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Fortbildung: Gegen den Strom

Ob auf dem Wasser oder zu Land: Wer sich fortbildet, kann aus seinem Hobby einen Beruf machen.

Nach der letzten Prüfung hatte es Joachim Raupach geschafft. Keine endlosen Lernabende mehr vor dem Schreibtisch, keine nervenaufreibenden Klausuren – sein Studium an der Freien Universität Berlin war vorbei. Und doch stand er wieder ganz am Anfang. In seinem Beruf fand der Theaterwissenschaftler keine Anstellung.

„Ich absolvierte Praktika beim Berliner Kultursenat, am Goethe-Theater in Bremen. Aber einen Job bekam ich trotzdem nicht“, erzählt Raupach. Nach einer weiteren Absage hatte er die Nase voll: Er entschloss sich, sein langjähriges Hobby zum Beruf zu machen und sich zum Segellehrer fortzubilden. Er schrieb eine letzte Bewerbung an eine Berliner Segelschule – und wurde als Lehrer-Anwärter eingestellt. Das war 1994. Heute, 15 Jahre später, ist er Chef seiner eigenen Schule, der „Großen Freiheit“ am Wannsee.

Das Hobby zum Beruf zu machen, so wie es Joachim Raupach geschafft hat, ist ein Traum, der nur für wenige in Erfüllung geht. Dabei sind die Deutschen mit ihrem derzeitigen Job eher unzufrieden, wie aus einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervorgeht. 55 Prozent der Arbeitnehmer bewerten ihre Arbeit als mittelmäßig. Glücklich mit ihrem Beruf sind gerade mal zwölf Prozent, in den neuen Bundesländern sogar nur acht Prozent.

Doch um aus dem Brot- einen Spaßerwerb zu machen, muss man viel Zeit und Arbeit investieren. Joachim Raupach bekam das zu spüren. „Wenn man sieben Tage die Woche auf dem Wasser ist, merkt man schnell, ob einem der Traumjob wirklich liegt.“

Wer eine Segellehrerlizenz beim Deutschen Segler-Verband anstrebt, muss die Teilnahme an Fachseminaren sowie – je nach Stufe – Unterrichtspraxis im Umfang von 40 bis 750 Stunden nachweisen. In vielen Schulen können die Azubis ihre Stunden auch auf einzelne Tage oder das Wochenende legen, sodass sie weiterhin einer hauptberuflichen Tätigkeit nachgehen können. Die Bezahlung ist Verhandlungssache, oft übernehmen die Schulen die Prüfungsgebühren.

Die theoretischen Seminare werden jährlich vom Verband Deutscher Sportbootschulen ausgerichtet. Sie vermitteln methodische und didaktische Techniken, zum Beispiel in Unterrichtsplanung, Rhetorik und Medieneinsatz, aber auch praktische Übungen auf Jollen und Kielbooten sowie Boots- und Motorenkunde. Die Teilnahme an Workshops über Schifffahrtsrecht, Segeltheorie und Wetterkunde ist freiwillig. In der Prüfung vor dem Segler-Verband müssen die Teilnehmer einen schriftlichen Test bestehen, eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten leiten und eine Runde vorsegeln.

Joachim Raupach hat alle Prüfungen absolviert – auch wenn er die Lizenz heute für zweitrangig hält. Wichtiger als alle Zertifikate sei die didaktische und soziale Kompetenz der Lehrer. „Die Leute mit den besten Scheinen sind noch lange nicht die besten Ausbilder“, sagt er. „Man muss eben nicht nur segeln, sondern auch mal ''ne Geschichte erzählen können.“ Von seinen neun Mitarbeitern haben momentan nur drei eine Lizenz. Für den Betrieb ist das kein Problem, die Berufsbezeichnung „Segellehrer“ ist nicht geschützt. Vorteilhaft kann die Fortbildung trotzdem sein. Denn in Deutschland fragen viele Auftraggeber und auch Kunden nach einem Zeugnis.

Das gilt ebenso für andere Sportarten, wie zum Beispiel Golfen. Simone Weinholz aus Berlin entschloss sie vor eineinhalb Jahren, Golflehrerin zu werden – auch diese Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Um etwas vorweisen zu können, bewarb sie sich um eine Fortbildung beim Berufsgolfer-Verband PGA. Dort können Interessenten eine dreijährige Ausbildung zum Diplom-Golfprofessional machen. Seit kurzem ist für Berufstätige auch der Quereinstieg möglich.

Um sich für die Prüfungen anzumelden, müssen die Anwärter innerhalb von drei Jahren sechs Monate in einem Golfclub gearbeitet und neun bis zwölf Seminare des PGA besucht haben. Zudem sollten sie ein „Handicap“ von mindestens 6,4 vorweisen. Für die gelernte Versicherungskauffrau Simone Weinholz ist das kein Pappenstiel, aber durchaus zu schaffen. Mit sieben Jahren hatte sie zum ersten Mal einen Schläger in der Hand und konnte – trotz längerer Pausen – von dem Hobby nicht mehr lassen. „Ich bin in einem kleinen Dorf in Niedersachsen aufgewachsen, außer einer Kneipe und dem Golfclub gab es dort nichts“, erzählt sie.

Bälle schlagen zu können, reicht für den Abschluss jedoch nicht: Auf dem Lehrplan der Seminare stehen die Golfgeschichte seit dem 14. Jahrhundert, Sportwissenschaft, Pädagogik und Materialkunde. Sogar die Schnitthöhe des Grases und die Zusammensetzung des Düngers für den Golfplatz müssen die Prüflinge wissen. „Noch nie habe ich so viel lernen müssen“, sagt Weinholz, die gerade die Zwischenprüfung bestanden hat. Wer fest in einen Job eingebunden ist, müsse sich gut organisieren.

Außerdem sind Quereinsteiger mit verkürztem Praktikum gezwungen, die Seminare selbst zu finanzieren. Das bedeutet für angehende Golflehrer zusätzliche Kosten von 3000 Euro pro Jahr. Wer in einem festen Ausbildungsverhältnis mit einem Club steht, kann dagegen mit Kostenerstattung und einem monatlichen Gehalt von rund 600 Euro rechnen.

Wer die Fortbildung erst einmal geschafft hat, findet dafür schnell einen Auftraggeber – die Golfbranche wächst stetig. Waren Anfang der 90er Jahre bundesweit noch weniger als 200 000 Spieler in rund 400 Clubs engagiert, griffen 2008 bereits rund 575 000 Golfer in 769 Clubs regelmäßig zum Schläger, wie aus einer Statistik des Golf-Verbandes DGV hervorgeht. Da auch hauptberufliche Golflehrer meist als Freiberufler arbeiten, lässt sich ihr Verdienst schwer schätzen. Branchenkenner berichten von Stundensätzen zwischen 45 und 140 Euro.

Davon können Segellehrer nur träumen: In manchen Revieren verdienen sie Stundensätze ab neun Euro. Lukrativer ist dagegen das Skippern, also das Leiten von Bootstouren, wofür 400 bis 600 Euro pro Woche gezahlt werden. Aufträge gibt es derzeit genügend, auch wenn bereits viele gute Segler unterrichten. Die Fluktuation in den Schulen sei hoch, sagt Segellehrer Joachim Raupach.

Wer noch vor der Entscheidung steht, ob er tatsächlich mit seinem Hobby Geld verdienen möchte, sollte sich ohnehin zunächst in einem Praktikum ausprobieren. Am besten zwei Monate am Stück, aber auch Wochenenddienste seien möglich, so Raupach. „Bei uns haben die meisten Lehrer noch ein zweites Standbein“, sagt er. Einen typischen Nebenjob für Segler gibt es allerdings nicht: Auf dem Wasser kommen Taxifahrer, PR-Referenten, Kirchenangestellte und Feuerwehrleute zusammen.

Philipp Eins

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