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Unizulassung: Meisterbrief statt Abitur

Mit der Öffnung der Hochschulen für Meister und andere Fachkräfte auch ohne klassisches Abitur haben die Kultusminister in Stralsund ein Versprechen des Bildungsgipfels vom vergangenem Herbst eingelöst.

Auf knapp zwei Seiten und in einer kleinen Synopse sind jetzt die Mindestanforderungen und bundesweiten Standards festgelegt, die beruflich Qualifizierte für Weiterbildung an einer Hochschule oder für ein Vollstudium erfüllen müssen. Bislang mussten sich Studieninteressente ohne Abitur mit 16 unterschiedlichen Sonderregelungen der Bundesländer auseinandersetzen.

Nach dem langen Tauziehen mutet es nun fast wie eine kleine Sensation an: Meistern, Technikern und Fachwirten wird ein allgemeines Hochschulzugangsrecht zuerkannt. Das heißt, sie können ohne weitere Eignungstests oder Probezeiten jedes Fach ihrer Wahl an einer Universität oder an der Fachhochschule studieren. Berufstätige mit mindestens zweijähriger Ausbildung plus dreijähriger Berufspraxis bekommen ein fachgebundenes Zugangsrecht. Ihr Studienfach muss in etwa ihrer bisherigen beruflichen Fachrichtung entsprechen.

Einige Länder wollen den Zugang sogar noch weiter liberalisieren, was nach den Absprachen in einigen Punkten möglich ist. Rheinland-Pfalz will die für die Berufspraxis vorgeschriebene Zeit auf zwei Jahre verkürzen. Baden-Württemberg strebt an, sie sogar ganz abzubauen. Die rheinland-pfälzische Kultusministerin Doris Ahnen (SPD): „Nächstes Ziel muss sein, eine echte Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung herzustellen.“

Studieren ohne Abitur – geht denn das überhaupt? Es funktioniert auch in der Bundesrepublik schon seit mehr als drei Jahrzehnten. Doch anders als im Ausland schafft in Deutschland bisher nur ein verschwindend kleiner Anteil beruflich Qualifizierter nachträglich den Sprung ins Studium. Allenfalls 0,6 Prozent der Neueinschreibungen an Universitäten und 1,9 Prozent an Fachhochschulen haben keine reguläre Hochschulzulassung.

An schwedischen Hochschulen hingegen besitzt heute mehr als jeder Dritte Studierende kein klassisches Abitur und hat über berufliche Qualifizierung den Sprung ins Studium geschafft. Alle bisherige Untersuchungen über das Studium der Nicht- Abiturienten belegen jedoch: Die Differenzen bei den Vorkenntnissen werden nicht verkannt. Doch weder die Betroffenen noch ihre „gymnasialen“ Kommilitonen schätzen dies im Verlauf des Studiums als dauerhaft gravierend für die Studierfähigkeit ein. Ist der Einstieg geschafft und das erste Semester gemeistert, werden Zwischenprüfungen und Abschlussexamen später ebenso häufig bestanden wie von herkömmlichen Abiturienten.Karl-Heinz Reith (dpa)

Karl-Heinz Reith (dpa)

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