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Wirtschaft: Jede zweite Versandapotheke ist mangelhaft

Urteil der Stiftung Warentest: Guter Rat ist Mangelware/ Pharmaversender versprechen Besserung

Die Beratung ist schlecht, der Bestell- und Lieferservice lässt zu wünschen übrig und die Website ist irreführend. Dieses Urteil fällte die Stiftung Warentest über die Hälfte von 20 getesteten deutschen Versandapotheken. „Ein wirklich negatives Ergebnis“, kommentierte Peter Sieber, Bereichsleiter Untersuchungen der Stiftung. Zehn der 20 getesteten Versandapotheken erhielten das Qualitätsurteil „mangelhaft“, darunter auch der Marktführer Docmorris.

Getestet wurden Bestell- und Lieferservice, Beratungsqualität sowie Nutzerfreundlichkeit des Internetauftritts. Und die Liste der Defizite war lang. Beim Versand fehlte fast immer der Hinweis „Nicht an Kinder ausliefern“, und die Post wurde oft beim Nachbarn abgeliefert oder blieb vor der Tür liegen. Manche Patienten mussten Tage oder Wochen auf ihre Medizin warten, Bestellungen wurden teilweise schlicht vergessen und die Berg-Apotheke in Tecklenburg rechnete ein Rezept sogar dreifach ab. „Das ist ein Skandal“, sagte Thomas Isenberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Dennoch warnte er davor, den Pharmaversand grundsätzlich zu verdammen: „Dieser Vertrieb lohnt sich vor allem für chronisch Kranke.“ Die könnten Vorräte horten und seien nicht auf prompte Lieferung angewiesen.

Doch weitere Mängel machen es auch dieser Zielgruppe schwer. Zwar wurde vor einem Jahr die Preisbindung für nicht verschreibungspflichtige Medikamente aufgehoben. Dennoch gewähren viele Anbieter keinen Preisnachlass, vereinzelt mussten die Patienten beim Bestellen sogar tiefer in die Tasche greifen als beim konventionellen Medikamentenkauf.

Am schwersten wiegen die Mängel in der Beratung. „Kein einziger Anbieter lieferte den Testern am Telefon lückenlose Informationen zu Neben- und Wechselwirkungen“, sagte Hubertus Primus von der Stiftung. Bei Pharmakontor ist nicht einmal eine lückenhafte Beratung vorgesehen: Über die Hotline, die den Anrufer 62 Cent pro Minute kostet, wird dieser direkt ins Lager weitergeleitet. Und dort liegen höchstens Informationen zur Verfügbarkeit von Pillen vor. Doch der Anbieter verspricht Besserung: „Wir haben seit der Testerhebung im November viel verbessert, die Datenübertragung ist sicherer und wir haben den Paketservice gewechselt“, verteidigt ein Sprecher seine schlechte Note.

Auch die größte europäische Versandapotheke Docmorris, die die Note „mangelhaft“ erhalten hatte, will ihr Leistungsangebot verbessern. Es hätte keine Mängel in der Beratung geben dürfen, sagte der Vorstandsvorsitzende Ralf Daeinghaus dem Tagesspiegel. „Ich ärgere mich, dass wir nicht zur Hälfte der Guten gehören." Zwar hält der Docmorris-Chef seine Mitarbeiter für hoch qualifiziert. Das Leistungspotenzial sei aber nicht genutzt und schlecht koordiniert worden: „Es ist uns nicht gelungen, dass die Leute an der Telefon-Hotline richtig bedient werden. Da müssen wir ganz schnelle Nachholarbeit leisten." Das Testergebnis sieht Daeinghaus als „Ansporn, so schnell wie möglich zu den Besten aufzuschließen".

Ein Trostpflaster für das düstere Testergebnis: Die Rezeptpflicht wurde bei allen Anbietern eingehalten, ohne ein Rezept per Post wurde auch nicht geliefert. Und Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass auch die Präsenzapotheken im vergangenen Jahr beim Test nicht glänzten: „Die Beratung ist oft lückenhaft und profitorientiert“, sagte Isenberg.Das Bundesgesundheitsministerium bedauerte zwar die Sicherheitsmängel, wies aber darauf hin, dass das Testergebnis den Versandhandel nicht in Frage stelle.

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