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Wirtschaft: Jahrelang haben Privathaushalte in den USA die Börse gestützt, jetzt wird das anders

Über viele Jahre waren die Privathaushalte die wichtigste Stütze der US-Börsen. Doch jetzt halten sie sich an den Kapitalmärkten zurück.

Über viele Jahre waren die Privathaushalte die wichtigste Stütze der US-Börsen. Doch jetzt halten sie sich an den Kapitalmärkten zurück. Im Heimatland der modernen Aktienkultur geben sie ihr Geld lieber für ein neues Auto oder eine Immobilie aus. Dagegen treten ausländische Investoren und börsennotierte Unternehmen verstärkt als Käufer auf. Dies ergeben Statistiken der US-Zentralbank. Im Umfeld steigender Zinsen sind Aktien keine stabile Größe mehr, fürchten Ökonomen.

"Wer wird künftig für steigende Aktienkurse sorgen?", fragt der Chef-Volkswirt der Bankengruppe Northern Trust Corporation in Chicago, Paul Kasriel, in einer aktuellen Marktanalyse. Kasriel-Analyse hat deutlich gemacht, dass die amerikanischen Haushalte schon seit vier Jahren mehr Aktien verkaufen als kaufen. Solange die Zinsen allerdings vergleichsweise niedrig waren, sind die Unternehmen als Käufer verstärkt in die Bresche gesprungen. Sie nahmen eigene Aktien vom Markt, um damit die Kurse hochzutreiben. Wie auch aus den Zahlenreihen der US-Zentralbank hervorgeht, haben die US-Konzerne in den vergangenen zwölf Monaten unter dem Strich ein Vermögen von insgesamt 315 Milliarden Dollar vom Markt genommen. Während private und institutionelle Anleger Papiere im Gesamtwert von 354 Milliarden Dollar verkauft haben.

Aktuelle Statistiken machen derweil auch deutlich, wo die Amerikaner zurzeit ihr Geld ausgeben - und zwar mehr als sie verdienen. Denn die Sparquote in den USA ist rückläufig und liegt mit 1,5 Prozent im Minus. Die durch den lang anhaltenden Börsenboom gestiegenen Vermögen machen viele sorglos. Derweil verliert die Aktie für Anleger an Glanz: Im ersten Halbjahr 1999 haben die US-Bürger erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Geld in physische Werte wie Häuser, Boote oder Autos investiert. Marktanalyst Douglas Gliggot von der Investmentbank J.P. Morgen fragt sich bereits, ob bei Wertpapieranlagen der Sättigungspunkt erreicht ist.

Schließlich hat sich das Kapitalvermögen der privaten Haushalte in den Staaten innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdoppelt und beträgt heute 30 Billionen Dollar. "Der Nachholbedarf für langfristige Anschaffungen also ist verständlich", schlussfolgert Cliggott.

Die Unternehmen dagegen stützen unverändert den Markt. "Sie borgen sich Bares, um ihre eigenen Aktien zurückzukaufen", sagt Paul Kasriel von Northern Trust. In der Folge habe sich das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital der US-Firmen in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Knapp 52 Prozent der Vermögenswerte in US-Firmen sind fremdfinanziert. 1998 habe der Kapitalaufwand der Unternehmen bereits die einbehaltenen Gewinne überstiegen, warnt Kasriel. So wird die Nachfrage an den Aktienmärkten teilweise mit geborgtem Geld geschaffen und das Angebot bleibt aufgrund der Aktienrückkäufe künstlich knapp. Doch bei steigenden Zinsen und höheren Löhnen müssen die Unternehmen ihre Strategie ändern. Der Rückkauf von Aktien zur Kurspflege wäre auf die Dauer schlicht zu teuer.

"Das Problem der Börse liegt bei der Nachfrage", sagt Kasriel. Auch die ausländischen Investoren sind keine sichere Größe. Wenn sich die Märkte in Europa und Asien erholen und der Dollar schwächer wird, besteht die Gefahr, dass sie sich ebenfalls zurückziehen. "Die meisten Anleger hier sind zur Zeit sehr vorsichtig", urteilt auch Marktstratege Alan Ackerman vom New Yorker Brokerhaus Fahnestock & Co., "sie halten sich zurück und warten die Entwicklung erst einmal ab".

Der unabhängige Wirtschaftsforscher Gary Shilling glaubt, dass die Haushalte trotz ihrem nachlassenden Interesse immer noch eine große Marktstütze seien. Die institutionellen Anleger seien zunehmend pessimistisch geworden und schichteten von Aktien auf andere Anlagen um, während die Privathaushalte ihre Positionen beibehielten. Auch John Manley, von der volkswirtschaftlichen Abteilung der Investmentbank Salomon Smith Barney glaubt, es bestehe noch kein Grund zur ernsthaften Sorge. "Innerhalb der nächsten sechs Monate wird es immer noch genug Käufer geben", sagt er. Manley vermutet, dass die Zinsen bald ihre Obergrenze erreicht haben. Die Zeichen für eine drohende Inflation seien insgesamt immer noch zu schwach. Sollten die Börsen aber weiter einbrechen, dann sei das nicht unbedingt schlecht. Ein Crash könne zu einer Selbstkorrektur führen, die das Volk endlich wieder zum Sparen bewege.

hus

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