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Gerd-Axel Ahrens

© TU Dresden

Interview: "Pkw-Maut lässt Verkehr besser fließen"

Gerd-Axel Ahrens ist Professor für Verkehrsplanung in Dresden. und berät Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Der Mobilitätsforscher Ahrens fürchtet die Autoflut

Herr Ahrens, seit Jahren nimmt der Verkehr zu, die Staus werden länger. Wie lange geht das noch gut?

Wir müssen aufpassen, dass wir keine amerikanischen Verhältnisse bekommen, mit 800 Autos pro 1000 Einwohner. Ohne gegenzusteuern, könnte der Trend auch bei uns wieder in diese Richtung gehen. Es gibt keine Patentlösung, aber so wie bisher können wir nicht weitermachen.

Politiker setzen auf den Ausbau von Straßen und Schienen und auf Leitsysteme, die den Verkehr besser fließen lassen.

Bei vier Autobahnspuren pro Richtung ist Schluss, mehr geht in unserem dicht besiedelten Land nicht, auch neue Schnellstraßen in den Städten sind unmöglich. Telematiksysteme können helfen, aber genauso wie neue Straßen kontraproduktiv sein. Sie beseitigen zunächst Staus, helfen also dem Verkehr. Jeder Ökonom weiß aber, dass ein besseres Angebot zu mehr Nachfrage führt, also zu neuem Verkehr. Gegensteuern ist das Gebot der Stunde.

Und wie?

Man muss Verkehr zu allererst vermeiden, ohne Erreichbarkeiten und Mobilität zu verschlechtern. Da gibt es viele Wege – man kann Autos voll besetzen, statt sie fast leer herumfahren zu lassen. Die Milch für den Joghurt von der Küste muss nicht aus Bayern kommen. Man muss auch nicht in Husum gefangene Krabben in Marokko pulen lassen und sie nachher wieder in Husum verkaufen. Diese Einsichten sind banal, politisch aber sehr unbequem.

Verkehr muss also teurer werden?

Eine höhere Lkw- und eine Pkw-Maut würden zweckgebundenes Geld für die Straße mobilisieren. Jeder zahlte für die Strecke, die er fährt, auch Ausländer. Die Preise wären hoch in der Rushhour und niedrig in der Nacht – so würden die Straßen besser und mit weniger Staus genutzt.

Was ist mit der Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene?

Das ist derzeit ein frommer Wunsch angesichts hoher Preise, längerer Transportzeiten und eines Betriebes bereits hart an der Kapazitätsgrenze. Das größte Potenzial liegt in der Verkehrsvermeidung. Ohnehin entstehen Staus in erster Linie durch Privatautos, 60 Prozent der Verkehrsleistung hat mit der Freizeit zu tun.

Muss der Staat die Bürger umerziehen?

Er muss ihnen die wahren Kosten des Verkehrs aufzeigen und diese in Rechnung stellen. Wer aus der Stadt ins Grüne zieht, wie seit 1990 in Berlin verstärkt geschehen, schadet allen, weil die Pendelei Lärm und Abgase produziert. Viel gewonnen wäre schon, wenn die Industrie den CO2-Ausstoß für den Transport ihrer Produkte ausweisen müsste, das würde vielen Konsumenten die Augen öffnen.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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