zum Hauptinhalt

Wirtschaft: JVC schließt Werk – 225 Jobs in Berlin bedroht

Elektronikkonzern will nur zehn Stellen erhalten

Berlin - Die Serie massiver Stellenstreichungen in Berlin setzt sich fort. Nach Samsung, Reemtsma, Stiebel Eltron und anderen Unternehmen plant nun auch der japanische Elektronikkonzern JVC Einschnitte in der Hauptstadt. Die Tochterfirma JVC Video Manufacturing Europe (JVE) wird die Fertigung von Videokameras und DVD-Rekordern einstellen. 225 der 235 Mitarbeiter in Reinickendorf sind davon betroffen. Nur zehn Mitarbeiter sollen für Qualitätskontrollen in Berlin weiterbeschäftigt werden. Die Schließung ist für Ende Januar 2006 angekündigt. Als Grund nannte Geschäftsführer Rudolf Kumpera „den rasanten Preisverfall und die steigenden Kosten“, die die Fortführung der Produktion in Berlin unmöglich machen würden.

Die Mitarbeiter sind entsetzt. „Das war für alle ein Schock“, sagte der JVE-Betriebsratsvorsitzende Harald van Zuijlen dem Tagesspiegel. „Wir wussten zwar, dass Personal abgebaut werden sollte, aber dass gleich das ganze Werk dicht gemacht wird, hat uns total überrascht.“ Angesichts der Arbeitsmarktlage bedeute die Werkschließung für viele ältere Mitarbeiter „das Ende des Berufslebens“, befürchtet van Zuijlen. Der Betriebsrat habe bereits vor einiger Zeit ein Papier zur „perspektivischen Entwicklung des Standorts“ übergeben, die JVE-Geschäftsführung habe Gespräche darüber aber abgelehnt.

Die JVC Video Manufacturing Europe GmbH wurde 1981 als Produktionszentrum für analoge Video-Rekorder gegründet. Sie beschäftigte zu Hochzeiten rund 1200 Mitarbeiter. Ab dem Jahr 2000 wurde die Produktion auf digitale Produkte wie Video-Kameras, DVD-Player und -Rekorder sowie Heimkino-Systeme umgestellt. „Wir sind meines Wissens das einzige Werk, das überhaupt digitale Camcorder in Europa gebaut hat“, sagte Geschäftsführer Kumpera. Aufgrund des jährlichen Preisverfalls von über 20 Prozent sei der Standort Berlin zu teuer geworden. „JVC hat in Südostasien mehrere Werke, die die Fertigung unserer Produkte übernehmen können“, so Kumpera. Die Geschäftsführung wolle jetzt mit der Belegschaft über einen Sozialplan verhandeln.

JVE-Betriebsrat van Zuijlen sieht einen Zusammenhang zwischen der Werkschließung bei JVC und Samsung: „Im Schatten von Samsung wollen offenbar auch andere Arbeitgeber möglichst unbemerkt Stellen abbauen“, sagte er. „Wir werden die Schließung aber nicht einfach hinnehmen und überlegen jetzt, gemeinsam mit den Samsung-Beschäftigten zu protestieren.“

Im September hatte der südkoreanische Konzern Samsung angekündigt, 750 von 800 Stellen im Bildröhrenwerk in Oberschöneweide zu streichen. Samsung stand damit am Anfang einer Serie schlechter Nachrichten für die Berliner Wirtschaft. Kurz danach kündigte die Zigarettenfirma Reemtsma den Abbau von rund 200 Stellen an. Dann gab Herlitz an, über einen Umzug ins Berliner Umland nachzudenken. Vor wenigen Tagen dann kündigte das Haus- und Systemtechnikunternehmen Stiebel Eltron das Ende des Berliner Werks mit 95 Mitarbeitern an. Seit 1990 sind in Berlin über 170000 Industrie-Arbeitsplätze weggefallen. Wegen steigender Exporte und guter Auftragslage hatte es zuletzt die Hoffnung gegeben, die Talsohle sei erreicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false