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Wirtschaft: In der Schuldenfalle

Immer mehr Banken vergeben Kreditzinsen nach der Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden. Das kann für die Verbraucher teuer werden

Berlin - Barbara Meier benötigt einen Kredit über 5000 Euro. Sie möchte ihr Wohnzimmer neu möblieren. Sie geht zur Bank und bekommt ein Angebot: Für einen Kredit mit einer Laufzeit von 60 Monaten soll sie 9,95 Prozent Zinsen zahlen. Barbara Meier holt noch ein anderes Angebot ein – das nächste Institut will sogar 10,79 Prozent. Doch als sie zu ihrer ersten Bank zurückkehrt und den Kreditvertrag unterschreiben will, soll sie plötzlich 11,98 Prozent zahlen. Wie kann das sein?

Immer mehr Kreditinstitute machen die Höhe der Zinsen vom persönlichen Profil des Kunden abhängig. Es werden nicht mehr pauschale, sondern individuelle Zinsen vergeben. Dabei richtet sich die Höhe des Zinssatzes nach der Bonität des Kunden, also seiner Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit. Je besser die Bonität, desto geringer der Zins. Die Spanne der individuellen Zinssätze kann dabei zwischen fünf und 15 Prozent liegen.

Um den bestmöglichen Zins zu bekommen, muss der Kunde bei verschiedenen Banken ein Angebot einholen. Dabei muss er jedesmal vor Abschluss eines Kreditvertrags persönliche und finanzielle Daten preisgeben. „Um ein Kreditangebot zu erstellen, werden Einkommen und Vermögen den finanziellen Belastungen gegenübergestellt“, sagt Tanja Beller vom Bankenverband. „Zudem wird eine Schufa-Auskunft eingeholt, um weitere Informationen zur Kreditwürdigkeit des Kunden zu bekommen und sich über Belastungen zu informieren.“

Stellt ein Kreditinstitut eine Schufa-Anfrage, erhält es Auskunft über Namen und Anschrift des Kunden, Girokonten, Kreditkarten, Mobilfunkverträge, Versandhandelskonten und Angaben zu Höhe und Dauer laufender Kredite. Aber auch reine Kreditanfragen werden für zehn Tage bei der Schufa gespeichert – selbst wenn kein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde. So erfahren die Banken, dass eine oder mehrere Anfragen nach einem Kredit gestellt wurden. Im Regelfall gehen sie dann von einer schlechteren Bonität aus, denn sie unterstellen, dass der Kunde mehrere Kredite aufgenommen hat. Das verschlechtert dessen Kreditwürdigkeit und verteuert das Darlehen.

„Ob dem Kunden ein Kredit gewährt wird oder nicht, liegt im Ermessen der Bank“, sagt Schufa-Sprecher Stefan Horst. „Die Schufa ist nach dem Datenschutzgesetz verpflichtet, diese Angaben zu speichern.“ Der Sinn: Der Verbraucher kann feststellen, wann und von wem eine Anfrage gestellt wurde. Die Banken wiederum könnten besser einschätzen, ob ein Risiko bei der Kreditvergabe vorliegt. „Aus Sicht der Banken ist es nicht falsch, davon auszugehen, dass ein Kunde, der ein Kreditangebot einholt, dieses auch in Anspruch genommen hat“, sagt Horst. Meist erst nach einigen Tagen erfährt die Schufa, ob das tatsächlich der Fall ist. So lange erhalten die Institute die Information, dass eine Anfrage gestellt wurde.

„Dass das Einholen mehrerer Angebote zu einer Verschlechterung der Kreditwürdigkeit führt, kann und darf nicht sein“, sagt Marie-Luise Dittmar vom Bundesverbraucherschutzministerium. „Wir erwarten eine Änderung dieser Schufa-Praxis, denn Verbraucher, die sich richtig verhalten, dürfen nicht benachteiligt werden.“ Das Ministerium wird in Kürze eine Studie über solche „Scoring-Modelle zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit“ vorlegen – und dann prüfen, ob Handlungsbedarf besteht. Bis dahin kann der Verbraucher nicht viel gegen die herrschende Praxis tun. Schlimmer: Der Bankenverband geht davon aus, dass immer mehr Banken dazu übergehen werden, individuelle Kreditzinsen festzulegen.

„Um eine erste Auswahl zu treffen, kann der Verbraucher auf allgemeine Kreditvergleiche zurückgreifen“, rät Helga Springeneer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Außerdem kann er versuchen, der Bank zu erläutern, woher die Schufa-Merkmale stammen.“ Auch könne man zwischen den Kreditanfragen jeweils zehn Tage vergehen lassen, damit die vorherige Schufa-Anfrage nicht mehr mitgeteilt werde. Allerdings verlängert das die Kreditaufnahme. „Auf jeden Fall sollte man eine Selbstauskunft bei der Schufa einholen und prüfen, welche Daten gespeichert sind“, rät Verbraucherschützerin Springeneer.

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