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Wirtschaft: Kein Draht zum Kanzler

BDI-Präsident Michael Rogowski steht vor seiner zweiten Amtszeit/Verhältnis zu Schröder ist schwer gestört

Berlin (alf). „Nach einem Bruch mit dem Bundeskanzler tritt der Industriechef zurück“, schrieb die Financial Times. Die Beobachter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zeigten sich wenig überrascht, denn der BDIPräsident hatte zum Kanzler nie einen Draht gefunden; im Übrigen nahm es der Regierungschef übel, wenn sich Kritiker respektlos über seine Politik äußerten. Das war vor zehn Jahren, als Heinrich Weiss als BDI-Präsident zurücktrat. Rücktrittsabsichten wurden Michael Rogowski nicht nachgesagt. Im Gegenteil. Am Montag wurde Rogowski in Berlin als oberster Industrielobbyist wiedergewählt. Trotz eines Verhältnisses zum amtierenden Bundeskanzler, das mindestens genauso schlecht ist wie ehedem die Beziehung von Weiss zu Helmut Kohl.

Doch anders als vor zehn Jahren stehen heute die BDI-Granden vor ihrem Präsidenten. Vor zwei Monaten sprach sich das Präsidium des Industrieverbandes einstimmig für eine zweite Amtszeit Rogowskis aus; die Wahl war damit nur noch Formsache. Eigentlich überraschend, denn Berichte über unglückliche Äußerungen Rogowskis und das schwierige Verhältnis zu Gerhard Schröder hatten Missstimmung gebracht.

Der Ärger kam mit der Flut. Die Regierung verschob die Steuerreform und nahm ferner ein angebliches Angebot der Industrie, die Körperschaftssteuer zur Bewältigung der Hochwasserschäden zu erhöhen, dankend an. Es hatte große sprachliche Verwirrung in der Wirtschaft gegeben, doch Schlitzohr Schröder wollte nur eine Botschaft verstanden haben: Wenn es sein muss, dann erhöht doch die Körperschaftssteuer, habe die Industrie signalisiert. Das brachte Rogowski in den eigenen Reihen reichlich Fragen ein, die der BDI-Präsident öffentlich beantwortete. In einem Tagesspiegel-Interview, eine Woche vor der Bundestagswahl, warf er Schröder einen „hinterhältigen Stil“ vor. Dass sich der Kanzler bei ihm für die Nummer mit der Körperschaftssteuer bedankt habe, sei „süffisant“. Schröder habe ihm „eins auswischen“ wollen, „dabei hatte er zuvor gar nicht mit mir gesprochen“. Wohl in der sicheren Erwartung, dass Schröder ein paar Tage später abgewählt werden würde, ließ sich Rogowski zu der Äußerung hinreißen, er „erwarte vom Kanzler ein anderes Format“. Und dann wurde Schröder wiedergewählt.

Doch schon am Wahlabend setzte der BDI-Präsident seine Serie unglücklicher Wortbeiträge fort, indem er in die Kameras klagte, die FDP habe den Regierungswechsel verpatzt. Weitere vier Jahre mit Schröder – damit hatte Rogowski nicht mehr gerechnet. Und nun? Schröder ist zwar nicht so nachtragend wie sein Vorgänger, aber wie man hört, will der Kanzler mit Rogowski nicht mehr viel zu tun haben. Das hängt auch zusammen mit der Jahrestagung des BDI im vergangenen Sommer, auf der Spaniens Ministerpräsident wie ein echter Freund der deutschen Industrie und der deutsche Bundeskanzler wie ein Maschinenstürmer begrüßt wurde. Diese Art der Gastfreundschaft, kurz vor der Wahl, als niemand mehr einen Cent auf Schröder setzte, war den Beziehungen nicht zuträglich. Schlechte Beziehungen kann sich der BDI indes nicht leisten. Findet Rogowski keinen Draht zum Kanzler, dann wird seine zweite Amtszeit schwierig.

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