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Weiterbildung: Tourismusexperten mit Weitblick

Wo viele Menschen Urlaub machen, leidet oft die Umwelt. In Studiengängen lernt man, worauf es beim „sanften Reisen“ ankommt

Martina Porzelt stieß ganz zufällig in einem Zeitungsartikel auf das Studienangebot der Fachhochschule Eberswalde: ein Masterprogramm im „Nachhaltigen Tourismus“. Das machte die Biologin neugierig. Sie bewarb sich – und startete 2002 als eine der ersten in das zweijährige Aufbaustudium. „Biologen bleibt in Deutschland im Grunde kaum etwas anderes übrig, als eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen“, erzählt sie. „Wer das nicht möchte, muss sich eben neu orientieren.“ Die Frage nach dem wohin war für Martina Porzelt schnell beantwortet: „Als ambitionierte Taucherin haben ich mich schon immer für Tourismus im Einklang mit der Natur und sanftes Reisen interessiert.“

Rund 40 Studierende haben pro Semester die Möglichkeit, sich in Eberswalde mit Planung, Gestaltung und Management eines „ausbalancierten“ Tourismus zu beschäftigen – der neben wirtschaftlichen Faktoren auch den Erhalt intakter Natur- und Kulturlandschaften und die Lebensqualität der Bevölkerung in den Zielgebieten berücksichtigt. Gerade die Reisebranche ist wie keine andere auf eine intakte Umwelt angewiesen, meint Wolfgang Strasdas, Professor für das Fachgebiet Nachhaltiger Tourismus. „Bei den Tourismusunternehmen spielt das Thema Umwelt seit den 90er Jahren eine Rolle“, so Strasdas. Mit zunehmender Globalisierung sei außerdem eine soziale Verantwortlichkeit hinzugekommen, vor allem bei Reisen in Entwicklungsländer. „Während es lange Zeit vor allem kleinere Spezialanbieter waren, die sich mit diesen Aspekten auseinandersetzten, merken nun auch die Großunternehmen, dass nachhaltige Entwicklung entscheidend für ihre Zukunftsfähigkeit ist.“ Dabei spielen nach Ansicht des Experten auch steigende Rohstoffpreise und der Klimawandel eine Rolle. „Umweltschutz ist mittlerweile auch aus Kostengründen sinnvoll.“

Das Studienangebot richtet sich in erster Linie an Absolventen naturwissenschaftlicher, landschaftsbezogener oder planerischer Fächer, aber auch an Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Normalerweise wird vier Semester in Vollzeit studiert; berufsbegleitend kann die Ausbildung aber auch über einen längeren Zeitraum „gestreckt“ werden.

An der Technischen Universität Cottbus hat man ganz spezielle touristische Attraktionen im Visier: Der internationale Studiengang „World Heritage Studies“ beschäftigt sich mit dem Erhalt und der nachhaltigen Nutzung des Weltkultur- und Weltnaturerbes. Das zweijährige, englischsprachige Masterprogramm richtet sich an deutsche und ausländische Studierende. Sie sollen später einmal sanfte und nachhaltige Nutzungs- und Tourismuskonzepte für Welterbestätten planen und umsetzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die einheimische Bevölkerung, die an den Projekten beteiligt und entsprechend qualifiziert werden soll.

Der Studiengang vermittelt laut Hochschule vor allem international wertvolle Kenntnisse. Die Berufsaussichten der Absolventen scheinen gut zu sein. Viele arbeiten nicht nur in ihren Heimatländern, sondern zum Beispiel auch für internationale Arbeitgeber wie NGO’s (Non-Governmental Organizations).

Wer kein komplettes Studium absolvieren, sondern sich gezielt mit bestimmten Themen rund um naturnahes Reisen beschäftigen will, kann die Weiterbildungsdatenbank der Tourismusakademie Brandenburg zurate ziehen (siehe Kasten). Wichtige Akteure in der Brandenburgischen Tourismuswirtschaft haben sich hier zusammengetan, um die Bildungsangebote im Land zu bündeln und öffentlich zu machen. Neben vielen anderen touristischen Themen finden sich in der Internetdatenbank etwa Kurse zu Umweltmanagement, Radwandern, Wassertourismus und barrierenfreiem Reisen.

Zu den Kooperationspartner der Tourismusakademie gehört auch die Industrie- und Handelskammer Potsdam. Dort können sich Mitarbeiter aus Hotels, Tourismusverbänden, Kur- und Bäderbetrieben aber auch andere Interessierte seit kurzem zum Produktkoordinator im Tourismus weiterbilden. In dem modular aufgebauten Kurs lernen die Teilnehmer, maßgeschneiderte Angebote für Urlaubsaufenthalte in der Region zu erstellen. Wichtige Themen sind – wie sollte es im Urlaubsland Brandenburg anders sein – Sport, Gesundheit und Freizeit sowie Rad-, Wander- und Wassertourismus.

In Berlin bieten unter anderem das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) und die Schule für Tourismus Weiterbildungen für die Branche an. „Das Interesse an nachhaltigem Tourismus ist größer geworden, unter anderem bedingt durch den Klimawandel“, sagt Gabriele Hartmann, Pressesprecherin des DSFT. Die Urlauber selbst achteten ebenfalls stärker auf eine intakte Umwelt am Ferienorten. Raus in die Natur, statt rein in den Swimmingpool: Auch der Trend zu Outdoor- Reisen macht sich im Seminarprogramm des DSFT bemerkbar. So gibt es Kurse zu Fahrrad-, Wander- oder Aktivurlaub, Wassertourismus oder zur „Bio-Gastronomie ohne Öko-Klischee“, außerdem eine Ausbildung zum Kanutouristiker und Seminare zur Vermarktung von Gärten und Parks.

In den Weiterbildungen der Schule für Tourismus hat Nachhaltigkeit ebenfalls ihren festen Platz, sagt Geschäftsführerin Renate Erbert. So zum Beispiel in der Ausbildung zum Kaufmann für Tourismus und Freizeit, die auch als Umschulung angeboten wird. „Nachhaltiges Wirtschaften und das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie gehören zum festen Lehrplan“ berichtet Erbert. „Wir möchten die zukünftigen Mitarbeiter für den regionalen Tourismus und die aktuelle Umweltpolitik sensibilisieren. Damit sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr gut.“

Martina Porzelt hat nach ihrem Studium in Eberswalde den perfekten Job gefunden: Sie arbeitet beim Verband deutscher Naturparke in Bonn, der die Interessen der 97 Naturparke der Bundesrepublik vertritt. Dort betreut sie zum Beispiel eine Qualitätsoffensive, die den Verbandsmitgliedern hilft, ihre eigene Arbeit zu evaluieren und zu verbessern. Das Studium war eine gute Vorbereitung auf ihre jetzigen Aufgaben, findet die 38-Jährige. „Da habe ich gelernt, mit lokalen und regionalen Gruppen zusammenzuarbeiten und für sie passgenaue Konzepte zu entwickeln.“ Demnächst ist Martina Porzelt allerdings in ganz anderer Mission unterwegs: Sie fährt erst mal selbst in den Urlaub.

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