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Wirtschaft: In Abwehrstellung

Das Rüstungsprojekt Meads wird als zu teuer und ungeeignet kritisiert – es wird trotzdem kommen

Von Robert Birnbaum

Berlin – Die Opposition zögert, der grüne Koalitionspartner hat Bedenken, die Haushälter murren, der Finanzminister ist besorgt, die Wissenschaft zankt, und der Rechnungshof empfiehlt, den Plan noch einmal gründlich durchzurechnen und im Zweifel lieber abzublasen – derart umstritten wie die geplante Luftabwehr Meads war lange kein Projekt der Bundeswehr mehr. Und das bei einem Vorhaben, das Klaus Bräunig, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Industrieverband BDI, mit dem Satz zusammenfasst: „Das ist das einzige bedeutende transatlantische Kooperationsprojekt auf dem Rüstungsmarkt.“

Beteiligt sind die US-Firma Lockheed Martin mit 58 Prozent, der europäische Konzern EADS mit 25 und die italienische Alenia Marconi mit 17 Prozent. Im kommenden Monat wird es brisant. Bis zum 26. März muss Deutschland sich entscheiden, ob es einer von den USA und Italien bereits unterzeichneten Absichtserklärung beitritt. Und zuvor muss der Haushaltsausschuss seine Zustimmung geben (siehe Text links).

Der Streit um Meads – Medium Extended Air Defense System, deutsch etwa Gefechtsfeld-Luftabwehr – dreht sich dennoch nicht in erster Linie ums Finanzielle. Geld spielt nur insofern eine Rolle, als die Meads-Kritiker finden, die veranschlagten Summen könnten in Zeiten leerer Kassen vernünftiger angelegt werden. Der Hauptstreitpunkt ist tatsächlich ein anderer, militärfachlicher.

Kurz gesprochen heißt er: Brauchen wir das? Eine in dieser Form noch recht ungewohnte Frage für die Rüstungspolitik. Allzu geübt war die Wehrgemeinde bis weit über das Ende des Kalten Krieges hinaus darin, dass die eigene Rüstung sich aus der Logik des Gegners ergab. Seit der Gegner nicht mehr feststeht und Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird, ist die Frage nach der richtigen Ausrüstung viel schwerer zu beantworten.

Bernd Kubbig, Sascha Lange und Hermann Hagena zum Beispiel finden Meads schlicht überflüssig. Die Wissenschaftler von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie der pensionierte Luftabwehr-General Hagena kämpfen seit Monaten mit einem Krieg der Gutachten gegen das Projekt. Für die Verteidigung Deutschlands sei Meads untauglich, weil mit dem vorhandenen Geld nicht genügend Raketen- und Radarsysteme zur ausreichenden Verteidigung angeschafft werden könnten; überdies, so Kubbig, ist im Umkreis von 1000 Kilometern kein Feind in Sicht, der mit Raketen auf uns schießen könnte. Sie plädieren dafür, für das gleiche Geld lieber die 25 Jahre alten Patriot-Batterien aufzurüsten: „Patriot reicht für Zwecke der herkömmlichen Flugabwehr aus“, schreibt Lange.

Den vom Verteidigungsministerium neuerdings stark betonten Zweck, deutsche Soldaten im Auslandseinsatz zu schützen, halten die Kritiker erkennbar für vorgeschoben. Sie formulieren das nur etwas höflicher: Gegen Terror- und Guerillaangriffe seien bessere Panzerung und die Weiterentwicklung von Nahbereichs-Abwehrsystemen vordringlicher.

Argumente, die bei den Wehrexperten des Parlaments Eindruck gemacht haben. Der Grüne Winfried Nachtwei gab Zweifel zu Protokoll, auch der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Christian Schmidt, bat um Bedenkzeit. Zu dem Zögern hat beigetragen, dass bisher völlig unklar ist, wie teuer Meads am Ende werden wird – klar ist nur, dass die derzeit vom Verteidigungsministerium gehandelten 2,8 Milliarden Euro nach dessen eigener Formulierung maximal einen „Erstbedarf“ mit zwölf Feuereinheiten abdecken. Wie viel Meads man wirklich brauche, schrieb die Hardthöhe unlängst den Kollegen vom Finanzministerium, werde erst gegen 2008 entschieden.

Regelrecht gefährdet scheint das Projekt aber trotz aller Kritik nicht. Dabei kommt ihm die industrie- und bündnispolitische Bedeutung zugute. Meads habe eine „enorme Relevanz, um die amerikanische Dominanz auf dem Rüstungsmarkt etwas abzumildern“, sagt Bräunig. Er prognostiziert die Entstehung von mehreren Hundert hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Das Projekt leiste einen entscheidenden Beitrag für Deutschlands Zukunft als High-Tech-Standort. „Ein Scheitern von Meads können wir uns nicht erlauben.“

Den ohnehin schwierigen deutsch- amerikanischen Beziehungen wäre das Aus für Meads ebenfalls wenig förderlich. Vor allem unter diesem Aspekt neigt auch die kritische Opposition inzwischen dazu, zumindest die nicht allzu teure Entwicklung der Raketenabwehr abzusegnen. Aussteigen könne man notfalls ja immer noch.

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