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Karriere in der Medizintechnik: Erfinder und Vermarkter

Nicht nur Ingenieure haben gute Karten. Auch auf Quereinsteiger warten interessante Jobs und ein gutes Gehalt.

Von Prothesen über Herzschrittmacher bis hin zum Narkosegerät: Die Menschen werden immer älter, Gesundheit spielt eine immer größere Rolle – und mit ihr die medizintechnische Entwicklung, die Gesundheit und Lebensqualität erhöht. Immer mehr wird möglich, die Medizin macht enorme Fortschritte – die Branche wächst stetig. Und das besonders in Berlin und Brandenburg.

350000 Menschen sind hier nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin beschäftigt. 6800 arbeiten allein in der Medizintechnik. In diesem Bereich gibt es 180 produzierende Gewerbe. Dazu kommen Händler und Dienstleister. Die Branche gilt als enorm innovativ und legt hier stärker zu, als im bundesweiten Durchschnitt, berichtet Stefanie Richter von der IHK.

Das wird voraussichtlich so weiter gehen. Auch in Zukunft wird es in der Region hohe Zuwachsraten in der Gesundheitswirtschaft geben, prognostiziert eine Studie der Technischen Universität Darmstadt. Dass der Markt gerade hier so boomt liege an der engen Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, sagt Helmut Kunze, Leiter von TSB Medici, einer Initiative der Technologiestiftung Berlin. Universitäten, Forschungsinstitute und Gesundheitseinrichtungen böten ein hohes wissenschaftliches Potenzial, das die Firmen etwa bei der Produktentwicklung nutzen.

Und: Der boomende Markt bringt auch Arbeitsplätze. Mehr als jede dritte Medizintechnik-Firma in der Region klagt inzwischen über einen Mangel an Fachkräften, sagt Richter. Vor allem Ingenieure und Techniker sind gefragt, um neue Produkte zu entwickeln. Aber auch die Herstellung, der Betrieb, die Wartung und Pflege der komplexen medizinischen Geräte bringen neue Jobs. Außerdem werden Mitarbeiter für das Marketing und den Vertrieb gesucht. „Die Karriereaussichten sind ausgesprochen gut“, sagt Manfred Beeres vom Bundesverband Medizintechnologie.

Die zunehmend international agierenden Unternehmen bieten qualifizierten Mitarbeitern interessante Perspektiven und internationale Aufstiegschancen, sagt Beeres. Wer in die Branche einsteigen will, muss neben den spezifischen Jobvoraussetzungen Softskills wie Teamfähigkeit, sehr gute Englischkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenz mitbringen.

Auch verdienen kann man in der Medizintechnik ganz gut, gerade als Ingenieur: „Aufgrund des ausgeprägten Fachkräftemangels sind Einstiegsgehälter von jährlich 35000 bis 40000 Euro nicht unüblich“, sagt Christian Schröder von der Fachhochschule Gelsenkirchen. Nach einigen Jahren Berufserfahrung in der Projektleitung bestehe die Möglichkeit, Personalverantwortung für Gruppen und Abteilungen zu übernehmen.

Wie vielfältig die Berufsfelder in der Zukunftsbranche sind und welche Wege dorthin führen zeigen die folgenden vier Porträts.

DER MARKETINGLEITER

Stefan Kürbis wollte eigentlich Lehrer werden. Er studierte Biologie und Sport. Eine Hausarbeit über Kniearthroskopien weckte sein Interesse für die Medizintechnik. Als nach dem zweiten Staatsexamen viele Lehrer um wenige Stellen konkurrierten, ergriff er die Chance und wechselte 1991 in die Gesundheitsbranche.

„Es hat sich gelohnt“, sagt er. Heute leitet Kürbis bei der internationalen Firma W.O.M. World of Medicine die einen ihrer drei Sitze in Berlin hat, das weltweite Marketing. Das Unternehmen hat 200 Mitarbeiter, erzählt er, und produziert seit rund 30 Jahren Produkte für die minimal-invasive Chirurgie, für operative Eingriffe also, die nur kleinste Verletzungen verursachen.

„Ich bin oft in Krankenhäusern unterwegs und spreche mit Ärzten und Schwestern“, sagt Kürbis. Ob als stiller Beobachter im Operationssaal oder auf Messen: Er sucht immer nach Ideen, wie sich die Geräte verbessern lassen. „Wir müssen unser Ohr am Markt haben“, erklärt er. Den Bedarf der Anwender gibt er an die Technikingenieure weiter.

Anders als in der Forschung sei im Marketing auch der Quereinstieg möglich. „Ich habe mich in diese Aufgabe hineinentwickelt“, sagt Kürbis. In seinem Job greife er zu etwa zehn Prozent auf Wissen aus dem Studium zurück. Das Übrige sei „learning by doing“. „Man muss Lust am Lernen haben und Interesse daran, wie Operationen, der Mensch und die Medizin funktionieren“, sagt er.

DER PRODUKTMANAGER

Guido Weubel ist Chemiker mit Doktortitel. Nach seiner Promotion machte er sich zunächst als Unternehmensberater in der Umwelttechnik selbstständig. Mitte der neunziger Jahre kam er über einen Studienkollegen zu einem Job bei einem Pharmakonzern und vertrieb als Gebietsleiter etwa künstliche Gelenke oder Biomaterialien für Knochenersatz.

2006 dann bot sich ihm die Gelegenheit, als Produktmanager zu der Berliner Firma AAP Implantate zu wechseln, einer mittelständischen Firma mit 250 Mitarbeitern. Weubel ist für Werbung und Produktanleitungen zuständig und organisiert Kongressauftritte. Gehen neue Produkte der Firma an den Start, kümmert er sich um Schulungen für die Nutzer und steht bei den ersten Einsätzen auch mit im Operationssaal. „Man braucht technisches Verständnis, sollte keine Angst vor Blut haben und gerne mit Menschen zusammenarbeiten“, beschreibt er die Voraussetzungen für seinen Beruf.

Sein Job macht ihm Spaß. Auch das Gehalt stimmt. Gerade im Vertrieb gebe es in der Medizintechnik gute Verdienstmöglichkeiten, sagt er.

DER MEDIZINTECHNIKER

Rainer Jacobs ist Experte für komplizierte Apparaturen. Der 47-Jährige ist Mitarbeiter des Krankenhaus-Service-Zentrums Hadert. Täglich repariert, wartet und kontrolliert er medizintechnische Geräte. Zu seinem Beruf kam der Diplom-Informationstechniker durch Zufall. Ursprünglich wollte er als Computertechniker arbeiten, doch weil gerade ein Medizintechniker gesucht wurde, entschied sich Jacobs für diesen Job.

Die Anforderungen sind vielfältig. Man muss etwas von Elektronik verstehen, sich mit Schaltungstechnik auskennen und mit Kunden umgehen können, sagt Jacobs. Das Wissen, wie etwa Reanimationsgeräte, EKG- oder Blutdruckmessegeräte funktionieren, habe er sich im Laufe der Zeit angeeignet. „Da gehört sehr viel Berufserfahrung dazu.“ Aber auch Fortbildungen, etwa durch Schulungen bei Herstellern, sei wichtig.

Sein Job füllt ihn aus. „Es ist eine Herausforderung, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein“, sagt er. Für ihn sei es wichtig, dass seine Arbeit gebraucht werde.

DER TECHNIKENTWICKLER

Als Andreas Arndt zum Ende seines Studiums einen Medizintechnik-Kurs belegte, fing er Feuer. „Das hat mein Interesse geweckt“, sagt der 39-jährige Elektroniker und Regelungstechniker. Nach einem Praktikum an einem Herzzentrum in Brasilien fand er dann den engeren Bereich, in dem er arbeiten wollte. Heute entwickelt er im Team mit Ingenieuren verschiedener Fachrichtungen für die Firma Berlin Heart künstliche Herzen.

Arndt ist für die Steuerung und Regelung von Ersatzherzen zuständig. „Da steckt viel Mathematik dahinter“, erklärt er. Sein aktuelles Projekt läuft seit zwei Jahren. Arndt versucht einen Mikrorechner so zu programmieren, dass er künstliche Herzen steuert. Der Techniker konstruiert Modelle und erstellt Computersimulationen. 30 von 180 Mitarbeitern sind bei Berlin Heart in der Forschung und Entwicklung tätig. Arndt fasziniert der Grenzbereich zwischen Medizin und Technik. „Es dauert lange, bis man ein Thema so durchschaut, dass man etwas dafür leisten kann“, sagt der Forscher.

Um Entwickler zu werden, biete es sich an, Elektrotechnik oder biomedizinische Technik zu studieren. Auch Praktika seien hilfreich für den Einstieg.

„Das Tolle an meinem Job ist, dass ich damit Menschen helfen kann“, sagt Arndt. Ab und zu trifft er sogar Patienten, die ein künstliches Herz tragen, das er mitentwickelt hat.

Maria Marquart

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