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Das Bauen unter der Sonne. Offiziell wurden seit 1997 fünf Milliarden Euro investiert. Unter anderem in das Anlegen von Bewässerungskanälen.

© Katharina Eglau

Blühende Wüste: In den Sand gesetzt

In Südägypten sollen 175.000 Hektar Wüste mit Nilwasser zum Blühen gebracht werden. Doch das Toshka-Projekt droht zu scheitern.

Die nagelneuen Laternen hier stehen dichter als in Kairo. Schwarz geteerte Straßen flimmern in der brütenden Sonne. Bis zum Horizont ziehen sich breite Betonkanäle mit tiefblauem Wasser durch den Wüstensand. Ab und zu ragt ein einsamer Handymast in den wolkenlosen Himmel. „Zweites Ägypten“ und „Neues Niltal“ priesen Ägyptens Macher das wohl ambitionierteste Investitionsvorhaben seit dem Assuan-Staudamm in den 50er Jahren. Bis zum Jahr 2017 sollen in der Toshka-Region im Süden des Landes 175 000 Hektar Wüste mit abgezweigtem Nilwasser zum Blühen gebracht werden und eine Million Menschen in 20 neuen Dörfern und Städten wohnen. In der anfänglichen Euphorie war sogar von 600 000 Hektar Neuland die Rede.

Fünf Milliarden Euro hat Kairo nach offiziellen Angaben seit 1997 in diese wohl größte Urbarmachung der Welt gesteckt. Denn das alte Niltal platzt aus den Nähten. Lebten hier zu Zeiten der Pharaonen höchstens zwei Millionen Menschen, sind es heute 80 Millionen – und jedes Jahr kommen 1,2 hinzu. Mitte des 21. Jahrhunderts könnten es bereits 125 Millionen sein. Darum hat Ägypten neben Toshka vier weitere Agrarprojekte in Planung – im Nordsinai, am Roten Meer bei Suez, aber auch Erweiterungen im Nildelta und Niltal selbst. Sie sollen in den nächsten vierzig Jahren die landwirtschaftliche Nutzfläche von heute 34 000 Quadratkilometern um mindestens 7000 Quadratkilometer erhöhen – ein Anstieg um gut 20 Prozent.

Nahe Kanal Nummer zwei stehen die ersten Ställe mit Blechdächern, unter denen Kühe und Schafe grasen – ja sogar Straußenvögel. Nebenan rollt im Zeitlupentempo eine 300 Meter breite fahrbare Bewässerungsmaschine durch ein Gerstenfeld. „Unsere Weintrauben werden einen Monat früher reif als im übrigen Afrika“, sagt ein schwitzender Arbeiter stolz. Trotz solcher grüner Inseln aber hat Toshka „keinen Schwung bekommen“, urteilt einer der wichtigsten internationalen Befürworter, die amerikanische Handelskammer in Kairo. Bepflanzt sind bisher magere 8400 Hektar, keine fünf Prozent – unter der Regie einer saudischen und einer russischen Firma. Der einst kühne Wüstentraum droht zur größten Investitionsruine Ägyptens zu werden.

Saleh Riyad gibt sich von solchen Zweifeln unbeeindruckt. Der Ingenieur war von Anfang an dabei und gehört zum Expertenstab des zuständigen Gouverneurs von Assuan. Für ihn ist Toshka „nicht nur ein Symbol des modernen Ägyptens, sondern der Menschheit insgesamt“. Während manche seiner Pionier-Kollegen hinter vorgehaltener Hand über Heimweh, Einsamkeit und Hitze klagen, kommt ihm kein negatives Wort über die Lippen. Seit zwölf Jahren harrt der Pendler nun schon aus in seinem kleinen Zimmer im 30 Kilometer entfernten Abu Simbel, wo auch der berühmte Tempel steht. Frau und Kinder sieht er nur gelegentlich. Sie wollten nicht mitkommen an dieses Ende der Welt und wohnen nach wie vor in Minia in Mittelägypten.

Eigentlich sollte das Wüstenprojekt nach einem einfachen Prinzip gedeihen: Ägypten liefert Strom und Nilwasser, teert die Straßen und setzt 240 Kilometer Kanäle in den Sand. Reiche Investoren – bevorzugt aus den Golfstaaten – kaufen das Plantagenland in großen Stücken, bekommen zehn Jahre Steuerfreiheit und verpachten es an einheimische Bauernfamilien, die es für den Export bewirtschaften. Um das Geschäft in Schwung zu bringen, setzte die ägyptische Regierung auf den weltgewandten saudischen Milliardär Prinz Alwaleed bin Talal als internationales Zugpferd. Mehr als eine winzig kleine Testfarm aber ist auf seinem Boden nicht entstanden. Selbst Nebenpumpen, die das Wasser zum Gelände bringen sollen, hat er nicht installieren lassen. „Private Investoren sind Feiglinge. Sie sind nur auf schnelle Rendite aus – aber die gibt es im Agrargeschäft nicht“, trösten sich die Verantwortlichen, wie Ingenieur Tarek Ewies, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Kürzlich sprang auf Weisung von Präsident Hosni Mubarak als Ersatz das einheimische Militär ein und kaufte 80 000 Hektar, ohne irgendetwas damit anfangen zu können.

Denn die Fellachen mit ihren Familien, die hier arbeiten sollen, wollen nicht von dem vertrauten alten Niltal in die neue, künstliche Ackerwelt von Toshka umsiedeln und dann bei Temperaturen bis zu 50 Grad unter der Regie von ausländischen Agrarkonzernen schuften. Lediglich 5000 Wanderarbeiter sind bisher auf den Feldern tätig, angelockt durch den vergleichsweise hohen Lohn von rund vier Euro pro Tag. Jetzt soll „in weniger als 15 Jahren“ als erste neue Stadt Toshka-City für 100 000 Einwohner hochgezogen werden – mit Schulen, Geschäften und Krankenhäusern. Noch ist kein Spatenstich getan. Lediglich eine kleine Moschee, ein Toilettenblock für Arbeiter und ein verwaister Helikopterlandeplatz für die Investoren stehen irgendwo in der Wüste.

Denn immer mehr der betuchten Besucher fragen sich, wo künftig das ganze Wasser für den heißen Sandboden herkommen soll. Allein das Toshka-Projekt würde zwischen zehn und zwölf Prozent des für Ägypten bislang vertraglich garantierten Nilwassers von 55,5 Milliarden Kubikmeter im Jahr verbrauchen. Inzwischen aber fordern sieben Staaten am Oberlauf eine neue Verteilung der Quoten, weil auch sie wegen der Klimaturbulenzen künftig mehr Ackerflächen künstlich bewässern wollen. Und jüngst hat eine Studie der ägyptischen Regierung ermittelt, dass der Fluss den Wasserbedarf der Alttal-Bewohner erstmals 2017 nicht mehr decken kann – genau dann, wenn Toshka fertig werden soll.

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