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Karrieremesse: Schwul zum Job

Am Wochenende findet in München Europas erste Karrieremesse für Homosexuelle statt. 2011 soll sie nach Berlin kommen

Berlin - Es gibt ungefährlichere Orte für ein Coming-out als Singapur. Das war auch dem Schweden Anders Wikberg bewusst, der 2003 für ein Jahr in dem asiatischen Land lebte. Homosexuellen droht dort eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Wikberg hatte aber die Nase voll. „Ich wollte einfach nicht mehr lügen“, sagt er.

Rückblickend eine gute Entscheidung. Die Offenheit habe nicht nur die Beziehung zu Freunden und Familie gestärkt, sondern ihm auch im Beruf geholfen. Früher hatte er oft Angst, sich dort durch ein Geständnis Nachteile einzuhandeln. „Seit ich nicht mehr ständig aufpassen muss, was ich sage, kann ich mich viel besser konzentrieren“, sagt er.

Heute lebt der inzwischen 31-Jährige in München. Eine Gefängnisstrafe muss er dort nicht mehr fürchten, allerdings findet er, dass es auch hierzulande Schwulen und Lesben im Berufsleben nicht immer leicht gemacht wird. „Viele Firmen halten sich für offen, bei mir kommt das aber überhaupt nicht an.“

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Stuart B. Cameron hat Wikberg deshalb die „Milk 2010“ ins Leben gerufen – die nach eigenen Angaben erste Karriereveranstaltung Europas speziell für Homosexuelle. An diesem Freitag und Samstag findet sie erstmalig in München statt.

Den Namen borgten sich Wikberg und Cameron von Harvey Milk, dem ehemaligen Stadtrat von San Francisco. „Ein Vorbild“, sagt Wikberg. „Milk war der erste US-Politiker, der offen schwul und trotzdem erfolgreich war.“

Gedacht ist die Veranstaltung als Plattform zum Netzwerken. Parallel gibt es Vorträge zu Themen wie „Sind wir anders? – Homosexuelle Führungskräfte auf dem Prüfstand“ oder „Outing am Arbeitsplatz – Fluch oder Segen?“ Außerdem soll ein Index präsentiert werden, der Firmen vorstellt, die sich für Gleichberechtigung einsetzen.

Acht Unternehmen werden persönlich auf der Milk 2010 vertreten sein, darunter Google, SAP, Cisco und Ford. Auch Volkswagen Financial Services und IBM wollen kommen. „Wenn wir die besten Mitarbeiter für unser Unternehmen gewinnen wollen, können wir es uns gar nicht leisten, irgendjemand auszuschließen“, erklärt Uta Menges, bei IBM Deutschland für die Förderung der Mitarbeitervielfalt zuständig, ihr Engagement. Darüber hinaus sei eine bunte Mischung im Unternehmen etwas überaus wünschenswertes. Schließlich fördere das die Kreativität. Die anderen Unternehmen argumentieren ähnlich, verschweigen aber auch nicht, dass sich das Engagement positiv auf das Firmenimage auswirkt.

Über Fragen, welches Bild sie transportieren, haben auch die Veranstalter immer wieder diskutiert. Dass sie durch die Tagung eher Differenzen zwischen Homo- und Heterosexuellen in den Fokus rücken, und so die angestrebte Gleichberechtigung torpedieren könnten, nehmen sie in Kauf. „Wir glauben einfach, dass Bedarf nach einer solchen Veranstaltung besteht“, sagt Wikberg. Im ersten Jahr rechnen die Veranstalter mit bis zu 2000 Besuchern. In Zukunft soll der Kongress jährlich stattfinden, weiter wachsen und nach Berlin umziehen.

Rückendeckung bekommen die Veranstalter vom deutschen Lesben- und Schwulenverband. Die berufliche Situation von homosexuellen Menschen in Deutschland habe sich zwar verbessert, sagt Sprecherin Renate Rampf. Generell aber gelte: „Wenn es um das Besetzen von Posten geht, ist es in Deutschland immer noch so, dass heterosexuelle Menschen bei gleicher Befähigung bevorzugt werden.“ Moritz Honert

Die Milk 2010 findet am 5. und 6. März in München statt. Informationen und Programm unter www.milkmesse.de

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