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Gutachter müssen jetzt feststellen, wie hoch der Schadenersatz ist, den die Deutsche Bank zahlen soll

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Kirch-Prozess: Glaube oder Wahrheit

In der Urteilsbegründung zum Kirch-Prozess werfen Richter der Deutschen Bank vor, gelogen zu haben. Das Institut will jetzt vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Von Carla Neuhaus

Es sind 116 Seiten, die es in sich haben. Ausführlich haben die Richter des Oberlandesgerichts München aufgeschrieben, warum die Deutsche Bank den Erben von Leo Kirch Schadenersatz zahlen muss. Im Dezember hatte das Gericht die Bank verurteilt und eine Berufung ausgeschlossen. Die Aussagen der Top-Manager im Prozess seien „schlicht inkonsistent“ und teilweise „ersichtlich unrichtig“, heißt es in der Urteilsbegründung, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Die Richter erheben schwere Vorwürfe gegen den früheren Bankchef Rolf Breuer, gegen den ehemaligen Aufsichtsratschef Clemens Börsig und gegen den amtierenden Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen. Zwar sind die Namen der Manager anonymisiert, die Aussagen lassen sich aber leicht zuordnen. So sind die Angaben, die Fitschen machte – Herr F. genannt – nach Ansicht der Richter schlichtweg „unrichtig“.

Besonders hart trifft die Urteilsbegründung den früheren Bank-Chef Rolf Breuer. Seine Aussage spielte im Prozess eine entscheidende Rolle. Breuer hatte sich Anfang 2002 kurz vor der  Insolvenz der Kirch-Gruppe zur Kreditwürdigkeit des mittlerweile verstorbenen Medienunternehmers geäußert. Er stellte vor laufender Kamera infrage, dass Kirch auf weitere Hilfen vonseiten der Banken hoffen könne. Konkret geht es um einen etwas verschwurbelten Satz Breuers: „Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

Nach Ansicht von Kirchs Erben führte genau dieser Satz zur Insolvenz des angeschlagenen Unternehmens. Vor Gericht soll Breuer später gesagt haben, er sei von der Frage zu Kirchs Zahlungsfähigkeit überrascht worden. Mit seiner Aussage habe er verhindern wollen, dass aus seinem Schweigen „negative Schlussfolgerungen gezogen werden“ könnten. Genau das haben die Richter ihm allerdings nicht abgenommen. Diese Erklärung sei „nicht nachvollziehbar und ersichtlich unwahr“, heißt es jetzt in der Urteilsbegründung.

Dabei räumen die Richter gleichzeitig ein, die Kirch-Gruppe sei bereits am Tag vor dem TV-Interview mit Breuer „faktisch zahlungsunfähig“ gewesen. Die Deutsche Bank beruft sich darauf, ihr Chef habe damals nur „allgemein Bekanntes“ gesagt. Das Gericht meint allerdings, Breuer sei zuzurechnen, „durch seine Äußerung die Möglichkeit einer Sanierung ohne Annahme des eigenen Angebots ausgeschlossen und dadurch bewusst und gewollt einen Wertverlust von Vermögensgegenständen für diesen Fall herbeigeführt zu haben“.

Auch Clemens Börsig, einst Finanzvorstand der Deutschen Bank und bis Ende Mai 2012 Aufsichtratschef, wird in der Urteilsbegründung scharf angegangen. Er wollte nach Einschätzung der Richter „dem Senat bewusst und gezielt eine unzutreffende Darstellung unterschieben“. Börsig war vor Gericht zu einem englischsprachigen Vorstandsprotokoll befragt worden, in dem es um ein Beratungsangebot für Kirch durch die Deutsche Bank ging. Zwei vom Gericht beauftragte Sachverständige kamen zu dem Ergebnis, dass die Aussagen Börsigs dazu nur nachvollziehbar seien, wenn er „über Sprachkenntnisse verfügt, die geringer als solche nach zwei Jahren Schulunterricht in Englisch“ seien. Soll heißen: Ihrer Meinung nach kann Börsig kein Englisch – was die Richter nicht glauben – oder aber der frühere Finanzvorstand hat gelogen.

Mit Fragen wie diesen darf sich bald wohl der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Weil das Oberlandesgericht eine reguläre Revision nicht zugelassen hat, kündigte der Bankkonzern am Mittwoch an, Beschwerde vorm BGH einzulegen. Damit dürfte der seit mehr als zehn Jahren andauernde Rechtsstreit in die nächste Runde gehen. „Wir halten die Entscheidung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen für falsch“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. „Wir sind überzeugt davon, dass die Aussagen der seinerzeitigen Vorstandsmitglieder der Wahrheit entsprechen.“

Wie viel Schadenersatz die Deutsche Bank den Kirch-Erben zahlen muss, steht noch nicht fest. Verklagt hatten die Erben die größte deutsche Bank auf rund zwei Milliarden Euro. Jetzt sollen Gutachter die genaue Höhe des Schadens ermitteln, der durch die Pleite der Kirch-Gruppe entstanden ist. mit dpa/rtr

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