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Wirtschaft: Junger Mann zum Mitreisen gesucht

Das Schaustellergewerbe bietet viele Jobs. Wer sich als Quereinsteiger eine Existenz aufbauen will, hat es allerdings schwer.

Das Leben von Schaustellern ist wie ein „Roadmovie“: Kirmesmacher sind ständig auf Achse. Wer auf dem Rummel arbeiten will, braucht nicht unbedingt ein eigenes Fahrgeschäft: Auch Mechaniker, Zuckerwatteverkäufer oder „lebende Geister“ können auf der Kirmes Geld verdienen. „Wer das Geschäft erlernen will, sollte das direkt auf einem Rummel tun“, sagt Lucinde Boennecke, Sprecherin des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) in Berlin. Am besten sei es, einem Schausteller über die Schulter zu schauen. Eine geregelte Ausbildung gibt es nicht.

Eigentlich ist ein Job auf dem Rummel ideal für Aussteiger und für Menschen auf der Suche nach Freiheit. Jede Woche eine neue Stadt und jeden Tag neue Herausforderungen – das klingt nach einem lebenslangen Abenteuer. Doch hinter der glitzernden Fassade steckt viel Arbeit, weiß Schausteller Michael Schneider aus Lippstadt in Westfalen. Schon ein Regenguss kann sein Geschäft verderben. Dennoch sagt er: „Wenn ich das Leuchten in den Kinderaugen sehe, weiß ich, dass ich richtig bin.“

Als Neuling auf dem Rummel Fuß zu fassen, ist nicht leicht, denn viele Schausteller kennen sich seit Jahren. Michael Schneider ist in seinen Beruf hineingeboren. Er stammt aus einer alteingesessenen Kirmes-Dynastie. Wer „von privat“ kommt, wie es bei den Kirmesmachern heißt, kommt in diese Kreise nur schwer hinein. Hinzu kommt: Viele Plätze werden von den Kommunen, die eine Kirmes ausrichten, an die alteingesessenen Schaustellerfamilien vergeben. Neulinge haben es deshalb oft doppelt schwer.

Wer Schausteller werden will, müsse sich zunächst für ein Gewerbe entscheiden, sagt Verbandssprecherin Boennecke. Karussell? Imbiss? Losbude? Zuckerwatte? „Manchmal findet man auch gebrauchte Fahrgeschäfte“, sagt Boennecke. Neuanschaffungen sind teuer. Michael Schneider hat eine Million Euro in sein Geschäft „Pirates Adventure“ gesteckt.

Die Arbeitszeiten sind lang: An einem Rummeltag muss die Kasse 14 Stunden besetzt sein, erzählt Schneider. Wenn er selbst pausiert, verkauft seine Frau Janida die Chips für das Geschäft. Nur das Geld zu kassieren reicht dabei nicht aus. Die Kirmesbesucher müssen auch ermuntert werden, ins Geschäft zu kommen. „Rekommandieren“ nennt sich das im Fachjargon. „Landratten aufgepasst! In wenigen Minuten starten wir wieder zur Seeschlacht“, ruft Schneiders Frau zum Beispiel. Wer auf der Kirmes arbeiten möchte, sollte immer einen flotten Spruch auf Lager haben, so der Deutsche Schaustellerbund. Außerdem brauchen angehende Schausteller ein Gespür für angesagte Musik.

Um auf dem Rummel einen Aushilfsjob zu bekommen, wendet man sich am besten direkt an die Schausteller, so der Schaustellerverband. An manchen Kassen stehen noch immer die Schilder: „Junger Mann zum Mitreisen gesucht.“ Häufig werden auch nur starke Männer für den Auf- und Abbau der Fahrgeschäfte gebraucht. Auf viel Geld dürfen Hilfskräfte allerdings nicht hoffen.

Wer dafür nicht genug Muskeln hat, findet aber auch einen anderen Job auf dem Rummel. Eine Möglichkeit ist, als „lebender Geist“ in einem Gruselkabinett anzuheuern. Zum Beispiel bei Schausteller Emil Lehmann, der beim Schaustellerverband der Fachberater für „Schau und Belustigung“ ist. Er hat eine Geisterbahn und tourt von März bis November mit 14 Lastkraftwagen durch die Republik. In seiner Attraktion gibt es neben 30 elektronischen Figuren auch menschliche Gespenster. „Meistens nehmen wir unsere Angestellten. Manchmal suchen wir aber auch Ortskräfte“, sagt Lehmann. Dann spielen Komparsen an der Strecke den Bösewicht – mit Maske und Dracula-Umhang.

Der Druck, innerhalb kurzer Zeit Geld zu verdienen, ist immens. Heute werden auf deutschen Jahrmärkten jährlich etwa zwei Milliarden Euro umgesetzt, so der Schaustellerbund. Inzwischen bewerben sich mehr als 5000 Schaustellerbetriebe um die besten Rummelplätze im Land. Die Kirmessaison endet im November. Anschließend beginnen für etwa 70 Prozent aller Schausteller die Weihnachtsmärkte, sagt Lucinde Boennecke vom DSB. dpa

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