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Nebenwirkungen.

© dpa

Klage gegen Bayer: Schering-Präparat soll Missbildungen verursacht haben

Betroffene haben den Pharmakonzern Bayer verklagt: Das Präparat Duogynon, das bis 1980 als Schwangerschaftstest auf dem Markt war, soll schwere Missbildungen verursacht haben.

Berlin - André Sommer hatte keinen leichten Start ins Leben. Der 34-Jährige kam mit schweren Missbildungen am Unterleib zur Welt, seine Blase befand sich außerhalb des Körpers. Heute glaubt der Grundschullehrer zu wissen, wer für sein Leid verantwortlich ist. Sommers Mutter hat 1975 das Mittel Duogynon des Berliner Pharmakonzerns Schering eingenommen, ein Schwangerschaftstest. Sommer glaubt, dass dieses Medikament seine Missbildungen verursacht hat. Zwölf Mal musste er operiert werden. Er lebt mit einen künstlichen Blasenausgang.

Am Dienstag hat sich erstmals eine Zivilkammer des Berliner Landgerichts mit dem Fall befasst. Sommer hat den Pharmakonzern Bayer verklagt, der 2006 Schering und damit auch die Verantwortung für das Präparat Duogynon übernommen hatte. Er will Einsicht in alle Dokumente des Konzerns zu dem Mittel – und zu seinen Nebenwirkungen. Bayer will diese Einsicht nicht gewähren. Der Vorwurf sei bereits abschließend geklärt und zudem verjährt. Auch bestreitet der Konzern den Zusammenhang zwischen Duogynon und Missbildungen bei Kindern. 1980 war bereits ein Duogynon-Prozess gegen Schering eingestellt worden. Sommers Anwalt Jörg Heynemann stützt sich auf Daten des Bundesgesundheitsamtes. „Es gibt Spontanmeldungen von Ärzten, die zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon und Missbildungen gibt.“

Zwar wurde am Dienstag in Berlin kein Urteil gesprochen, der Richter wies jedoch darauf hin, dass der Auskunftsanspruch nicht bestehen dürfte, „da Schadenersatzansprüche seit 2005 verjährt sind“. Die Verjährung ende 30 Jahre nach der Handlung, also nach der Einnahme von Duogynon. Die Kläger argumentieren dagegen mit der gefährlichen Wirkung der Arznei, die bis heute Probleme verursache. Erst 2005 musste Sommer eine große Operation über sich ergehen lassen.

Das Gericht will Anfang 2011 ein Urteil fällen. Sollte es zugunsten von Bayer ausfallen, wollen die Kläger in Berufung gehen. „Wir werden weitermachen, denn meine Behinderung verjährt nicht“, sagte Sommer nach der Verhandlung, zu der auch andere Betroffene gekommen waren. „Auf unser Gesprächsangebot ist Bayer nicht eingegangen“, kritisierte Anwalt Heynemann. Man sei sehr enttäuscht, dass der Konzern sich in die Verjährung flüchte. Falls Sommer die Unterlagen einsehen darf und einen Zusammenhang zwischen Missbildungen und der Einnahme des Präparats erkennbar ist, hofft er auf Schadenersatz. Und nicht nur er: Der Lehrer hat eine Internetseite eingerichtet, auf der sich mehr als 250 weitere Opfer gemeldet haben. In den 60er und 70er Jahren hatten viele Frauen das Medikament genommen, um eine Schwangerschaft nachzuweisen. Schering hatte Duogynon 1950 eingeführt, 1980 wurde es in Deutschland vom Markt genommen.

Sommer setzt große Hoffnungen in den Prozess. Es sind Dokumente aus Großbritannien aufgetaucht, wonach Schering schon Ende der 60er Jahre von britischen Kollegen über mögliche Missbildungsrisiken informiert worden sein soll. „Der Vorwurf ist, dass Schering informiert war, aber das Mittel nicht rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen hat“, sagt Heynemann.Jahel Mielke

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