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Wirtschaft: Jeder kontrolliert wie er will

EU-Staaten möchten entsandte Arbeitnehmer besser schützen. Vorgaben aus Brüssel wollen sie nicht.

Brüssel - Es geht um ein sensibles Thema. Der Einigungsdruck sei hoch gewesen, berichtete ein EU-Diplomat aus den Gesprächen der Arbeitsminister. Sie saßen zusammen, um über eine neue Entsenderichtlinie zu beraten. Sie regelt die Rechte von etwa 1,2 Millionen Arbeitnehmern, die von ihrer Firma ins europäische Ausland geschickt werden. Nach dem Willen der EU-Staaten sollen entsandte Arbeitnehmer vor Ausbeutung geschützt werden, die EU-Staaten wollen aber selbst über ihre Kontrollmethoden entscheiden. Darauf haben sich die Arbeitsminister am Montag verständigt. Nun müssen sich die Staaten noch mit dem Europaparlament einigen.

Viele Staaten haben großes Interesse daran, dass die EU den Kampf gegen Sozial- und Lohndumping verstärkt. Litauen, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, wollte dringend einen Erfolg, die Regierung in Paris ebenso. In Deutschland hat es das Entsendegesetz sogar in den Koalitionsvertrag geschafft. „Die Bekämpfung von möglichem Missbrauch darf nicht durch die Aufweichung von Kontrollbefugnissen erschwert werden“, ist dort zu lesen.

Im Prinzip regelt die Richtlinie schon seit 1997, dass für entsandte Mitarbeiter die Arbeitsrechte im jeweiligen Land vor Ort gelten. Eine einheitliche Bezahlung ist nicht vorgesehen, weshalb es generell attraktiv ist, Subunternehmer aus dem Ausland zu beschäftigen. In Deutschland wiederum regelt das nationale Umsetzungsgesetz, dass in Branchen mit einem Mindestlohn dieser auch gezahlt werden muss – etwa auf dem Bau. Aber die sozialen Schutzrechte werden oft unterlaufen, etwa durch illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit. Deshalb soll das Gesetz nun ergänzt werden, damit es besser durchgesetzt werden kann.

Der Plan der traditionell binnenmarktorientierten EU-Kommission sah einen fixen Katalog von Kontrollen vor, alles andere hätte die Brüsseler Behörde genehmigen müssen. Das Kalkül dahinter war, die Dienstleistungsfreiheit nicht zu sehr einzuschränken. Was von Großbritannien und vielen Staaten Osteuropas unterstützt worden war, stieß unter anderem in der Bundesregierung auf Ablehnung. Am Ende setzte sich ihre Forderung nach offenen Listen durch, damit etwa die Finanzkontrolle Schwarzarbeit flexibel bleibt. „Wenn es neue Betrugsmuster gibt, muss sie ihre Kontrollen anpassen können“, sagte ein EU-Diplomat. Zusatzkontrollen müssen jetzt nur nach Brüssel gemeldet werden.

Ähnlich verlief die Konfliktlinie in der Frage, ob auch Auftraggeber für Schwarzarbeit oder Ausbeutung geradestehen müssen – oder ob dies nur für Subunternehmer gilt. In Deutschland gilt das Prinzip der Haftung des Auftraggebers – die sogenannte „Generalunternehmerhaftung“ – in der Baubranche. Es soll verhindern, dass Auftraggeber mithilfe windiger Subunternehmer etwa Sicherheitsstandards unterlaufen oder Angestellte um ihre Löhne prellen. Deutschland wollte das EU-weit verankern; die Staaten Osteuropas lehnten dies ab. Nun darf jeder Staat selbst bestimmen: Wer eine Generalunternehmung einführen oder beibehalten will, kann dies tun. Wer nicht, sollte alternativ, so lautet die vage Formulierung, „effektive und angemessene Sanktionen“ verhängen“. Das können Bußgelder sein, die dann ebenfalls der EU-Kommission gemeldet werden müssen.

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