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Kapital durch Masse: Berliner starten neuen Markt

Bergfürst plant mit Urbanara größtes Crowdinvesting Europas. Anleger können Aktien kaufen - nicht ganz ohne Risiko.

Berlin - Die Tagesdecke geht von Hand zu Hand: Banker, Anwälte und Kaufleute befühlen im Saal des Ludwig-Erhardt- Hauses in der Berliner Fasanenstraße das weiche, weitmaschig gestrickte Stück Stoff. Mitgebracht hat sie Benjamin Esser, Gründer des Online-Textilhändlers Urbanara. Vor den Gästen des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) wirbt er für sein Geschäft: Seit zweieinhalb Jahren fertigt und vertreibt das Unternehmen Bettwäsche, Teppiche und Tischdecken an Kunden in England und Deutschland. 25 000 sollen es inzwischen sein – und Urbanara will weiter wachsen: „Wir wollen zu einer globalen Marke werden“, sagt Esser. Das nötige Kapital beschafft er seit Donnerstag über die Berliner Crowdinvesting-Plattform Bergfürst. Zwischen drei und 3,7 Millionen Euro will das Unternehmen einsammeln. Gelingt Urbanara das, wäre es das größte Crowdinvestment in Europa.

Ein wenig nervös wirkt Benjamin Esser: Urbanara ist das erste Unternehmen, das sich über Bergfürst finanziert und bislang auch das einzige. Das Konzept der Online-Plattform ist unerprobt. Im Unterschied zu Crowdinvesting-Plattformen wie Companisto oder Seedmatch kaufen die Investoren bei Bergfürst keine stillen Beteiligungen, sondern Aktien und werden damit Miteigentümer der Firma, in die sie ihr Geld stecken. Damit ist die Plattform eine Handelsbörse für Firmen, die Nachschubkapital benötigen. Anschubfinanzierung ist dagegen nicht das Ziel. „Das Unternehmen muss bewiesen haben, das der Markt für seine Leistungen zahlt“, sagt Geschäftsführer Guido Sandler.

Mit gutem Beispiel voran

Für Bergfürst ist die Aktien-Emission von Urbanara eine Feuerprobe. Wäre es nach Sandler gegangen, gäbe es die Erstemission nicht erst jetzt, sondern sie wäre bereits im vergangenen Jahr über die Bühne gegangen. Doch die Genehmigung des Vorhabens durch die Bundesfinanzaufsicht habe so lange gedauert, erzählt er. Das Unternehmen, das ursprünglich als erstes an die Börse gehen sollte, sei inzwischen andere Wege gegangen.

Mit Urbanara hat sich Bergfürst einen Musterkandidaten für den zweiten Versuch ausgesucht. Die Equity-Story klingt viel versprechend: 250 Prozent Wachstum, sinkende Kosten für die Kunden-Akquise, eine Retourrate von unter zehn Prozent. Zwischen zehn und 12,50 Euro liegt die Zeichnungsspanne für die Aktien des Unternehmens. An die Start-up-Börse kommt das Unternehmen etwa zehn Prozent unter seinem eigentlichen Wert.

Der Textilhändler hätte durchaus Alternativen zur Finanzierung durch die Masse gehabt, etwa durch traditionelles Venture Capital. Für Crowdinvesting habe er sich entschieden, weil so die Kunden helfen würden, die Unternehmensidee zu verbreiten und die Marke auszubauen, erzählt Benjamin Esser. „Es gab auch Gegenwind vonseiten der Investoren“, sagt er. Die Altinvestoren blieben gerne anonym und unabhängig. Das ist mit Bergfürst nun vorbei.

Für Anleger mit Spielgeld geeignet

Zwar unterliegt das Portal, das offiziell als Wertpapierhandelsbank gilt, nicht den strengen Regulierungen, die an der Börse gelten. Es hat sich selbst aber Regeln auferlegt: Wie an der richtigen Börse müssen die Bergfürst-Unternehmen Quartalsberichte und Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlichen, sie müssen einen Wertpapierprospekt erstellen und sich einmal im Jahr vor einer Aktionärsversammlung verantworten. Für die Anleger ist das gut: „Der Wertpapierprospekt ist schon Mal ein Fortschritt“, kommentiert Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Bei stillen Beteiligungen gibt es oftmals nur eine vierseitige Zusammenfassung über das Unternehmen.“ Eine risikolose Geldanlage sei die neue Beteiligungsform aber nicht, eher etwas für alle, die gerne spekulieren. „Sie sprechen eigentlich eine breitere Masse an als die, die sie ansprechen sollen“, kritisiert der Anlegerschützer. Wer bei Bergfürst mitbieten möchte, muss mindestens 250 Euro anlegen. 7000 Nutzer haben sich auf der Plattform bereits registriert. „Selbstbestimmte Investoren“ sollen sie sein. „Wir betreiben wir keine Anlageberatung“, sagt Sandler. Bergfürst richte sich an jene, die sagen „ich verdiene mein Geld selber, ich kann es auch selber ausgeben“. Bereits im November soll neben Urbanara ein weiteres Unternehmen Aktien über die Handelsplattform verkaufen.

Julia Rotenberger

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