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Online oder offline - manchmal macht dieser Unterschied bares Geld aus.

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Internet-Muffel: Wer offline ist, zahlt drauf

Es gibt sie noch: Menschen, die quasi ohne Zugang zum Internet leben. Unter Frauen sind es rund 30 Prozent. Dass immer mehr Dienstleistungen nur noch online verfügbar sind, beschäftigt Bundesregierung und EU-Kommission - denn es geht für die Verbraucher um bares Geld.

Am Flughafen Tegel ist es an diesem Wochenende so voll wie nie. Air Berlin bittet daher seine Passagiere, bereits zu Hause online einzuchecken. So spart der Fluggast Zeit. Zeit und Ärger spart auch, wer den Verspätungsalarm der Deutschen Bahn nutzt. Reisende, die sich für den Service im Netz anmelden, werden von der Bahn per Mail benachrichtigt, wenn es Störungen oder Zugverspätungen gibt. Und was machen Reisende ohne Internetanschluss? Sie müssen länger warten.

Schon viele Jahre wird ein Phänomen diskutiert, das die Experten den digitalen Graben nennen, die Trennung der Gesellschaft in diejenigen, die online sind, und diejenigen, die keinen Zugang zum Netz haben. Die Gruppe derer, die abgehängt ist, wird zwar immer kleiner. Dafür werden die Nachteile, die sie in Kauf nehmen muss, immer gravierender. Der digitale Graben wird also schmaler, dafür aber immer tiefer.

Es geht nicht nur darum, dass man manchmal länger warten muss. Wer eine Versicherung, einen Kreditvertrag oder einen Stromtarif im Internet abschließt, kommt meist günstiger weg. Zehn Prozent Online-Rabatt über zwölf Monate bietet zum Beispiel der Mobilfunkanbieter O2. Dagegen berechnen Kreditkartenfirmen oder Telefongesellschaften einen zusätzlichen Betrag, wenn der Kunde seine Rechnung nicht online abruft, sondern zugeschickt haben will. Preissuchmaschinen finden den günstigsten Flug. Online-Banking ist billiger, als Bankgeschäfte in der Filiale zu erledigen.

Gleiches gilt häufig fürs Einkaufen. Dabei sind nicht nur viele Produkte im Netz billiger als im Geschäft, die Auswahl ist auch größer. Im Netz gibt es mehr Spezialanbieter, als jede Großstadt aufbieten kann. Und das Netz schafft Transparenz – über Anbieter, Qualität und Preise. Hier findet man nicht nur das günstigste Hotel in Rom, sondern auch das beliebteste und kann es gleich anschauen – auf authentischen Bildern, nicht auf Katalogfotos.

Aber der Graben geht weit tiefer. Es geht nämlich auch um Information und gesellschaftliche Teilhabe. Jeden Abend, egal ob in der Tagesschau oder im Heute- Journal weisen die Moderatorinnen freundlich darauf hin, dass zu den wichtigen Meldungen des Tages weitere Informationen im Internet stehen. Muss der Fernsehzuschauer dabei nicht das Gefühl bekommen, ihm werden wichtige Informationen vorenthalten? Auch der Staat möchte künftig immer mehr online mit seinen Bürgern kommunizieren und immer mehr Dienstleistungen über das Netz anbieten: Auto anmelden, Personalausweis beantragen, Ummelden – alles soll bald online funktionieren, unabhängig von rigiden Öffnungszeiten und mit weniger Aufwand. Die immer schlechter werdende ärztliche Versorgung soll mittels Telemedizin an den Standard in den Ballungszentren angeschlossen werden. Berufliche Netzwerke oder Freundschaften werden über das Netz gepflegt. Menschen finden ihre Lebenspartner online.

Heute sind es vor allem die Alten und die Frauen, die weniger Gebildeten und die weniger Begüterten, die nicht online sind. Und noch immer gibt es weiße Flecken in Deutschland, wo kein vernünftiger Internetanschluss verfügbar ist. Seniorenverbände, Volkshochschulen oder die Stiftung Digitale Chancen bieten Kurse und Begleitung an, um etwa älteren Menschen den Weg ins Netz zu erleichtern. Und die Bundesregierung hat den Telekommunikationsfirmen Ziele gesetzt, um die weißen Flecken zu beseitigen.

Doch es werden immer Menschen bleiben, die keinen Zugang zum Netz haben und sei es, weil sie sich ihn nicht leisten können. „Egal ob Reisebuchungen, Bankgeschäfte oder Servicestellen – ich sehe es mit Sorge, dass immer mehr Dienstleistungen nur noch online verfügbar sind“, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) dem Tagesspiegel. „Das Bestreben der Wirtschaft, Personalkosten zu sparen, darf nicht dazu führen, dass Menschen ohne Internetanschluss einfach abgekoppelt werden.“ Doch was kann man gegen die wachsende Benachteiligung tun?

„Das Thema kommt immer stärker auf uns zu“, sagt Cornelia Tausch vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Sicher müsse es für Menschen ohne Netzzugang alternative Angebote geben, dass sie zum Beispiel persönlich bedient werden statt online einzuchecken. „Aber muss es diese Alternative kostenfrei geben? Diese Diskussion müssen wir noch führen, auch auf europäischer Ebene“, sagt Tausch. Die EU hat bereits eine Studie zu dem Thema erstellt, arbeitet aber noch an Vorschlägen, welche Maßnahmen ergriffen werden können.

Und natürlich hat es nicht nur Vorteile, dass immer mehr Lebensbereiche über das Internet organisiert werden. Der Verbraucher muss viele Leistungen selbst erbringen, die früher selbstverständlicher Service der Unternehmen waren – und sei es nur der Ausdruck der Bordkarte.

Lieber offline? Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht eines Tagesspiegel-Redakteurs.

Ständig online? Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht einer Tagesspiegel-Redakteurin.

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