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Wirtschaft: Internationale Brauereikonzerne bei Investoren beliebt - Biermarkt stark zersplittert

Größer könnten die Gegensätze kaum sein. Während die Analystengemeinde über den Zustand der deutschen Brauereiszene stöhnt, werden die Aktien der internationalen Bierkonzerne mit Wohlwollen betrachtet.

Größer könnten die Gegensätze kaum sein. Während die Analystengemeinde über den Zustand der deutschen Brauereiszene stöhnt, werden die Aktien der internationalen Bierkonzerne mit Wohlwollen betrachtet. Obwohl Deutschland bei Verbrauch und Produktion eine der weltweit führenden Biernationen ist, sind heimische Unternehmen im internationalen Vergleich nahezu bedeutungslos. "Deutsche Brauereiaktien sind einfach out", meint Karsten Rahlf von der Hamburger Vereins- und Westbank. Ganz anders das Bild außerhalb der Landesgrenzen: Dort herrscht Aufbruchstimmung. Branchenbeobachter rechnen in diesem Jahr mit einer Reihe größerer Übernahmen. Dies könnte der Beginn einer größeren Konzentrationswelle sein. Analysten wie der Branchenspezialist Michael Bleakley von Credit Suisse First Boston in London beurteilen den Sektor insgesamt positiv: "Die Aussichten für Investitionen in führende Brauereikonzerne sind unserer Ansicht nach hoch attraktiv." Aktientitel wie der amerikanische Budweiser-Hersteller Anheuser-Busch, Heineken, South African Breweries, Miller (Philip Morris) und Bass stehen auf den Empfehlungslisten renommierter Geldhäuser.

Die Bierbranche, in Jahrhunderten gewachsen und stark an regionalen Gegebenheiten orientiert, ist nach wie vor stark zersplittert. Die 20 größten Hersteller liefern weniger als die Hälfte der gesamten Weltproduktion. Verglichen mit anderen Konsumgüterbereichen ist das wenig. Die Aussicht auf steigenden Absatz in Europa und Nordamerika, wo knapp 70 Prozent der Weltproduktion getrunken werden, ist unterdessen begrenzt, der Bierdurst lässt nach. Die Anbieter versuchen, mit Millionenbudgets für Werbung und über Preiskämpfe Marktanteile zu verteidigen oder zu gewinnen. Wachstumschancen gebe es vor allem in Schwellenländern, stellt Graham Mackay, Chef der South African Breweries (SAB) fest. "Bier ist das alkoholische Getränk mit den höchsten Zuwachsraten in den Zukunftsmärkten", bestätigt Terry Pettit, Analyst bei Warburg Dillon Read in Johannesburg.

Neue Biermarken lassen sich jedoch schwer platzieren. "Es gibt starke örtliche Bindungen. Die Menschen identifizieren sich mit ihrer lokalen Brauerei", erläutert Heineken-Vorstand Karel Vuursteen. Besonders hart umkämpft sind daher die wenigen großen Premiummarken, die sich auch weltweit gut verkaufen. Dieses Segment wächst mit jährlich vier Prozent stärker als der Weltbiermarkt mit zwei Prozent. Eine neue Runde im Fusionskarussell hat in der vergangenen Woche der niederländische Brauer Heineken eingeläutet, der in seinem Heimatland längst an Wachstumsgrenzen gestoßen ist. Die Nummer zwei der Branche bekundete offiziell Interesse an dem großen britischen Produzenten Bass sowie an Brasiliens Nummer drei, Cervejarias Kaiser. Mit glänzenden Bilanzzahlen und reichlich finanziellem Polster für Zukäufe zählt Heineken derzeit zu den Favoriten der Analysten.

Der Branchenführer Anheuser-Busch wiederum soll ein Auge auf Carlsberg - ein anderes Mitglied in der Topliga - geworfen haben. Die Dänen ließen inzwischen verlauten, das Gerücht entbehre jeder Grundlage. Carlsberg sei selbst intensiv auf der Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten. Von anderen Sparten wie dem Vergnügungspark Tivoli will sich Carlsberg trennen, um die Kriegskasse für Übernahmen zu füllen. Diese Strategie verfolgt auch der britische Brauereikonzern Scottish & Newcastle. Er gab Anfang der Woche bekannt, bis Juni seine Center-Parcs-Feriendörfer zu verkaufen. Mit einem Erlös von bis zu 1,5 Milliarden Euro wird gerechnet. Die Brauerei mit einem Marktanteil von 30 Prozent auf der Insel will sich künftig auf das Biergeschäft konzentrieren.

Eine gegensätzliche Strategie verfolgen die britischen Konkurrenten Whitbread und Bass. Sie haben zum Rückzug aus demBrauereigeschäft geblasen und wollen sich künftig auf den Betrieb von Hotels und Pubs konzentrieren. Einer der Gründe für diese Entscheidung dürften die - nach Meinung vieler zu Unrecht - schwachen Aktienkurse der Gesellschaften sein. Zu Unrecht, wie viele meinen, denn die Unternehmen wachsen bei Umsatz und Gewinn. International gut positioniert hat sich der südafrikanische Branchenriese South African Breweries. Der viertgrößte Produzent weltweit hat Ende vergangenen Jahres eigens seinen Firmensitz und die Börsennotiz von Johannesburg nach London verlegt. "Wir müssen dieselben Startchancen wie andere Brauereikonzerne haben - oder wir werden zum Übernahmekandidaten", begründete Firmen-Chef Mackay den Schritt. Der Monopolist am Kap hat seit dem Ende der Apartheid kräftig bis nach Zentralafrika expandiert. Erfolge kann SAB auch in Osteuropa und China verbuchen.

Ganz und gar nicht rosig beurteilen die Analysten dagegen die Aussichten für die deutsche Brauerei-Industrie. Der heimische Markt ist fragmentiert wie kein anderer auf der Welt. Rund 1200 Brauereien werden hier zu Lande gezählt, in Großbritannien sind es nur rund 80. Ein Drittel der deutschen Produktionskapazitäten liegt brach, schätzt die Unternehmensberatung Arthur Andersen in einer aktuellen Studie. Der Konzentrationsprozess ist unaufhaltsam. "In zehn Jahren werden in Deutschland noch höchstens 400 Brauereien übrig bleiben", sagt Arthur-Andersen-Berater Rudolf Böhlke. Die Aktienkurse vieler Brauereien, so auch der von Brau und Brunnen, dümpeln im Keller. Die Berliner Bankgesellschaft rät, diese Aktie abzustoßen. Finanzstarke Interessenten aus dem Ausland sind weit und breit nicht in Sicht. "Der deutsche Markt ist zersplittert und für ausländische Investoren uninteressant", erklärt Jochen Intelmann, Brauereispezialist der Hamburger Sparkasse. Einziger Lichtblick nach seiner Ansicht: die Hamburger Holsten-Brauerei. Mit der Übernahme der König-Brauerei schaffte Holsten den Aufstieg zum größten deutschen Bierbrauer. Eine geschickte Markenstrategie und feste Standbeine im Ausland sind Pluspunkte. Die Gefahr, dass Holsten selbst zum Übernahmekandidaten werden könnte, schätzt Analyst Intelmann eher gering ein. Mehr als die Hälfte der Aktien sei in festen Händen.

Silvia Liebrich

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