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Interview mit Peter Heesen: „Wir werden eine positive Überraschung erleben“

Peter Heesen, Präsident des Beamtenbundes, im Tagesspiegel-Interview über die Lösung des Konflikts bei der Bahn und 4,7 Prozent mehr Geld für Beamte.

Herr Heesen, zu Ihrem Dachverband zählen 40 Gewerkschaften, darunter die Gewerkschaft der Lokomotivführer GDL. Werden uns die übrigen 40 demnächst mit Arbeitskämpfen behelligen?

Nein. Bei den Lokomotivführern gibt es eine besondere Bezahlungsstruktur. Die ist schlecht, da muss sicherlich etwas draufgelegt werden, weil die Lokführer heute in den schnellen Zügen viel Verantwortung haben. Und für den eigenständigen Tarifvertrag, den sie anstreben, habe ich subjektiv Verständnis.

Warum?

Die GDL hatte das Gefühl, von den anderen Eisenbahngewerkschaften dominiert zu werden. Deshalb ist ein eigenständiger Tarifvertrag das Wichtigste für die Lokomotivführer, danach erst kommt die Bezahlung. In dieser schwierigen Lage habe ich versucht, an einer realistischen Lösung ein bisschen mitzuwirken.

Und wie sieht die Lösung aus?

Die Lokführer könnten in eine eigene Beschäftigungsgesellschaft ausgegliedert werden. Das hätte den Charme, dass Herr Schell und Herr Mehdorn nicht mehr miteinander verhandeln müssen. Und es hätte die das Gesicht wahrende Lösung, dass die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag mit der neuen „Beschäftigungsgesellschaft Lokführer“ abschließen könnte. Das Ganze kann aber nur dann funktionieren, wenn dieser Lokomotivführer-Teil eines Tarifvertrages sich nahtlos einfügt in das Gesamtunternehmen. Am Ende gäbe es also einen gemeinsamen Tarifvertrag für die Bahn, bei dem eben nur ein Teil des Tarifvertrags von der GDL ausgehandelt wird.

Und so wird es kommen?

Ich glaube, dass wir eine positive Überraschung erleben werden. Wenn wir jetzt die Kuh vom Eis kriegen, dann hält das die nächsten Jahre. Deshalb habe ich mich dafür auch in vielen Gesprächen in den vergangenen Monaten eingesetzt.

Und GDL-Chef Schell macht mit?

Ich kenne Herrn Schell seit vielen Jahren. Er ist ein Urgestein. Ich schätze ihn auch deshalb, weil er immer ganz brutal ehrlich ist. Da kriegt man auch mal einen vor die Schwarte, aber man weiß immer, was er denkt und was er will.

Das wird Mehdorn auch nachgesagt.

Ja, deshalb tun sich die beiden auch so schwer. Jetzt bin ich optimistisch, dass es vorwärtsgeht und wir in jedem Fall vor Weihnachten eine Lösung haben.

Und macht das Beispiel GDL nun Schule oder nicht? Bekommen wir mehr Arbeitskämpfe, weil alle möglichen Berufsgruppen eigene Tarife wollen?

Ich glaube nicht. Wenn es wirklich hart auf hart kommt und eine kleine Gruppe in den Arbeitskampf zieht, dann muss sie auch den Arbeitskampf finanzieren. Das sehe ich aber eher nicht. Nehmen wir das Beispiel Marburger Bund: Die Ärzte haben im vergangenen Jahr nicht gestreikt, sondern gewissermaßen Überstunden abgebummelt. Das wurde dann als Arbeitskampf deklariert. Viele streikende Ärzte kann der Marburger Bund wohl kaum finanzieren, denn mit 40 oder 45 Euro pro Streiktag, wie die Lokführer, kommen die Ärzte nicht hin.

Also sind Befürchtungen über eine Zersplitterung der Tariflandschaft unbegründet?

In der Praxis wird das keine Konjunktur bekommen. Auch weil sich der Flächentarif und das Prinzip „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ bewährt haben. Das brauchen wir, damit eine Beschäftigtengruppe nicht gegen eine andere agiert. Dabei müssen wir aber permanent überprüfen, ob bestimmte Arbeitnehmer noch richtig eingruppiert werden, wenn Anforderungen und Verantwortung steigen.

Anders als die DGB-Gewerkschaften hat der Beamtenbund in den vergangenen Jahren Mitglieder gewonnen. Warum läuft es bei Ihnen besser?

Wir bestehen eben noch immer aus vielen kleinen Organisationen. Das erleichtert den Beschäftigten die Identifikation mit einer Fachorganisation, zu der sie eben oft ein enges Verhältnis haben. Der Einzelne fühlt sich bei uns, also in einer kleineren Gewerkschaft, vermutlich besser aufgehoben. Und dann fällt auch der Austritt schwerer als zum Beispiel in einer Großorganisation wie Verdi.

Sie arbeiten mit Verdi zusammen und profitieren von der Größe, wenn Sie sich bei Tarifverhandlungen anhängen. Was erwartet uns in der anstehenden Tarifrunde?

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst brauchen deutlich mehr Geld. Der Europäischen Zentralbank zufolge sind die Personalkosten in Deutschland zwischen 1999 und 2006 um 0,6 Prozent gestiegen. Der Durchschnitt der Euroländer liegt bei 27,6 Prozent. Der geringe Zuwachs bei uns hat auch etwas zu tun mit dem Personalabbau, den wir sehr stark im öffentlichen Dienst hatten. Und die Einkommen sind zum Teil gesunken.

Etwa bei Beamten?

Ja. Bei den Bundesbeamten zum Beispiel haben wir seit 2001 Einkommensverluste von 9,6 Prozent, wenn ich die längere Arbeitszeit mit berücksichtige.

Und diese Verluste sollen in der Tarifrunde 2008 ausgeglichen werden?

So ungefähr. Die Bundestagsabgeordneten haben sich ihre Diäten um 4,7 Prozent pro Jahr erhöht, und zwar gleich für zwei Jahre, macht also 9,4 Prozent. Das wollen wir auch. Die Politik ist die eine Seite der Münze Staat, die andere Seite sind die übrigen Bediensteten. Und diese Münze muss auf beiden Seiten den gleichen Wert haben. Wir werden sehen, ob die Politiker das auch so sehen oder nur ihre eigenen Interessen verfolgen.

Was hören Sie denn von den Arbeitgebern aus Bund und Kommunen?

Nichts Gutes. Die Kommunen wollen wieder die Arbeitszeit verlängern. Wenn das zusätzlich vergütet wird, kann ich mir das sogar vorstellen. Auch deshalb, weil wir bestimmte Leistungen im öffentlichen Dienst gar nicht mehr erbringen können, weil das Personal fehlt.

Deshalb soll das vorhandene Personal länger arbeiten?

Wir haben einfach zu wenige Leute. Auf 1000 fleischverarbeitende Betriebe ein Kontrolleur – das kann nicht gutgehen. Und die Kommunen haben Probleme, technisches Personal zu bekommen. Stuttgart zum Beispiel kann 137 Technikerstellen seit längerem nicht besetzen. Wir kommen zunehmend in eine Situation, dass wir bei Qualität und Leistung abbauen, weil es zu wenig Personal gibt. Und weil wir nicht den adäquaten Nachwuchs haben. Das hängt auch mit der Bezahlung zusammen.

Und mit dem noch immer schlechten Image: Der öffentliche Dienst kostet viel und bringt wenig.

Wir lassen vom Ifo-Wirtschaftsinstitut ermitteln, welche Wertschöpfung der öffentliche Dienst erbringt. Mitte nächsten Jahres haben wir die Daten, um an das Grundübel zu gehen: die absurde Einschätzung, dass der öffentliche Dienst nichts leistet. Im Übrigen sehen immer mehr Menschen, dass das Heil nicht in der Privatisierung liegt. Weil durch Privatisierung die Leistung nicht zwingend besser und auch nicht günstiger wird.

Woher sollen denn nun die 4,7 Prozent Einkommenssteigerung 2008 kommen?

Diese Frage muss die Politik beantworten. Mit der Begründung des Nachholbedarfs werden wir ein respektables Ergebnis bekommen, das auch die Politik akzeptiert. Das geht gar nicht anders.

Gibt es künftig mehr leistungsorientierte Bezahlung, obwohl Ihre eigenen Leute dagegen sind?

Ich bin für die Förderung von Leistung, weil das ein Thema ist, mit dem wir als Gewerkschaft aus der Defensive kommen. Der Arbeitgeber scheut den Aufwand, und die Arbeitnehmer haben Angst, dass vielen etwas weggenommen wird, um damit die Leistungsprämie für wenige zu finanzieren. Das geht natürlich nicht. Leistungsbezahlung muss on top sein. Dass ausgerechnet die CDU, die immer Leistung auf ihre Fahnen schreibt, sich dagegen wehrt, ist eine Perversität.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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