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Kasino-Kapitalismus: Die Banken zocken wieder

Im Investmentbanking werden erneut Milliarden verdient. Kritiker fürchten, dass sich die Geschichte der Krise wiederholt.

Berlin - Die Geschäfte laufen wieder. Während die Realwirtschaft unter der Rezession ächzt, scheinen die Banken zurück zu alter Stärke zu finden. Die Größten der Branche haben im ersten Quartal Milliardengewinne eingefahren. Credit Suisse, Goldman Sachs, J. P. Morgan – und nicht zuletzt die Deutsche Bank. Schön, sagen die einen, die Finanzkrise könnte damit bald überstanden sein. Vorsicht, warnen die anderen. Sie fürchten, dass jetzt wieder alles von vorne losgeht.

Besonders mulmig wird den Kritikern, wenn sie lesen, wo die Banken die neuen Gewinne erwirtschaften: im Investmentbanking. Das ist der Bereich, der als Auslöser für die Krise gilt. Hier wurden die Kredite der amerikanischen Hausbesitzer zu komplizierten Wertpapieren verpackt und gehandelt. Hier wurden mit kleinstem Eigenkapital unüberschaubare Summen bewegt. Und jetzt, wo das Schlimmste überstanden scheint, weil die Steuerzahler einen Großteil der Altlasten tragen, soll alles wieder so laufen wie vorher? Ist der „Kasino-Kapitalismus“ zurück, den Bundespräsident Horst Köhler gerade als Geschäftemacherei „ohne Regeln, Augenmaß und innere Werte“ verdammt hat?

Nichts dazugelernt?

„Die Branche kann und will offenbar nichts dazulernen“, meint Joachim Poß, Finanzexperte und Fraktionsvize der SPD im Bundestag. Wer wie Deutsche- Bank-Chef Ackermann eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern anpeile, gehe „unverantwortliche Risiken“ ein, schimpfte Poß in dieser Woche. Andere Politiker sehen das ähnlich.

„Die Aufregung ist nicht gerechtfertigt“, halten Bankenexperten wie Wolfgang Gerke dagegen. Der emeritierte Professor und Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums hält es für „katastrophal“, wenn Banken dafür gescholten werden, dass sie Gewinne machen. „Eine Bank ist dazu da, Risiken einzugehen“, sagt Gerke. „Sie darf sich nur nicht verheben.“ Auch bei den Instituten selbst ist man empört. „Die Politiker wollen, dass Banken nur Sparkonten führen und Kredite vergeben“, ärgert sich ein hochrangiger Bankmanager. „Das war vielleicht vor 40 Jahren so.“

Devisengeschäft ist nicht sehr waghalsig

Ein Blick in die Bilanzen der erfolgreichen Banken verrät, dass sie vor allem im Handel mit Anleihen und Devisen viel Geld verdient haben. Ein Geschäft, das nicht als besonders waghalsig gilt – vor allem dann nicht, wenn man es im Auftrag der Kunden betreibt und nicht auf eigene Rechnung handelt. „Das gehört zum ordentlichen Geschäft“, sagt Dieter Hein, Bankenexperte beim unabhängigen Analysehaus Fairesearch.

Doch auch er kann nicht einschätzen, wie hoch die Risiken in diesen Geschäften wirklich sind. „Das kann man als Externer gar nicht nachvollziehen“, sagt der Analyst. Ein großer Teil der Geschäfte laufe über Derivate, also Ersatzgeschäfte, hinter denen nur Finanzwetten, aber keine realen Werte stehen. Wie diese gestrickt seien, wüssten die Banker oft selbst nicht, sagt Hein.

Macht Ackermann einen Fehler?

Dass derzeit nicht so stark gezockt wird wie vor der Krise, ist also mehr Hoffnung als Gewissheit. Diese stützt sich vor allem darauf, dass es für die riskanten strukturierten Kreditprodukte, die die Krise verursacht haben, derzeit keinen Markt gibt. Doch was, wenn der Markt irgendwann wiederkommt?

„Ackermann sagt, wenn die Krise vorbei ist, machen wir wieder die gleichen Geschäfte wie vorher“, erklärt Hein. Doch das sei ein Fehler. „Wenn die Steuerzahler letztendlich die Risiken tragen müssen, dann müssen sie aber auch ganz genau vorschreiben können, welche Geschäfte die Banken machen dürfen und welche nicht“, fordert Hein. Strukturierte Produkte, die so verschachtelt sind, dass sich das Risiko nicht mehr überschauen lässt, müsse man entweder verbieten oder sie an extrem hohe Eigenkapitalanforderungen knüpfen, so dass sie sich nicht mehr lohnten. Experte Gerke hält dagegen: „Bestimmte Geschäfte zu verbieten, wäre der völlig falsche Weg.“ Die meisten dieser Produkte hätten eine wichtige Funktion im Finanzsystem, etwa die Verteilung von Risiken.

Bei der Regulierung ist bislang wenig passiert

Bisher kann die Finanzbranche nicht über zu viel neue Regulierung klagen. „Es wurde viel geredet. Wirkliche Restriktionen für die Geschäfte der Banken gibt es aber noch nicht“, sagt Hein. Im Gegenteil: Die einzigen Maßnahmen, die sofort wirksam wurden, waren die Lockerungen der Bilanzregeln für die Banken. In Europa dürfen die Banken seit vergangenem Herbst Wertpapiere in der Bilanz so umbuchen, dass sie die Wertverluste nicht mehr voll abschreiben müssen. In den USA gelten seit einigen Wochen sogar noch deutlich laschere Bilanzierungsregeln. „Das verschärft die Intransparenz und macht es für die Aufseher nur noch schwieriger“, kritisiert Analyst Hein.

Ansonsten ist bisher wenig passiert. Die EU hat eine Reihe von Regelungen zur Kontrolle von Hedgefonds und Beteiligungsfirmen angekündigt. Auch Ratingagenturen sollen beaufsichtigt werden. Doch bei allem, was die Banken direkt betrifft, lahmt der Prozess. So streiten sich die Fraktionen im EU-Parlament über neue Regeln für strukturierte Produkte. Geplant ist, dass Banken Kredite künftig nicht vollständig umverpacken und weiterverkaufen dürfen, sondern einen Teil des Risikos in den eigenen Geschäftsbüchern behalten müssen. So soll vermieden werden, dass sie die Risiken allzu sorglos auf andere abwälzen können. Ein anderer Vorschlag, der die stärkere Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden vorsieht, ist noch nicht einmal in einen konkreten Entwurf gegossen.

Einen Teil der Regulierung hat der Markt inzwischen jedoch selbst übernommen: Wegen der erhöhten Unsicherheit müssen Banken derzeit mehr Eigenkapital vorweisen, wenn sie Geschäfte mit anderen Instituten machen wollen. Besonders wichtig ist dabei das sogenannte Kernkapital, das dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung stehen muss. Das Gesetz schreibt vor, dass Banken ihre ausgegebenen Kredite mit mindestens vier Prozent Kernkapital unterlegen müssen, unter acht Prozent ist es aber derzeit schwer, sich Geld zu beschaffen. Wer in riskanten Geschäftsfeldern wie dem Investmentbanking unterwegs ist, braucht sogar zehn Prozent. Wie lange diese neue Vorsicht anhält, weiß derzeit jedoch niemand.

Stefan Kaiser

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