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Weiterbildung: Vom Kochkurs bis zur Meisterprüfung

Lebenslanges Lernen ist wichtiger denn je – darauf will der erste Deutsche Weiterbildungstag aufmerksam machen.

Mit 18 Jahren hat es bei Bianca Spieß angefangen. Russische Landeskunde stand auf dem Programm. Damals setzte bei der heute 40-jährigen Berlinerin der Weiterbildungshunger ein. Inzwischen besucht die Grafikerin mindestens ein bis zwei Mal im Jahr eine Weiterbildung. Als Freiberuflerin hält sie sich mit EDV-Kursen und anderen Angeboten auf dem Laufenden – komplett auf eigene Kosten. „Es hat sich immer gelohnt, auch wenn es sich nicht immer sofort ausgewirkt hat“, meint Spieß. Sie ist auf den Geschmack gekommen: Privat besucht sie an der Berliner Volkshochschule Sprachkurse.

Am kommenden Freitag, dem 15. Juni, sollen in ganz Deutschland Menschen auf den Geschmack kommen und auf das Thema Weiterbildung aufmerksam gemacht werden: Zum ersten Mal findet der Deutsche Weiterbildungstag statt, mit Aktionen in rund 800 Städten und Gemeinden. In Berlin wird es ein Bühnenprogramm mit Musik und Diskussionsrunden auf dem Alexanderplatz geben (siehe Kasten). Außerdem stellen sich dort zahlreiche Bildungsträger mit „Mitmach-Aktionen“ vor. Der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (BBB) und der Deutsche Volkshochschulverband wollen so auf sinkende Ausgaben für Aus- und Weiterbildung aufmerksam machen und diesem Trend entgegenwirken. Prominente wie Tagesthemen- Moderator Tom Buhrow und Entertainer Jürgen von der Lippe unterstützen die Initiative; Schirmherr ist Bundespräsident Horst Köhler.

„Jeder sieht die Notwendigkeit lebenslangen Lernens, aber die Motivation fehlt“, meint Siegried Schmauder. Als Geschäftsführer der TÜV Rheinland Akademie befasst er sich täglich mit dem Thema Weiterbildung. Denn die Akademie bietet eine breite Palette von Kursen an – vom Gesundheitswesen bis hin zum Qualitätsmanagement. „Weiterbildung, das ist eine Investition in die Zukunft“, lautet Schmauders Credo.

Diese Überzeugung spiegelt sich auch in den Thesen wider, die die Veranstalter zum Weiterbildungstag entwickelt haben und die darlegen sollen, warum Bildung und Weiterbildung so wichtig sind: Nur wer lernwillig und lernfähig ist, kann bei Fortschritt, internationalem Wettbewerb und gesellschaftlichem Wandel mithalten. Und: Für eine demokratische Gesellschaft, die vor Herausforderungen wie Integration und Überalterung steht, ist Bildung überlebenswichtig. „Wir brauchen eine Bildungs- und Weiterbildungsoffensive“, ist Schmauder überzeugt.

Dies belegt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ergebnis der Erhebung: Die berufliche Weiterbildung in Deutschland stagniert. Von 16 000 befragten Betrieben gaben im Jahr 2005 nur rund 43 Prozent an, Weiterbildungsaktivitäten zu betreiben. In 60 Prozent der weiterbildungsaktiven Betriebe konnten die Angestellten ihre Fortbildung während der Arbeitszeit machen, bei einem Drittel der Betriebe mussten Angestellte teilweise ihre Freizeit opfern, in sechs Prozent der Firmen spielte sich Weiterbildung komplett außerhalb der Arbeitszeit ab. „Weiterbildung ist auch ein Signal für die Qualität eines Unternehmens“, meint TÜV- Mann Schmauder und fordert: „Die Betriebe müssen in ihre Investitionsrechnung auch Bildung mit einbeziehen.“ Denn das Abschöpfen guter Leute vom Markt sei nur begrenzt möglich.

Doch auch die Arbeitnehmer nehmen Weiterbildung nach Ansicht Schmauders noch zu wenig wahr – trotz entsprechender Klauseln in vielen Tarifverträgen. Der IAB-Studie zufolge beteiligten sich 2005 nur 29 Prozent der Mitarbeiter der Betriebe, in denen Weiterbildung angeboten wurde, an Fortbildungen.

Auch die Kostenfrage und die Frage nach der Anerkennung von Abschlüssen schrecken viele ab. Dabei können Weiterbildungskurse – etwa in Phasen der Jobsuche – wertvolle neue Kenntnisse bringen. Deshalb fordern die Organisatoren des Weiterbildungstages auch von der Politik mehr Engagement. So könnte nach Siegfried Schmauders Ansicht in Gesetzen die Finanzierung und die Verzahnung von Weiterbildung besser geregelt werden. „Alle sind aufgefordert, mehr in Bildung zu investieren“, meint er.

Bianca Spieß hat bereits einiges in Bildung investiert – aber auch viel zurückbekommen, sagt sie. Als sich die Berlinerin zum Beispiel selbstständig machte, belegte sie zuvor an der Volkshochschule einen einwöchigen Existenzgründerkurs: „Da habe ich die Selbstbestätigung bekommen, dass ich das auch wirklich kann“, erzählt sie.

Für Spieß bedeutet Weiterbildung aber nicht nur berufliche Fortbildung, sondern auch das Ausleben von Kreativität. Dieser Ansicht ist auch die Schunk-Gruppe, ein Technologieunternehmen mit Sitz im hessischen Heuchelheim. Der Konzern geht mit gutem Beispiel voran und bezahlt 4000 Mitarbeitern an neun deutschen Standorten seit eineinhalb Jahren jeden beliebigen Volkshochschulkurskurs – zusätzlich zu betriebsinterner Weiterbildung. „Wir wollen unsere Mitarbeiter zum lebenslangen Lernen animieren und versprechen uns mehr Kreativität“, erklärt Geschäftsführer Dagobert Kotzur das Engagement des Unternehmens. Dafür wird er auf dem Deutschen Weiterbildungstag als vorbildlicher Unternehmer geehrt. Doch mehr noch freut er sich über die Motivation seiner Mitarbeiter. 400 Schunk-Angestellte haben bisher VHS-Lehrgänge besucht, erzählt der Chef. „Von Kochen mit dem Wok über Yoga und Tanzen bis hin zum Russisch-Kurs war alles dabei.“

Mehr im Internet:

www.deutscher-

weiterbildungstag.de

Maria Marquart

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