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Ein Insolvenzverwalter soll die Interessen der Gläubiger aber auch die der Beschäftigten vertreten.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Insolvenzverwalter: Supermann gesucht

Nicht für alle Insolvenzverwalter steht der Erhalt des Unternehmens im Vordergrund. Viele wollen das Geschäft nur so schnell wie möglich abwickeln.

Von Carla Neuhaus

„Am Anfang geht es darum, so schnell wie möglich zu verstehen, was das Unternehmen macht, und was die Probleme sind“, sagt Philipp Hackländer, der seit 15 Jahren als Insolvenzverwalter in Berlin arbeitet. Wenn das Gericht ihm einen Fall überträgt, muss er innerhalb weniger Stunden loslegen.

Insolvenzverwalter wie er sollen retten, was noch zu retten ist. Wenn sie ins Unternehmen kommen, ist der Betrieb hoch überschuldet oder bereits zahlungsunfähig. Und es geht um viel – bei großen Fällen wie aktuell bei der Drogeriemarktkette Schlecker gar um Milliardenbeträge und tausende Arbeitsplätze.

„Die Entscheidung, ob ein Unternehmen fortgeführt werden kann, fällt meist in den ersten 24 Stunden“, sagt Hackländer. Es sei immer besser, den Betrieb zu erhalten. „Ein lebendes Unternehmen lässt sich leichter verkaufen, und davon profitieren dann auch die Gläubiger.“

Doch so wie Hackländer denken längst nicht alle seiner Kollegen. „Die Hälfte der Insolvenzverwalter in Deutschland arbeitet nicht so, wie man es sich wünschen würde“, sagt Hans Haarmeyer, Professor für Wirtschafts- und Insolvenzrecht. Zu viele würden das Unternehmen einfach schnell abwickeln, statt es mit viel Mühe am Leben zu halten und vielleicht zu retten. Haarmeyer weiß, wovon er redet – er war früher selbst Insolvenzrichter und hat so manche Verwalter erlebt. Ein Problem ist seiner Meinung nach die Bezahlung. „In der Zeit, in der ein Verwalter ein Unternehmen weiterführt, kann er drei andere abwickeln und so gleich dreimal so viel verdienen“, sagt er.

Bezahlt werden die Verwalter abhängig von der Insolvenzmasse. Ob sie das Unternehmen und damit auch die Arbeitsplätze erhalten, spielt dabei keine Rolle. Hinzu kommt: Neben dem Regelsatz können die Verwalter Sondervergütungen verlangen, bei denen sie großen Spielraum haben. Haarmeyer rechnet damit, dass dadurch nicht selten bis zu 70 Prozent der Insolvenzmasse an den Verwalter gehen – nach der Regelvergütung sollten es nicht mehr als 40 Prozent sein.

„Es ist zu einer Unart geworden, ständig Zuschläge zu verlangen“, sagt auch der Berliner Insolvenzverwalter Carsten Cervera. Er selbst rechne nur nach Regelsatz ab und fordert: „Die Vergütung müsste schon bei der Auswahl der Insolvenzverwalter eine Rolle spielen.“ Nur wer nicht unnötige Zuschläge verlange, sollte vom Gericht als Verwalter bestellt werden.

Überhaupt gibt es kaum Regeln, nach denen die Insolvenzrichter einen Verwalter bestimmen. Die einzige Vorgabe: Sie sollen „geschäftskundig“ und „unabhängig“ sein. „Im Prinzip könnte jeder Insolvenzverwalter werden“, sagt Haarmeyer. „Sie müssen nur einen netten Richter finden, der Sie sympathisch und vertrauenswürdig findet.“ Es gibt weder eine Ausbildung zum Insolvenzverwalter noch eine Berufsordnung. Das findet selbst der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) nicht gut. „Ein Berufsstand, dem so viel Verantwortung übertragen wird, braucht allgemeinverbindliche Regeln“, sagt Verbandsgeschäftsführer Daniel Bergner.

Immerhin, mit der Reform des Insolvenzrechts sollen die Gläubiger ab März schon zu Beginn des Verfahrens Einfluss auf die Auswahl der Verwalter nehmen können. Doch viel Hoffnung, dass sich in naher Zukunft etwas grundlegend in der Branche ändert, hat Insolvenzexperte Haarmeyer dennoch nicht: „Das System ist von Grund auf renovierungsbedürftig.“

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