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Wirtschaft: Kassen zahlen mehr für Medikamente Gesundheitsexperte Glaeske sieht besorgniserregende Entwicklung – und warnt vor höheren Beiträgen

Berlin - Der Anstieg bei den Arzneimittelausgaben scheint sich im zweiten Halbjahr noch zu verschärfen. Von Januar bis August 2007 gaben die gesetzlichen Krankenkassen 7,5 Prozent mehr für Pillen und Zäpfchen aus als im Vorjahreszeitraum – und damit noch einmal 0,6 Prozentpunkte mehr als im ersten Halbjahr.

Berlin - Der Anstieg bei den Arzneimittelausgaben scheint sich im zweiten Halbjahr noch zu verschärfen. Von Januar bis August 2007 gaben die gesetzlichen Krankenkassen 7,5 Prozent mehr für Pillen und Zäpfchen aus als im Vorjahreszeitraum – und damit noch einmal 0,6 Prozentpunkte mehr als im ersten Halbjahr. Arzneimittelexperte Gerd Glaeske von der Universität Bremen rechnet damit, dass der Trend auch im Gesamtjahr anhält. „Ich halte einen Kostenanstieg von sechs bis acht Prozent für 2007 für realistisch“, sagte er dieser Zeitung. Glaeske bezeichnete die Entwicklung als besorgniserregend. „Das kann sich schnell auf die Beitragssätze auswirken.“ Ein AOK-Sprecher sagte dagegen, es sei noch zu früh für eine Prognose.

Die Arzneimittelausgaben der Kassen waren im ersten Halbjahr um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Im gesamten Vorjahr hatten die Kassen knapp 25 Milliarden Euro (vor Rabatten und Zuzahlungen) für die ambulante Arzneimittelversorgung ausgegeben.

Branchenexperten sind von der zunehmenden Dynamik bei der Ausgabenentwicklung nicht überrascht. Wegen der Kostendämpfungspolitik der Bundesregierung waren die Arzneimittelausgaben im zweiten Halbjahr 2006 gesunken, auch darum fällt der Anstieg in der zweiten Jahreshälfte 2007 im Verhältnis stärker aus.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sieht den Hauptgrund für den Anstieg in der Mehrwertsteuererhöhung, die zu Jahresbeginn wirksam geworden war, und der Erstattung für Impfungen. Ohne diese Effekte wären die Ausgaben nur um 2,8 Prozent geklettert, teilte der ABDA am Montag mit. Somit seien 4,7 Prozentpunkte des 7,5-prozentigen Ausgabenwachstums in den Monaten Januar bis August „gesundheits- und finanzpolitisch“ begründet. Grund für den Anstieg der Impfkosten sei auch die (neue) Erstattungsfähigkeit von Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs und die vermehrte Inanspruchnahme von „Zecken-Impfungen“.

Arzneimittelexperte Glaeske sieht als weiteren Grund für den Kostenanstieg aber auch die verbreitete Verordnung von teuren, neuen Arzneimitteln ohne therapeutischen Zusatznutzen gegenüber älteren, billigeren Arzneimitteln. Nach seiner Einschätzung liegt der Anteil wirklich neuer, innovativer Medikamente nur bei drei bis vier Prozent. Wenn weniger dieser sogenannten Me-too-Präparate, mehr Großpackungen und mehr Generika verordnet würden, meint Glaeske, „könnten sicher bis zu zwei Milliarden Euro bei den Arzneimittelausgaben eingespart werden“.

Die Pharmaindustrie sieht das erwartungsgemäß anders. Trotz wachsender Medikamentenausgaben sieht Cornelia Yzer, Geschäftsführerin des Pharmaverbandes VFA, noch immer eine „Unterversorgung gerade bei innovativen Therapien“, wie sie gestern in Berlin sagte.

Nach einer Umfrage des Pharmaverbandes unter 45 Mitgliedsunternehmen gibt es derzeit 358 Forschungsprojekte gegen rund 110 verschiedene Krankheiten, die bis 2011 abgeschlossen sein könnten. Die überwiegende Zahl konzentriert sich auf große Zivilisationskrankheiten. So widmet sich ein Drittel dieser Projekte dem Kampf gegen Krebs, knapp 20 Prozent konzentrieren sich auf Herz-Kreislauf- und 15 Prozent auf Infektionskrankheiten. Auch die Pharmaindustrie rechnet nach früheren Angaben mit drastisch steigenden Arzneimittelausgaben. Allein für 2008 erwartet der VFA ein Plus von knapp acht Prozent.

Maren Peters

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