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Klaus Schraudner: Wir sind offen für Kunden, die unsere christlichen Werte teilen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Interview mit Pax-Bank-Chef Klaus Schraudner: "Die Bank muss Teil der Gesellschaft sein"

Der Chef der katholischen Pax Bank spricht mit dem Tagesspiegel über christliche Geldanlagen, nachhaltige Investments und Crowdfunding.

Von Carla Neuhaus

Herr Schraudner, Sie leiten mit der Pax Bank eine „Bank für Kirche und Caritas“. Muss man Katholik sein, um bei Ihnen ein Konto zu bekommen?

Nein. Wir sind offen für alle Kunden, die unsere christlichen Werte teilen. Man muss allerdings sagen, dass die große Mehrheit unserer Kunden katholisch ist.

Das heißt aber, Sie machen keinen Christencheck bei der Kontoeröffnung?
Nein, einen Christencheck gibt es nicht. Wir haben uns im vergangenen Jahr sogar bewusst für einen breiteren Kundenkreis geöffnet.

Bis dahin konnte nur bei Ihnen Kunde werden, wer in der Kirche oder bei einer kirchlichen Organisation arbeitete. Jetzt soll jeder ein Konto bekommen. Warum?
Schauen Sie sich die Kirche an. Sie hat offene Türen – jeder ist willkommen, ob er nun katholisch ist oder nicht. So wollen wir das als Bank auch handhaben.

Hat sich diese Strategie schon ausgezahlt?
Ja, wir haben bereits eine vierstellige Zahl von Neukunden dazugewonnen. Angesichts der Tatsache, dass wir dafür noch gar nicht aktiv Werbung gemacht haben, ist das viel.

Wenn Sie einen breiteren Kundenkreis ansprechen wollen: Heißt das, Sie bauen Ihr Filialnetz aus?
Nein, unser Geschäft ist stark internetgetrieben und das ist gut so. Das Internet ist der Vertriebsweg der Zukunft. Wir wollen gar nicht wie andere Institute an jeder Straßenecke mit einer Filiale vertreten sein. Beratung kann genauso gut telefonisch oder per Videokonferenz stattfinden, ohne dass die Qualität leidet. Zudem wäre es derzeit wirtschaftlich auch kaum vertretbar, neue Filialen aufzumachen.

Gegründet worden ist Ihr Institut von Priestern. Wie hoch ist der Anteil an Priester an Ihren Kunden heute noch?
Wir betreuen derzeit 1700 Priester. Da der Berufsstand mit Nachwuchssorgen kämpft, sind das nicht mehr allzu viele.

Ist das wie auch die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder Grund für Ihre Öffnung?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben uns da eher an Papst Franziskus orientiert. Der zeigt: Kirche darf sich nicht nur auf sich selbst konzentrieren, sondern sollte stärker in der Gesellschaft unterwegs sein. Das ist ein Anspruch, den wir auch an unsere Bank haben. Dazu kommt, dass wir mit unserem Wertekodex den Zeitnerv treffen. Schließlich wollen heute mehr Bankkunden ihr Geld nachhaltig anlegen und neben der finanziellen auch eine soziale Rendite erzielen.

Sie werben bei den Privatkunden vor allem um Immobilienkredite. Heißt das, die Kirchen haben zu viel Geld, als dass Sie es in Zeiten niedriger Zinsen anlegen können?
Das Geschäft mit den kirchlichen Einrichtungen macht 80 Prozent bei uns aus. Und natürlich haben Kirchen weniger Kredit- und mehr Anlagebedarf. Das kann unser Geschäft mit Immobilienkrediten für Privatkunden aber bei Weitem nicht ausgleichen. Wir helfen den Kirchen vielmehr dabei, ihr Vermögen breit zu streuen.

Raten Sie den Kirchen zum Beispiel auch zum Kauf von Aktien?
Kirchliche Einrichtungen haben in der Regel klare Anlagerichtlinien, die ihnen nur einen gewissen Aktienanteil erlauben. Allerdings raten wir in der Tat dazu, den auch auszunutzen. Wie für Privatanleger gilt allerdings: lieber Investmentfonds statt Einzelaktien kaufen, um das Risiko zu streuen. Deshalb haben wir auch eigene Fonds aufgelegt, die die christlichen Werte der Kirche berücksichtigen.

Sie dürfen zum Beispiel in kein Unternehmen investieren, das Abtreibung oder Verhütung fördert. Heißt das tatsächlich, dass Ihre Fonds keine Bayer-Aktien kaufen, weil Bayer Anti-Baby-Pillen herstellt?
Ja, das ist die Konsequenz. Wir investieren bewusst nicht in jedes Aktienunternehmen. Ausgeschlossen sind zum Beispiel auch Energiekonzerne, die Atomkraftwerke betreiben. In manchen Bereichen haben wir allerdings Toleranzgrenzen – etwa beim Thema Tabak. Wir würden keine Aktien eines Tabakkonzerns kaufen, aber wenn ein Mischkonzern bis zu fünf Prozent seines Umsatzes aus dem Bereich Tabakhandel oder Produktion generiert, tolerieren wir dies.

Sind Toleranzgrenzen nicht inkonsequent?
Nein, Toleranzgrenzen dienen dazu, den Hauptzweck des Unternehmens zu bewerten und nicht jeden geringfügigen Randbereich. Diese Randbereiche bestrafen wir mit Minuspunkten, die ein Unternehmen durch vorbildliches Verhalten in anderen Bereichen kompensieren kann. Ferner sprechen wir mit diesen Konzernen im Zuge des „Engagements“, also des aktiven Aktionärstums, und begleiten die Unternehmen dabei, besser zu werden.

Vor ein paar Jahren waren Sie mit Vorwürfen konfrontiert, dass Sie auch an einem Rüstungskonzern beteiligt waren. Was haben Sie seitdem geändert?
Anders als früher arbeiten wir heute noch intensiver mit Ratingagenturen zusammen, die die globalen Unternehmensverflechtungen noch engmaschiger analysieren und entscheiden, welche Firmen unsere Anlagekriterien erfüllen. Und auch diese entwickeln wir stetig weiter. Dafür haben wir einen Ethikbeirat, in dem Theologen, Sozialethiker und andere Wissenschaftler sitzen, die regelmäßig diskutieren: Wo sollen wir investieren, wo nicht? Welche Branchen wollen wir komplett ausschließen, welche teilweise?

VW-Aktien haben Sie nach Bekanntwerden des Abgasskandals aus Ihren Fonds rausgeworfen. Warum ist der Kauf von VW-Aktien nicht mehr ethisch vertretbar?
Wir haben schnell auf den Abgasskandal reagiert, weil es sich dabei um Betrug handelt. Und Betrug ist für uns nicht akzeptabel. Wir werden allerdings sehr genau beobachten, wie sich VW weiter verhält. Ändert der Konzern seine Praxis nachhaltig, kann ich mir vorstellen, dass wir irgendwann auch wieder einsteigen.

Die Frage ist doch, warum Sie überhaupt auf Aktien von Automobil-Konzernen setzen. Schließlich ist Ihnen auch ökologische Nachhaltigkeit wichtig.
Wir zählen nicht zu den Dogmatikern, die Automobilkonzerne kategorisch ausschließen wollen. Aber wenn ein Autobauer stärker auf Elektromobilität setzt, sammelt er damit bei uns natürlich Pluspunkte. Wir versuchen, das Thema Nachhaltigkeit praktikabel und realitätsnah anzugehen.

Großbanken stehen derzeit in der Kritik, weil sie Aktienanlegern geholfen haben, der Besteuerung zu entgehen. Halten Sie solche Geschäfte für legitim?
Nein, für uns sind solche Geschäfte nicht legitim. Wir haben als Bank schließlich auch eine gesellschaftliche Verantwortung und wollen einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Dazu passen solche Praktiken nicht.

Teil des gesellschaftlichen Auftrags sind sicherlich auch Ihre Mikrofinanzfonds, über die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern Kleinstkredite bekommen. An diesem Modell gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik. Zu Recht?
Wir halten Mikrofinanzfonds immer noch für einen sehr sinnvollen Ansatz. Wenn Sie einem armen Menschen Geld schenken, ist das zwar lobenswert. Aber wenn Sie ihm einen Kredit geben, mit dem er sich eine Existenz aufbauen kann, wird er sich viel stärker mit seiner Arbeit hierfür einsetzen und dadurch wertgeschätzt fühlen.

Können Sie die Kritik an den Fonds denn verstehen?
Das Problem ist, dass Mikrofinanzfonds seit der Finanzkrise und der Absenkung der Zinsen zu einer Modeerscheinung geworden sind. Auch viele der nicht nachhaltig denkenden Banken sind in diesen Bereich eingestiegen. Leider haben sie den Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern ihr Geld oft aufgedrängt – ob sie es zurückzahlen können oder nicht. Bei uns ist das anders. Wir arbeiten eng mit Mikrofinanzinstituten vor Ort zusammen, die nur dann Kredite gewähren, wenn sich die Kreditnehmer damit weiterentwickeln können.

Die Mikrofinanzbanken, in die der Fonds investiert, müssen sich den „Client Protection Principles“ unterwerfen, die den fairen Umgang mit Mikrofinanznehmern definieren. Die Einhaltung wird regelmäßig durch die Fondsmanager bei ihren vor-Ort-Besuchen stichprobenartig überprüft. Sind Mikrofinanzfonds für Anleger nicht sehr riskant?
Weil mit den Geldern viele Kredite an viele Menschen vergeben werden, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit gering. Selbst Krisen in einzelnen Regionen schlagen sich nicht nennenswert in der Wertentwicklung des Fonds nieder. Dafür wird das Geld weltweit zu stark gestreut.

Sie haben gerade eine Crowdfunding-Plattform gegründet. Für eine Kirchen-Bank ist das ungewöhnlich. Was steckt dahinter?
Wir haben viele Kunden, die auf Spenden angewiesen sind. Crowdfunding hilft dabei, Organisationen mit Spendern zusammenzubringen. Weil wir der Digitalisierung sehr offen gegenüber stehen, haben wir gesagt: Wir gehen mit gutem Beispiel voran und probieren das aus. Bislang haben wir damit nur positive Erfahrungen gemacht. Seit dem Start vor einem Jahr haben wir bereits elf Projekte abgeschlossen. Insgesamt kamen so 17000 Euro für den guten Zweck zusammen. Im Einzelnen geht es dabei aber nicht um große Summen. Da ist zum Beispiel die Kita, die Geld für eine Spielecke brauchte. Oder ein Projekt, das Geld für die Ausbildung von Hebammen in Uganda eingesammelt hat.

Beim Crowdfunding bekommen Kunden anders als beim Crowdinvesting ihr Geld nicht zurück – sondern lediglich ein kleines Dankeschön. Ist Crowdfunding die neue Form des Klingelbeutels?
Das Crowdfunding wird den Klingelbeutel in der Kirche nicht ersetzen. Aber es ist eine neue, ergänzende Form, um Spenden zweckbezogen einzusammeln. Wichtig ist, dass wir das Crowdfunding ganz klar vom Crowdinvesting unterscheiden, das Risikokapital in Form einer Beteiligung anbietet. Dem Crowdinvesting stehen wir nämlich kritisch gegenüber. Nach der Finanzkrise hat die Politik versprochen, den grauen Kapitalmarkt besser zu regulieren. Gleichzeitig ist aber mit dem Crowdinvesting eine neue, weitestgehend unregulierte Form der Kreditvergabe im Netz entstanden. Wie riskant das für Geldgeber ist, sieht man, wenn die ersten großen Ausfälle auftreten. Dann bekommen die Menschen nichts von ihrem Geld zurück. Vielen wird erst dann klar werden, welches Risiko sie da eingegangen sind.

Der Gesetzgeber hat bereits Regeln fürs Crowdinvesting aufgestellt. Gehen Ihnen die nicht weit genug?
Nein. Bedenken Sie, wer sich über diese Finanzierungsformen Geld besorgt. Das sind häufig nicht diejenigen, die auch bei einer Geschäftsbank einen Kredit bekommen würden. Schließlich bieten Banken meist günstigere Konditionen. Durch das Crowdinvesting entsteht ein neuer Markt für Kredite, der nicht ausreichend überwacht wird. Richtig wäre, wenn sich Crowdinvesting-Anbieter an ähnlich strenge Regeln halten müssten wie die Banken. Das passiert aber bei weitem noch nicht. Daher dürften wir in diesem Bereich noch einige negative Überraschungen erleben.

DER BANKER
Klaus Schraudner (51) ist seit zwei Jahren Chef der Pax-Bank. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Später war er erst Prokurist, dann Vertriebsvorstand bei der Zevener Volksbank. Schraudner ist verheiratet und hat zwei Kinder.

DIE BANK
Gegründet wurde die Pax-Bank 1917 von Priestern, die den Geschäftsbanken misstrauten. Heute ist das Institut mit Hauptsitz in Köln eine katholische Universalbank. Getragen wird es von den Kirchen, denen die Bank zuletzt eine Dividende von sieben Prozent zahlte. Lange konnte bei ihr nur Kunde werden, wer bei einer kirchlichen Organisation arbeitete.

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