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Wirtschaft: Italiens größter Konzern wird zum Weltunternehmen

Bei Fiat wechselt das Führungsmodell / Agnelli-Enkel in Position gebracht / Bestes Geschäftsjahr seit einem JahrzehntVON FRIEDHELM GRÖTEKE MAILAND.Das beste Geschäftsjahr seit einem Jahrzehnt hat die Fiat SpA in Turin 1997 hinter sich gebracht.

Bei Fiat wechselt das Führungsmodell / Agnelli-Enkel in Position gebracht / Bestes Geschäftsjahr seit einem JahrzehntVON FRIEDHELM GRÖTEKE MAILAND.Das beste Geschäftsjahr seit einem Jahrzehnt hat die Fiat SpA in Turin 1997 hinter sich gebracht.Für den Präsidenten Cesare Romiti war es zugleich auch das letzte, das er voll geleitet hat.Den Anflug von Rührung hatten die 400 leitenden Fiat-Angestellten von ihrem "harten Boß" kaum erwartet, als er ihnen Ende vergangener Woche für ihren Einsatz dankte und seinen Abgang nach fast einem Vierteljahrhundert Managerdasein bei Fiat offiziell ankündigte.Romiti bestätigte gleichzeitig auch im Verwaltungsrat des Konzerns das, was die Presse schon vor einer Woche in Umlauf brachte: Er wird am 24.Juni, anläßlich der Hauptversammlung und mit Vollendung des 75.Lebensjahres, sein Amt niederlegen.Und nicht wie eigentlich vermutet noch bis zum 100.Jubiläum von Fiat im nächsten Jahr weitermachen. Im Verwaltungsrat saß schon der neue Präsident Paolo Fresco.Der jetzt 64-jährige Fresco wird dieses Jahr noch für drei Mill.Dollar Gehalt sein Amt als stellvertretender Präsident des US-Konzerns General Electric zu Ende führen.Romiti bot ihm offiziell die Nachfolge an.Fresco akzeptierte das Angebot.Romiti, Fresco und auch der Alterspräsident Giovanni Agnelli schauten bei dieser vorweggenommenen Zeremonie des Steuerwechsels auch auf einen 22jährigen jungen Mann, der erstmals in dem mächtigen Gremium Platz genommen hatte: John Elkann-Agnelli, Enkel des Fiatherrschers Giovanni.John, amerikanisch erzogen, aber ein echter italienischer Agnelli, soll in einem Jahrzehnt zur Übernahme der Führung reif sein.Er kommt deshalb schon jetzt ins Spiel um die Macht, weil sein Cousin Giovanni Alberto Agnelli vor wenigen Wochen mit 33 Jahren an einem seltenen Tumor verstorben ist.Giovanni Alberto, junger und tatkräftiger Präsident bei der Vespa-Herstellerin Piaggio, war bereits zur Nachfolge im Fiatkonzert ausgewählt gewesen. Die Ereignisse der letzten Wochen bedeuten also eine Verschiebung der Nachfolge-Prozeduren um ein Jahrzehnt.Und da es ein entscheidendes Jahrzehnt sein wird, hat die Hierarchie des Konzerns gleichzeitig einen neuen Kurs beschlossen.Bei Fiat hat vieles symbolischen Wert.Dafür sorgt schon der "Avvocato" Giovanni Agnelli.Er ist seit 1996 Alterspräsident im Fiatkonzern und hält, gestützt auf den Besitz der Unternehmerdynastie Agnelli in Höhe von einem Drittel des Fiatkapitals nach wie vor das Steuer fest in Händen.Der "Avvocato" ist in einer Person Konzernstratege, Familiensprecher, Chefdiplomat und auch Zeremonienmeister mit einem treffsicheren Gespür für Erfolg, Stil und Wirkung. Mit Romiti hat er in einer Art Tandem den Konzern jahrzehntelang regiert.Seine Erfahrung sagt ihm, daß Fiat jetzt, im Zeitalter der Globalisierung, das Führungsmodell wechseln muß.Die Gruppe arbeitet zwar schon seit langem international.Sie stellt als größtes italienisches Unternehmen fünf Prozent des Nationalprodukts dar und ist mit einem Nettoexport von mehr als 15 Mrd.DM des Landes erster Devisenbringer.Wahr ist auch, daß Fiat in den Bereichen Nutzfahrzeuge, Traktoren und Landmaschinen heute bereits global arbeitet, das heißt im Ausland nicht nur einen maßgeblichen Teil der Produkte absetzt, sondern sie dort auch entwickelt und produziert. Aber für das Auto, das die Hälfte des Konzernumsatzes macht und besonders nachfrageempfindlich ist, muß Fiat die Weltstellung insgesamt erst noch schaffen.Denn auch wenn der Konzern in den letzten Jahren schon sehr starke Positionen in Südamerika (Brasilien und Argentinien), Polen (für Osteuropa) und der Türkei aufgebaut hat, bleibt Fiat vorderhand noch europalastig.Fresco tritt mit einem guten Fundus an: Fiat hat 1997 den Umsatz um ein Siebtel auf umgerechnet 90 Mrd.DM gesteigert, die Umsatzrentabilität verdoppelt, den Gewinn vor Steuern um ein Zehntel auf 4,2 Mrd.DM erhöht.Dazu gelang es dem Management, die Schulden völlig abzutragen und eine Nettoliquidität von umgerechnet 2,5 Mrd.DM aufzubauen.Weltweit setzte der Konzern 2,7 Mill.Wagen ab, mehr als je zuvor. Aber das laufende Jahr wird aller Voraussicht nach im Autogeschäft erheblich schwerer werden.Denn nur bis einschließlich Januar 1998 profitierte Fiat voll davon, daß der italienische Staat allen Autokäufern eine hohe Schrottprämie gewährte, wenn sie ein mehr als zehn Jahre altes Auto zur Entsorgung ablieferten.Dank dieser Maßnahme hat die Branche letztes Jahr in Italien goldene Geschäfte gemacht und 2,4 Mill.Autos verkauft, eine Million mehr als normal.Fiat, Italiens einziger nationaler Hersteller, verkaufte mit seinen Marken Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Innocenti, Maserati und Ferrari gut eine halbe Million mehr Wagen als bisher.Zwar bleibt die Vergünstigung in etwas abgeschwächter Form noch bestehen, aber der Torschlußboom der Neubestellungen zeigt auch, daß die Kundschaft eben doch darauf aus ist, die höchste Prämie zu nutzen. Probleme gibt es in Brasilien als einem Land, das ähnlich wie eine Reihe von asiatischen Volkswirtschaften Inflation und unkontrollierte Kreditausweitung radikal zügeln muß.Im Dezember gingen in Brasilien, der wichtigsten Überseeproduktion der Italiener, wo Fiat zugleich auch Marktführer ist, die Bestellungen bereits drastisch zurück.Da Fiat dort sein Worldcar herstellt, mag das Produktionsrisiko zu begrenzen sein.Der neue Präsident muß jedenfalls dafür sorgen, daß die Produktions- und Absatzrisiken des Konzerns weltweit besser verteilt werden.Das Beispiel Polen, für Fiat inzwischen ein wichtiger Lieferant von Kleinwagen nicht nur für andere Ostmärkte, sondern auch für den Westen, zeigt den richtigen Weg. Ob Fiat auf die Dauer darum herumkommt, mit seinen Standardproduktionen an Autos überhaupt nicht auf dem US-Markt vertreten zu sein? Die Tatsache, daß Cesare Romiti vor seinen Managern jetzt im Rückblick das Scheitern aller je zwischen Fiat und Ford sowie Fiat und Chrysler gemachten Versuche für ein Zusammengehen bedauert hat, läßt eher daran denken, daß die Turiner auf die Dauer nicht darum herumkommen.Fresco, der zwei Jahrzehnte Berufsleben zwischen Nordamerika und England verbracht hat, könnte der Mann sein, der in nicht allzu ferner Zukunft entscheidende Fäden für die Einordnung des Konzerns in ein größeres System ziehen wird.Der Partner muß nicht unbedingt in Amerika sitzen.Er könnte auch aus Europa kommen.Daß auch dabei die Agnellis ihre Mitspracherechte zu wahren wüßten, versteht sich von allein.

FRIEDHELM GRÖTEKE

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