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Karrierefrage: Muss ich Verstöße in der Firma melden?

Nichtbeachtung der Ruhezeiten, falsche Produktetikettierung: Welche Möglichkeiten Beschäftigte haben, auf Unregelmäßigkeiten in ihrem eigenen Unternehmen zu reagieren, erklärt die Arbeitsrechtlerin Anja Mengel.

Ein Leser fragt: Ich arbeite seit ein paar Monaten in führender Position in einem Lebensmittelkonzern. Nun musste ich feststellen, dass es Unregelmäßigkeiten gibt, etwa beim Personaleinsatz (Ruhezeitenunterschreitung) und der Verarbeitung der Nahrungsmittel (falsche Etikettierung). Mein Chef lässt darüber nicht mit sich reden. Was kann ich tun, ohne meine Stelle zu gefährden?

Die Expertin antwortet: Sie sollten sich mit diesen Themen nicht sofort an die Öffentlichkeit oder die Behörden wenden. Dies kann zwar gegebenenfalls ein letzter Eskalationsschritt und auch zulässig sein, wenn es sich um sehr schwere und allgemein gesundheitsgefährdende Rechtsverstöße handelt, vor allem hinsichtlich der Nahrungsmitteletikettierung. Ihre Angaben lassen aber annehmen, dass keine unmittelbare Gesundheitsgefahr für Mitarbeiter oder Verbraucher droht. Sie sind deshalb verpflichtet, zunächst zu versuchen, das Problem durch eine interne Meldung zu lösen.

Da Ihr Vorgesetzter aber nicht adäquat reagiert, dürfen und sollten Sie sich an Führungskräfte der nächst höheren Ebene, durchaus auch an die Geschäftsleitung wenden – jedenfalls wenn schwerwiegende und/oder systematische Verstöße und Probleme vorliegen. Vereinzelte Regelverstöße, gerade zu Arbeitszeitregelungen, sind dagegen faktisch kaum zu vermeiden und auch nicht unbedingt gefährlich für die Gesundheit der Mitarbeiter. Dazu sollten Sie eher das Gespräch mit der Personalleitung suchen.

Reagieren die zuerst angesprochenen Führungskräfte unterhalb der Leitungsebene nicht lösungsorientiert, sind die Geschäftsführer zuständig. Helfen auch diese nicht weiter, haben Konzerne oft einen Aufsichtsrat zur Überwachung der Geschäftsleitung. Dieser kann ebenso konsultiert werden wie funktionale Vorgesetzte oder Ansprechpartner für Personal beziehungsweise Lebensmitteletikettierung bei der Muttergesellschaft.

Sollten diese diversen Ansprechpartner alle nicht adäquat auf Ihre Hinweise reagieren und es sich objektiv um zu behebende wesentliche Regelverstöße handeln, können Sie die Anzeige bei den zuständigen Behörden erwägen. Auch dann wäre eine Mitteilung an die Öffentlichkeit aber sorgfältig anhand der Umstände nur als Ultima Ratio zu erwägen.

Sie sollten insgesamt vorsichtig sein hinsichtlich der Meldung der Vorfälle nach außen hin. Falls Sie vorschnell und zum Schaden des Arbeitgebers externe Dritte oder gar die Medien über die Probleme informieren, kann dies eine Pflichtverletzung Ihrer arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten darstellen und eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen; auch dabei kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalles an.

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E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

Anja Mengel

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