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Mehr Freiheiten für Berater: Anwälte bekommen Konkurrenz

Am 1. Juli tritt das neue Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft. Was sich für Juristen ändert.

Ernesto Loh sieht der Zukunft ruhig entgegen. Der Rechtsanwalt und Sozius der Berliner Kanzlei Loh von Hülsen Michael ist überzeugt, dass derjenige, der juristischen Rat sucht, auch nach dem 1. Juli zum Anwalt gehen wird.

Ganz selbstverständlich ist das nicht. Denn ab dem 1. Juli ersetzt das neue Rechtsdienstleistungsgesetz das bis dahin geltende Rechtsberatungsgesetz. Das vereinfacht die Lage: Jetzt können auch Architekten, Banken und Steuerberater, Verbände und Kfz-Werkstätten ihre Kunden und Klienten bei rechtlichen Fragestellungen unterstützen. Bisher war das nur in engem Rahmen möglich und im Einzelfall allein Sache der Anwälte. Nun ist das Monopol gebrochen – und das hat Folgen für die gesamte Branche.

Nun wird der ohnehin schwierige Markt noch neuen Konkurrenten geöffnet. Dabei ist gerade in Berlin der Wettbewerb groß. Seit 1995 hat sich die Zahl der Anwälte mehr als verdoppelt. Rund 11 590 Rechtsanwälte sind zugelassen. Jedes Jahr kommen etwa 500 hinzu. Nach Hamburg hat die Stadt die größte Anwaltsdichte bezogen auf die Einwohner.

Die Anwaltschaft sieht das Gesetz jedoch weitgehend entspannt. „Das neue Recht stellt klare Anforderungen, für welche Fragestellungen ein Anwalt hinzugezogen werden muss“, sagt Niko Härting vom Deutschen Anwaltverein. Auch in Zukunft können zum Beispiel Architekten nicht vollberufliche Rechtsberater in Baurechtsfragen werden. Auch wenn sie für die zusätzliche Dienstleistung Geld verlangen können: Die Beratung muss eine Nebentätigkeit bleiben. Der befürchtete vollständige Bruch mit dem Beratungsmonopol der Rechtsanwälte ist also nicht eingetreten.

Außerdem ist Beratung nur ein Teil der Arbeit, sagt Ernesto Loh: „Die Prozessführung bleibt weiterhin Rechtsanwälten vorbehalten.“ Sie ist und bleibt das Kerngeschäft der Anwälte.

Ob Arbeitsrecht, Baurecht oder Bankenrecht – auch Christian Christiani, Geschäftsführer des Berliner Anwaltvereins, sieht die Anwaltschaft gut aufgestellt. Wenn es etwa darum geht, mit der Rechtsberatung von Kfz-Werkstätten zu konkurrieren, hätten Rechtsanwälte gute Karten. Zwar können die Werkstätten nach dem neuen Recht im Schadensfall mit der gegnerische Versicherung nicht nur Reparaturkosten abrechnen, sondern für den Geschädigten beispielsweise allgemeine Schadenspauschalen geltend machen. „Im Zweifelsfall wird die Werkstatt aber kaum etwas zu einem Anspruch auf Schadensersatz sagen können“, sagt Christiani. Es fehlt an fachlich ausgebildetem Personal.

Nicht ganz so locker sieht der Arbeitsrechtler Volker Römermann die Veränderungen. „Für Rechtsanwälte, die nicht klar aufgestellt sind, kann das neue Gesetz zur Bedrohung werden“, sagt er. Es sei möglich, dass Beratung in Rechtsgebieten wie Mietrecht oder Verkehrsrecht zukünftig noch stärker von Mietervereinen oder ADAC unentgeltlich übernommen werden. Insbesondere die Markt- und Marketingmacht des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs sei nicht zu unterschätzen. „Kanzleien, die bislang ein gutes Auskommen mit Fällen aus dem Verkehrsrecht hatten, müssen einen Einbruch befürchten“, sagt Römermann.

Mit dem neuen Gesetz nämlich dürfen Vereine und Organisationen wie der ADAC seine Mitglieder zukünftig auch in individuellen Rechtsfragen beraten. Bislang wurden diese Fragen an externe Vertragsanwälte weitergeben. „Wir rechnen mit etwa 250 000 Rechtsberatungen im Jahr“, erklärt Ulrich May, Rechtsexperte des Auto-Clubs. Sei es, dass bei einem Autokauf ein Mangel auftritt, oder in Frankreich ein Bußgeld fällig wird: Der ADAC will auf diese konkreten Fragen schnell eine Lösung anbieten.

Durch die neuen Möglichkeiten der Rechtsberatung sei es aber auch denkbar, dass der Bedarf an Juristen außerhalb des Anwaltsberufes steige. „Dadurch könnte sich die Lage auf dem Markt insgesamt sogar etwas entspannen“, sagt Magarete von Galen, Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer. Denn: Verbände und Organisationen müssen die Qualität der Rechtsdienstleistung nach dem neuen Gesetz sicherstellen. Nur unter Anleitung einer juristisch qualifizierten Person mit mindestens zwei Staatsexamen dürfen entsprechend geschulte Nichtjuristen beraten, so dass zur Not auf den Experten zurückgegriffen werden kann.

Anwälte aber haben gegenüber nichtjuristischen Beratern einiges zu bieten. „Der berufsrechtliche Rahmen gewährleistet Seriosität“, sagt Römermann. Gespräche mit Rechtsanwälten unterliegen der Schweigepflicht. Außerdem kommt die Berufshaftpflichtversicherung für eventuelle Schäden auf, die vom Anwalt verursacht werden und zulasten des Mandanten gehen. Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu festigen, sollten Anwälte grundsätzlich an ihrem Marketing arbeiten und sich in ihrem Fach verbessern.

Christiani vom Berliner Anwaltsverein hält Weiterbildung für das wichtigste Mittel für Rechtsanwälte, sich auf dem Markt durchzusetzen. „Juristisches Wissen: Damit muss man sich von der Masse abheben“, sagt er. Vor allem empfiehlt er, für eine Spezialisierung Fachanwaltskurse zu absolvieren. In insgesamt 19 Rechtsgebieten kann ein entsprechender Titel nach einer umfangreichen Prüfung und dem Nachweis von bearbeiteten Fällen erworben werden. Der Bundesrechtsanwaltskammer zufolge gab es im Januar 2007 knapp 28 000 Fachanwälte. Das entspricht einer Quote von fast 20 Prozent aller zugelassenen Anwälte. Seit 1994 hat sich die Zahl der Fachanwälte versiebenfacht.

Während Rechtsanwälte bei der Reform relativ gut davonkommen, sind die Wirtschaftsjuristen enttäuscht. Sie hatten erhofft, sich nun als Rechtsberater selbstständig machen zu können. „Dies ist mit dem neuen Gesetz aber nicht eingetreten“, sagt Thomas Krause, Präsident des Bundesverbandes der Wirtschaftsjuristen von Fachhochschulen. Das neue Gesetz bringe für seinen Berufsstand keine Verbesserungen.

Henning Zander

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