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Wirtschaft: Keine Wende auf dem Arbeitsmarkt bis 2004

Mehr Erwerbslose im Jahresvergleich trotz leichter Belebung im Mai / 170 000 Ausbildungsplätze fehlen

Berlin (obu). Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) schließt eine Belebung des Arbeitsmarktes in diesem Jahr aus. „Das ist noch nicht die Trendwende“, sagte BAPräsident Florian Gerster am Donnerstag in Nürnberg zu den aktuellen Arbeitsmarktzahlen. Im Mai registrierten die Arbeitsämter 4,342 Millionen Arbeitslose, das waren 153000 weniger als im April, aber 396000 mehr als vor einem Jahr. Auch beim Thema Ausbildungsplätze wollte Gerster „keine Entwarnung geben“. Derzeit fehlen 170000 Ausbildungsplätze. In Berlin-Brandenburg stieg die Arbeitslosigkeit im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 48676 auf 565280 Personen.

„Dies ist zwar noch keine Trendwende, aber es ist ein positives Anzeichen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) in Berlin. Dagegen meinte der Generalssekretär der CDU, Laurenz Meyer, die „milliardenschweren Programme“ der Bundesregierung seien „wirkungslos verpufft“. Der Lage auf dem Arbeitsmarkt werde immer dramatischer. Die Arbeitslosigkeit ging im Mai zwar gegenüber April zurück und liegt nun bundesweit bei 10,4 Prozent. Im Vergleich mit dem Vorjahresmonat stieg die Zahl der Jobsuchenden jedoch um 396000. In Westdeutschland zählten die Arbeitsämter im Mai 2,714 Millionen Arbeitslose, die Quote beträgt hier 8,2 Prozent. Im Osten lag die Quote mit 18,6 Prozent mehr als doppelt so hoch. In den neuen Bundesländern suchen inzwischen 1,627 Millionen Personen Arbeit.

In einer besonders kritischen Situation befindet sich die Bauwirtschaft. 269000 Bauarbeiter waren im Mai ohne Job – die Arbeitslosenquote beim Bau kletterte damit auf 39,6 Prozent. Besonders groß war der Zuwachs mit sechs Prozent in den alten Bundesländern. Im Mai wurde in Deutschland überraschenderweise erstmals seit 15 Monaten ein Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit erreicht. Die BA führte dies auf den erhöhten Druck der Arbeitsämter zurück. Es hätten sich deutlich mehr Arbeitslose bei den Ämtern abgemeldet. BA-Vorstandschef Gerster bezeichnete die jüngste Entwicklung als „vergleichsweise günstig“.

Dennoch wird eine Trendwende auch in den nächsten Monaten nicht von der Bundesanstalt erwartet. „In diesem Jahr schließe ich eine Belebung des Arbeitsmarktes aus“, sagte Gerster. Nach Ansicht von Experten droht zum Anfang nächsten Jahres sogar ein Negativrekord von erstmals mehr als fünf Millionen Arbeitslosen. Heinrich Alt, Vorstandsvize der BA, widersprach diesen Befürchtungen. Auch Gerster verwies auf das erwartete Anziehen der Konjunktur im zweiten Halbjahr.

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich trotz der saisonüblichen Belebung ebenfalls weiter zugespitzt. Derzeit betrage die Lücke 170000 Lehrstellen, teilte die BA mit. Diese werde sich bis zum Herbst aber noch verringern. Die Bundesanstalt erwartet, dass im September zwischen 60000 und 70000 Ausbildungsplätze fehlen werden. Trotz dieser Zahlen sprach sich Gerster gegen eine Ausbildungsplatzabgabe für Unternehmen aus, die nicht ausbilden. „Die Wirtschaft hat ein Interesse daran, dass das duale System nicht von innen her ausgehöhlt wird“, sagte der BA-Chef. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte ein Eingreifen des Gesetzgebers angekündigt, wenn die Lehrstellenlücke von der Wirtschaft bis Herbst nicht geschlossen werde.

In Berlin und Brandenburg ist die Frühjahrsbelebung fast völlig ausgeblieben. Im Mai waren in der Region 565280 Menschen arbeitslos. Die Quote ging damit gegenüber April um 0,3 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent zurück. Vor einem Jahr lag sie mit 16,8 Prozent aber noch 1,6 Prozent niedriger. In Berlin selbst waren 311796 Personen arbeitslos gemeldet. Die Quote liegt hier bei 18,4 Prozent. Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) forderte von den Unternehmen mehr Engagement für Beschäftigung und Ausbildung. Seine Verwaltung habe in dieser Richtung bereits „ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht“. Auch habe der Senat über die Verbundausbildung in diesem Jahr 3000 Ausbildungsplätze finanziert.

Der Sozialverband VdK zeigte sich am Donnerstag vor allem um die Jobsituation für ältere Arbeitnehmer besorgt. Der Verband startete eine bundesweite Plakataktion, um für die Beschäftigung Älterer zu werben. 60 Prozent der Unternehmen beschäftigen gegenwärtig keine Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre sind. Zudem forderte VdK-Präsident Walter Hirrlinger die Unternehmen auf, mehr Schwerbehinderte einzustellen.

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