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Übergabe des Familienunternehmens: Von einem zum Nächsten

Jedes Jahr steht bei mehr als 20.000 Familienunternehmen in Deutschland die Übergabe an. Warum es so schwer ist, dass Senior und Junior zueinander finden.

Ihr erstes gemeinsames Bier sollte nicht ihr letztes sein. Nachdem Klaus Fassin, Chef des Süßwarenherstellers Katjes, und Tobias Bachmüller sich auf einer Tagung in Dresden kennengelernt hatten, war klar, dass sie es miteinander versuchen wollen. Denn der damals 64-jährige Fassin suchte einen Nachfolger und der 39-jährige Bachmüller, seinerzeit Geschäftsführer Süßwaren bei Kraft Jacobs Suchard, wollte schon immer unternehmerisch tätig sein. Sie hatten sich gesucht und gefunden.

Sechs Monate später trat der Externe als geschäftsführender Gesellschafter seinen Posten beim Familienunternehmen Katjes in Emmerich an. Und nicht nur das. Weitere zwei Wochen später überließ ihm der Senior ganz den Chefsessel. Und Bachmüller stand nicht nur an der Spitze, er erhielt auch zehn Prozent der Firmenanteile. „Das war meine Bedingung“, sagt er.

Die Übergabe an die nächste Generation ist bei Katjes jetzt rund 15 Jahre her. Mittlerweile ist auch Fassins Sohn Bastian, der 1995 gerade erst Abitur gemacht hatte, Geschäftsführer. „Es war klar, dass er irgendwann einsteigen wird. Wir sind faktisch gleichberechtigte Gesellschafter.“ Der eine kümmert sich um die Produktion und das internationale Geschäft, der andere um die Finanzen und das Inland.

Einen passenden Nachfolger zu finden und damit das Unternehmen langfristig zu sichern, ist eine Herausforderung, vor der pro Jahr bundesweit 22 000 Familienbetriebe stehen – nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM). Die Experten haben in ihrer aktuellen Studie die Unternehmen berücksichtigt, die mindestens 50 000 Euro Gewinn pro Jahr erwirtschaften.

Das Problem: Einen idealtypischen Verlauf, wer wann auf wen folgt, den gibt es nicht. Je nach Größe, Region und Tradition ist jede Nachfolgeregelung individuell. „Hier treten oft verschiedene Vorstellungen der Familienmitglieder in Konkurrenz“, sagt Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. „Neben einer juristischen, betriebswirtschaftlichen und soziologischen Dimension steckt in einer Nachfolge auch viel Emotion.“ Zudem sind die Senioren verschwiegen: „Unternehmensnachfolge ist ein Tabuthema“, sagt Ulrich Soénius, Geschäftsführer der IHK Köln.

Streitereien und Enttäuschungen innerhalb der Familie, Krankheiten und die Angst des Seniors vor kritischen Fragen von Banken, Kunden und Lieferanten – und dann nicht zuletzt vor der eigenen Zukunft: All das führt zur Verschwiegenheit, für die besonders Familienunternehmen bekannt sind. Auch der Katjes-Gründer Klaus Fassin hat vor der Bekanntgabe der Nachfolge kaum ein Wort darüber verloren.

Dabei entscheidet sich heute noch rund die Hälfte der Unternehmen, die vor der Übergabe stehen, für die traditionelle familieninterne Lösung, für einen Nachkommen, der die Interessen der Familie vertritt. „Weniger als 30 Prozent planen für die Zukunft mit einem externen Nachfolger“, sagt Petra Moog, Wissenschaftlerin an der Uni Siegen. Sie hat in einer Studie mehr als 1100 Unternehmer zur Nachfolge befragt. Doch nicht nur große Familienunternehmen wie Katjes müssen sich rechtzeitig um einen passenden Nachfolger kümmern, sondern auch die kleinen, häufig sehr spezialisierten Betriebe. So wie Volker Rodde. Der gelernte Kameramann hat rund 30 Jahre selbst gedreht, heute verleiht er Filmgeräte, Video-, Ton- und Lichttechnik an Sender und etwa Werbeagenturen.

Seine Firma gibt es seit mehr als 20 Jahren, er hat ein Dutzend feste Mitarbeiter und ist gut durch die Wirtschaftskrise gekommen. Doch was dem mittlerweile 67-jährigen Kölner fehlt, ist ein Nachfolger. Einer, der mit der gleichen Leidenschaft wie er sein Lebenswerk fortführt, so dass Rodde sich zur Ruhe setzen kann. Er sucht schon seit fünf Jahren erfolglos – eigene Kinder hat er nicht.

So hat der hemdsärmelige Chef eine Beratung engagiert, ist bei der IHK vorstellig geworden, hat versucht, seine eigenen Mitarbeiter für eine Übernahme zu begeistern. Er selbst würde gerne kürzertreten, segeln, sich ums eigene Häuschen kümmern. Doch er weiß auch: Es wird ihm schwer fallen, loszulassen. „Das ist ein langsamer Prozess, an den ich mich erst gewöhnen muss. Und der weh tut.“

Nicht nur das Abschiednehmen ist ein langsamer, schleichender Prozess, sondern auch die Vorbereitung auf eine Nachfolge. Experten sind sich einig, dass vom ersten Gedanken des Seniors an den Ruhestand bis zur endgültigen Machtübergabe an den Junior oder einen Fremdmanager rund zehn Jahre vergehen. „Die Nachfolge ist eine permanente Unternehmeraufgabe“, sagt Birgit Felden, Management-Professorin und Chefin der Unternehmensberatung TMS. So müsse der Senior wissen, wann er übergeben möchte und ob seine Ziele auch die seiner Nachkommen sind.

Auch für die Region ist wichtig, dass die nächste Generation durchstartet. Denn die wirtschaftliche Bedeutung wird oft unterschätzt. Die Stiftung Familienunternehmen und das IfM haben belegt, dass Familienunternehmen in Deutschland mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze stellen und 42 Prozent des Umsatzes machen. Und im Gegensatz zu Dax-Konzernen bauen familiengeführte Firmen tendenziell weniger Arbeitsplätze im Inland ab, um sie ins Ausland zu verlagern, sondern sogar auf. Die regionale Verbundenheit ist ein Grund dafür, dass die Beschäftigtenzahlen in Familienunternehmen jährlich leicht steigen.

Auch bei Katjes wächst die Belegschaft. 15 neue Mitarbeiter stellen Fassin junior und Bachmüller jährlich ein. Und der Senior weiß sein Lebenswerk in guten Händen. (HB)

Diana Fröhlich

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