit Home Office, sondern wenn ich kein Home Office anbiete, habe ich ein Problem“, sagte Sophie von Saldern, Personalleiterin der Kölner Verkehrs-Betriebe. Das öffentliche Unternehmen – eines der Beispiele aus der Studie – braucht nicht nur Fahrer, sondern auch Handwerker und Ingenieure. Von Saldern stellt sich auch angesichts höherer Gehälter in der freien Wirtschaft eine Frage: „Wie kriegen wir das Paket als Arbeitgeber so attraktiv, dass wir überhaupt noch den Hauch einer Chance haben?“ Eine Antwort sind eben Mitarbeiterwohnungen. Mehr als zehn Prozent der KVB-Beschäftigten nutzten bereits Mietangebote des Unternehmens oder von Schwestergesellschaften. Die Kölner Stadtwerke planen nach eigenen Angaben bei Betriebshöfen mittlerweile Wohnungen mit ein.

Viele Unternehmen haben bereits Grundstücke

In der Hauptstadt fanden die Forscher von RegioKontext indes nur wenig existierende Fallbeispiele. Freilich stehen auch nicht auf Immobilien spezialisierte Unternehmen bei der Schaffung von Wohnraum mitunter vor den gleichen Problemen wie alle Marktteilnehmer: steigende Preise für Grundstücke und Bau. Das räumen auch die Experten ein. Sie weisen aber zugleich darauf hin, dass viele Unternehmen – gerade auch die kommunalen – eigene Flächen hätten. Diese seien allerdings häufig nicht für eine Wohnbebauung zugelassen. Kommunen könnten zudem geeignete Grundstücke zu günstigen Preisen an Unternehmen verkaufen, die Mitarbeiterwohnungen schaffen, hieß es.

Um das Thema voranzubringen, fordern die Verbände – zu denen auch der Deutsche Mieterbund (DMB) zählt – bessere Rahmenbedingungen. So solle etwa ein steuerlicher Freibetrag für Mitarbeiterwohnungen von beispielsweise 100 oder 150 Euro im Monat eingeführt werden, wie DMB-Direktor Lukas Siebenkotten bei der Studienvorstellung erläuterte.

Um Grundstücke von Unternehmen zu aktivieren, solle die neue Nutzungskategorie „Urbanes Gebiet“ im Planungsrecht mit Priorität angewendet werden, forderte Siebenkotten weiter. Zudem könne der Neubau von Mitarbeiterwohnungen in die soziale Wohnraumförderung der Bundesländer einbezogen werden. Und im Einkommensteuergesetz solle der Paragraf 7k wieder eingeführt werden. Investoren konnten darüber früher von höheren Absetzmöglichkeiten profitieren, wenn sie sich verpflichteten, eine Wohnung zur festgelegten Fördermiete an sozial Berechtigte oder Arbeitnehmer zu vermieten.

Die Verbände appellieren zudem an öffentliche Unternehmen von Bund und Ländern, sich wieder für Mitarbeiterwohnungen zu engagieren. Auch große private Unternehmen und Gesundheitsbetriebe werden angesprochen. Wobei kleine und mittlere Betriebe ebenfalls tätig werden sollten, betonte Siebenkotten.

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