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Wirtschaft: Interne Dokumente belasten BA-Chef

Neuer Skandal bei der Bundesagentur für Arbeit alarmiert die Bundesregierung: Wer hat wann was gewusst?

Berlin (asi/ce/vis/HB). Das Bundeswirtschaftministerium ist alarmiert über die Entwicklungen bei der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA). Am Abend wurde in Berlin nicht ausgeschlossen, dass der Vorstandsvorsitzende Frank Weise oder Vorstandsmitglied Heinrich Alt ihren Posten verlieren. Womöglich trifft es sogar beide. Nach HandelsblattInformationen belegen interne Dokumente der BA, dass Vorstandschef Weise frühzeitig von der drohenden Kostenexplosion bei dem Internet-Projekt Stellenbörse gewusst hat. An diesem Mittwoch sollen die Vorstände vor dem Bundestags-Wirtschaftsausschuss zu den millionenschweren Kostenüberschreitungen Stellung nehmen.

Bei der Neukonzeption des BA-Internetportals „Virtueller Arbeitsmarkt“ hatte es Kostenüberschreitungen um 100 Millionen Euro gegeben. Nun geht es um die Frage, welcher Vorstand wann über das Ausmaß der Steigerung informiert war. Vorstandschef Weise hat in den vergangenen Tagen gesagt, er sei nur unvollständig informiert worden. Nach Informationen aus der BA-Zentrale ist der strittige Vertrag über 65 Millionen Euro mit dem Unternehmen Accenture zum Aufbau des Virtuellen Arbeitsmarktes im Frühjahr 2003 von der Abteilung Einkauf der Behörde geschlossen worden. Diese Abteilung untersteht dem Finanzvorstand der BA, also zum damaligen Zeitpunkt Weise.

Interne E-Mails, die dem Handelsblatt vorliegen, belegen nun, dass Weise entgegen seiner Behauptung schon seit August, spätestens seit Anfang September 2003 von den drohenden Mehrkosten des Projekts gewusst haben muss. Ein BA-Sprecher bestätigte die Existenz eines entsprechenden E-Mail-Wechsels, an dem auch Alt beteiligt war. Zu den Inhalten wollte er aber nicht Stellung nehmen.

Den Unterlagen zufolge meldete der Geschäftsbereich IT am 21. August 2003 in einer Kostenübersicht einen Gesamt-Mehrbedarf für das Projekt von 51,6 Millionen Euro. Weise war damals Finanzvorstand der BA, im Februar löste er Florian Gerster an der Spitze ab. Die Gesamtkosten des Projekts werden in der Vorlage mit 108,1 Millionen Euro beziffert. Dies entsprach damals schon fast einer Verdoppelung des ursprünglich mit der Unternehmensberatung Accenture vereinbarten Betrages. Weise habe dann am 25. August Alt per E-Mail über die Probleme informiert. „Die Erhöhung ist begründet“, habe es in Weises Schreiben geheißen. „Vom Verfahren stellen sich natürlich Fragen.“ Noch am Montag hatte Weise in einem Interview gesagt, „dieser Hinweis ist nicht in meiner Hand gewesen“. Mittlerweile drohen die Kosten nach Angaben der BA sogar auf 165 Millionen Euro zu steigen.

Der FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel erwartet von der für heute geplanten Sitzung des Wirtschaftsausschusses, „dass wir erfahren, wer wann was gewusst hat“. Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union im Bundestag, Dagmar Wöhrl, sieht „noch eine Menge Aufklärungsbedarf“.

In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion war bereits Anfang Dezember von einem Volumen des Projekts von 77 Millionen Euro die Rede. Im Wirtschaftsministerium wie auch in Kreisen des Verwaltungsrates wird nun wieder die Frage gestellt, ob die Organisation der BA richtig ist. Nach Tagesspiegel-Informationen werden zurzeit alle Varianten einer Neuorganisation der Agentur durchgespielt – die meisten Ideen scheiterten jedoch an gesetzlichen und verfassungsmäßigen Hürden. So sei es beispielsweise nicht vorstellbar, die BA zu zerschlagen und entweder den Ländern oder aber direkt der Bundesregierung zu unterstellen.

Vor Problemen bei der für 2005 geplanten Einführung des neuen Arbeitslosengeldes II warnte der Deutsche Landkreistag. Für die rund 2,7 Millionen Personen – Bezieher von Arbeitslosenhilfe und erwerbsfähige Empfänger von Sozialhilfe – soll es ab dann eine einheitliche Leistung geben. Zum Jahreswechsel soll dafür eine neue Software eingeführt werden, an der verschiedene Unternehmen im Auftrag der BA arbeiten. „Wir sind höchst skeptisch, denn mit der Einführung bundesweiter Systeme haben wir keine guten Erfahrungen gemacht.“, sagte Irene Vorholz, Sozialexpertin beim Deutschen Landkreistag. „Wir hören immer aus der BA und den Arbeitsagenturen selbst, dass sie bei dem enormen Arbeitsaufwand Zweifel haben, es bis zum Jahresende zu schaffen."

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