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Wirtschaft: Ingenieure dringend gesucht

Dem Maschinenbau fehlen 7000 Fachleute. Personalberater sehen die Schuld auch bei den Firmen: Sie hätten jahrelang geschlafen

Berlin - Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer schlagen Alarm: Den Unternehmen fehlten derzeit rund 7000 gut ausgebildete Ingenieure, hat der Branchenverband VDMA in einer Umfrage ermittelt, die er am Montag veröffentlichte. Schon heute müssten 41 Prozent der befragten Unternehmen Unteraufträge an andere Firmen vergeben, weil das Personal fehlt. Fast ebenso viele müssen Leiharbeitskräfte beschäftigen, klagen die Unternehmen. Elf Prozent gaben sogar an, die Arbeit ins Ausland verlagern zu müssen. Ein Teil der Krise scheint allerdings hausgemacht zu sein: „Die Unternehmen haben fünf Jahre lang geschlafen“, sagt Jürgen Below, Berliner Bürochef der Unternehmensberatung Kienbaum, dem Tagesspiegel. Viele hätten sich in den Zeiten schwacher Wirtschaftsentwicklung nicht oder zu wenig um den Nachwuchs bemüht – und müssten jetzt die Rechnung dafür zahlen.

In der VDMA-Umfrage geben die Unternehmen als wichtigsten Grund für die offenen Stellen den Bewerbermangel an. Knapp 40 Prozent sind überzeugt, dass Bewerbern die nötigen Fachkenntnisse fehlen. Rund ein Drittel nennt zu hohe Gehaltsforderungen als Grund für nicht besetzte Jobs. Viele Bewerber seien zudem nicht bereit, für den Job in eine andere Stadt zu ziehen, sagt VDMA–Hauptgeschäftsführer Hannes Heese.

„Uns sagen viele Absolventen: Ich studier’ doch nicht in München, um dann in Salzgitter zu arbeiten“, sagt Torsten Bittlingmaier, Chef der Personalentwicklung bei MAN Nutzfahrzeuge, der an Hochschulen rege um Nachwuchs wirbt. Auch der Elektronikkonzern Siemens kennt das Problem. „In unattraktiveren Städten wie Mühlheim an der Ruhr oder Essen haben wir jede Menge offene Ingenieurstellen“, sagt ein Sprecher des Unternehmens, das allein in der Kraftwerksparte 600 Ingenieure sucht. Vielen fehle die nötige Mobilität, klagt der Sprecher. Doch selbst beim Münchner Autobauer BMW, der in Absolventen-Umfragen regelmäßig zu Deutschlands beliebtesten Arbeitgebern gezählt wird, sind 80 Prozent der offenen Stellen Ingenieurposten.

Es wäre aber zu einfach, die Schuld allein bei den Absolventen zu suchen, wie ein Blick auf die Statistik der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit zeigt. Danach gibt es zwar 11 200 Stellengesuche für Ingenieure, andererseits aber auch mehrere tausend, die Arbeit suchen. „Der Arbeitsmarkt ist aus unserer Sicht nicht leergefegt“, sagt Franziska Schreyer vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Doch viele Unternehmen halten die Bewerber für zu alt: Rund 90 Prozent der jobsuchenden Ingenieure sind älter als 35 Jahre. „Man kann deshalb allenfalls von einem Nachwuchsmangel sprechen“, sagt Schreyer.

Grund dafür sei die zyklische Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt: Anfang 90er Jahre hatten es Maschinenbauer und Elektrotechniker schwer, eine Stelle zu finden. Als entsprechend unattraktiv galt das Studium. „Das macht sich jetzt bei den Absolventenzahlen bemerkbar“, sagt Schreyer (siehe Grafik).

In ihrer Not beauftragen immer mehr Unternehmen Personalberater wie Kienbaum, die Lücken zu schließen. „Wir stellen seit eineinhalb Jahren eine verstärkte Nachfrage fest“, sagt Personalmanager Below. Weil die Auftraggeber wegen der globalen Kostenkonkurrenz aber nicht bereits seien, die Ingenieur-Gehälter zu erhöhen, sucht der Berater vor allem in Osteuropa nach deutschsprachigen Fachkräften. „In Deutschland gibt es kaum einen Ingenieur, der für ein Jahresgehalt von 45 000 bis 60 000 Euro den Job wechselt“, sagt Below. Die Erfolgsquote ist entsprechend kümmerlich: Von 15 Kandidaten, die Below anspricht, um sie abzuwerben, sagt im Schnitt nur einer zu.

Stefan Kaiser, Maren Peters

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