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Wirtschaft: Keine Garantie für gläserne Produktionskette

Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) kann das Versprechen von der "gläsernen Produktionskette" nicht einlösen. Der Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel ist in Deutschland längst gang und gebe - doch der Verbraucher ahnt davon nichts.

Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) kann das Versprechen von der "gläsernen Produktionskette" nicht einlösen. Der Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel ist in Deutschland längst gang und gebe - doch der Verbraucher ahnt davon nichts. "Gentechnisch veränderte Futtermittel sind bei uns schon lange Realität", sagt Klaus Kliem, der Präsident des Bauernverbandes in Thüringen. "Jetzt müssen wir damit umgehen."

Noch hat die Wissenschaft zwar nicht definitiv geklärt, ob die gentechnisch veränderten Bestandteile aus dem Rindermischfutter nicht im Sonntagsbraten wieder auftauchen können; die überwiegende Mehrheit der Verbraucher lehnt Gentechnik in Nahrungsmitteln aber trotzdem ab. Ungeachtet dessen werden in Deutschland und Europa jährlich rund 40 Millionen Tonnen Futtermittelausgangsstoffe wie Sojaschrot und rund 15 Millionen Tonnen Sojabohnen importiert. Die meisten dieser Produkte stammen nach Angaben des Europäischen Verbandes der Futtermittelhersteller aus Amerika, wo fast 80 der Sojapflanzen gentechnisch verändert sind. Ein klare Trennung von Gen-Soja und genfreiem Soja ist kaum möglich.

Die EU-Länder sind auf die Importe angewiesen, weil sie aus eigener Produktion nur ein Viertel der Nachfrage an Proteinen für die Tierernährung decken können. Nach der BSE-Krise und dem Tiermehl-Verfütterungsverbot ist die Nachfrage noch größer geworden: Auf der Suche nach einem Ersatz für das eiweißreiche Viehfutter haben die Hersteller mehr Gen-Soja aus Übersee geordert. Weder in den USA noch in Kanada gibt es eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Futtermittel.

Die Deutschen Bauern sehen sich in einer Zwickmühle. Sie wissen, dass sieben von zehn EU-Bürgern Gentechnik in ihren Nahrungsmitteln ablehnen. Nach der jüngsten Eurobarometer-Umfrage legen knapp 95 Pozent der EU-Bürger Wert darauf, zwischen gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und konventionellen Erzeugnissen wählen zu können. Dieses Wahlrecht würden die Bauern ihren Kunden auch gerne garantieren: "Der Verbraucher entscheidet, welche Nahrungsmittel er will", sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, aber eine Garantie gibt es nicht. Auch in der Europäischen Union müssen gentechnisch veränderte Futtermittel noch nicht gekennzeichnet werden. Die Bauern können nur ahnen, was im Futtersack ist, eine Garantie können sie dem Verbraucher nicht geben.

Bei Paul-Heinz Wesjohann ist das anders. Der Chef der PHW-Gruppe, die Hähnchen der Marke Wiesenhof verkauft, hat für sein Unternehmen ein eigenes Kontrollsystem auf die Beine gestellt - mit Rücksicht auf Verbraucherwünsche. "Die Befürchtung, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel beispielsweise Allergien oder andere Krankheiten auslösen, kann wissenschaftlich nicht zu 100 Prozent widerlegt werden", sagt Wesjohann. Seit Oktober 2000 holt er das Sojaschrot für seine Hühner selbst aus Süd-Brasilien und verarbeitet es in eigenen Futtermühlen. "Das Futter wird garantiert ohne gentechnisch verändertes Soja hergestellt", sagt Wesjohann. Der Verbraucher, sagt Wesjohann, sei bereit, die höheren Kosten zu bezahlen.

Auf ein lückenloses Kontrollsystem à la Wiesenhof oder zumindest eine Kennzeichnungspflicht drängen auch Bauern und Verbraucherschützer. "Wir brauchen auch für die Bio- und Gentechnik Offenheit und Transparenz", sagt Bauernpräsident Sonnleitner, der den Verbraucher nach der BSE-Krise nicht noch einmal verprellen will. Erst dann habe der Verbraucher tatsächlich eine Wahlfreiheit. Transparenz sei aber nur mit klaren Kennzeichnungsregeln und glaubwürdigen Toleranzwerten möglich.

Dafür ist auf EU-Ebene allerdings keine Mehrheit zu bekommen. Die Kommission hat zwar im Juli 2001 Vorschläge für eine Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen in Lebens- und Futtermitteln erarbeitet, aber bis heute hat das EU-Parlament noch nicht darüber beraten. "Die Positionen zwischen den Mitgliedstaaten sind weit auseinander", heißt es aus dem Verbraucherministerium. Heftiger Gegendruck kommt auch von den amerikanischen Erzeugern, die herzlich wenig Verständnis für die Sorgen der Europäer haben. "Diese Kennzeichnung ist verwirrend, irreführend und überflüssig", sagt Bart Ruth, Präsident der American Soybean Association. Sie haben Angst, dass ihnen das Geschäft wegbricht. Nur eine Hoffnung bleibt den deutschen Bauern und Verbrauchern noch: Eine freiwillige Verpflichtung auf gen-freie Produktion über das geplante neue Qualitätssicherungssiegel ("QS").

pet

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