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Wirtschaft: Industrie hat kaum Interesse an Terrorpolice Der neue Spezialversicherer Extremus steht vor dem Start, doch viele Unternehmen wollen den Schutz nicht

Berlin. Die Anti-Terrorversicherung Extremus AG, in der Versicherer und Bund zusammenarbeiten, könnte sich zu einem gigantischen Fehlschlag entwickeln.

Berlin. Die Anti-Terrorversicherung Extremus AG, in der Versicherer und Bund zusammenarbeiten, könnte sich zu einem gigantischen Fehlschlag entwickeln. Viele Industrieunternehmen stehen den Versicherungsbedingungen kritisch gegenüber und bezweifeln, ob sich eine Police für sie überhaupt lohnt. „In der Industrie gibt es eine deutliche Skepsis gegenüber der Terrorversicherung“, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Insbesondere für Unternehmen, die international arbeiten, ist die Versicherung nach Einschätzung des BDI-Experten Jan Wulfetange wenig attraktiv. Der Grund: Extremus deckt nur Schäden ab, die in Deutschland auftreten. Auch für den Siemens-Konzern, der immerhin in 190 Ländern vertreten ist, ist die Terrorversicherung (siehe Lexikon, Seite 18) daher nach eigenen Angaben „weniger geeignet“.

Die neue Terrorversicherung kann es sich jedoch nicht leisten, auf Großkunden zu verzichten. Spätestens Anfang nächsten Monats will die neue Gesellschaft, zu deren Aktionären namhafte Versicherer wie die Allianz, AMB, Gerling, der HDI und die Huk Coburg gehören, ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen. Als Konsequenz aus dem Anschlag vom 11. September bietet der neue Spezialversicherer Unternehmen die Möglichkeit, sich gegen Sachschäden und Betriebsunterbrechungen als Folge von Terroranschlägen zu versichern. Ab einer Versicherungssumme von 25 Millionen Euro können sich Firmen bei Extremus absichern, niedrigere Schäden werden nach wie vor von der herkömmlichen Industriesachversicherung gedeckt. Bis zu einer Schadenssumme von insgesamt drei Milliarden Euro trägt die Versicherungsbranche das Risiko, der Staat haftet mit weiteren zehn Milliarden Euro und erhält dafür nach Tagesspiegel-Informationen zehn Prozent der Netto-Prämien.

Doch noch ist völlig unklar, wie hoch diese sein werden. Mit einem Prämienvolumen von jährlich 500 Millionen Euro rechnet der Vorstandsvorsitzende der Extremus AG, Bruno Gas, in drei Jahren. Innerhalb der nächsten Monate soll bereits ein Prämienaufkommen von mindestens 300 Millionen Euro erreicht werden. Dies sei notwendig, damit Extremus kostendeckend arbeiten könne. Die Versicherer seien sich einig, dass der neue Spezialversicherer seinen Geschäftsbetrieb einstellen müsse, wenn diese Summe nicht erreicht werde, betont Gas. Klagen, die neue Versicherung sei zu teuer, hält der Extremus-Chef für unangemessen. Noch gebe es kein verbindliches Prämienschema, sagte Gas dem Tagesspiegel, klar sei aber, dass die Beiträge „nicht achtstellig“ werden würden. Zudem sollen die Prämien nach dem Risiko gestaffelt werden.

„Der Terrorschutz war vorher in der Industrieversicherung kostenlos mitversichert, jetzt entstehen den Unternehmen zusätzliche Kosten“, kritisiert BDI-Experte Wulfetange. Zudem hätten die Konzerne keine Möglichkeit, die finanzielle Belastung dadurch zu reduzieren, dass sie nur bestimmte, besonders gefährdete Unternehmensteile oder Töchter versichern.

Hinzu kommen weitere Mängel. So befürchtet der Industrieverband in der Praxis Abgrenzungsschwierigkeiten mit anderen Versicherungszweigen: „Was ist normale Brandstiftung und was ist Terror“, fragt BDI-Referent Wulfetange.

Auch das außerordentliche Kündigungsrecht, das beiden Seiten zur Verfügung stehen soll, schmeckt dem BDI nicht. „Warum sollen die Finanzchefs der Unternehmen eine Police kaufen, wenn sie nicht sicher sagen können, wie lange der Schutz bestehen wird“, fasst Wulfetange das Unbehagen vieler Industrievertreter zusammen. Nach den bisherigen Versicherungsbedingungen soll das Recht zur außerordentlichen Kündigung an keinen Kündigungsgrund gebunden sein.

„Jedes terrorgefährdete Unternehmen wird sehr nachdrücklich prüfen, ob es die Versicherung in dieser Form wirklich braucht“, heißt es beim BDI. Doch noch hofft der Verband, in einem Gespräch mit der Versicherungsbranche Einfluss auf die Bedingungen nehmen und die Kosten drücken zu können. Ein Punkt – das steht fest – ist jedoch keinesfalls verhandelbar: die Beschränkung auf Anschläge in Deutschland. Denn für Schäden im Ausland ist der deutsche Staat nicht bereit, Rückendeckung zu geben. Heike Jahberg

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