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Wirtschaft: Kleine ganz groß

Nischenanbieter können vom Marken-Ausverkauf profitieren

Das große Aufräumen in den Produktportfolios der Konsumgüterkonzerne bedeutet nicht immer, dass bekannte Marken verschwinden. Besonders spezialisierte Nischenanbieter haben die Chance, wertvolle Marken von den Großen zu übernehmen. So zog sich Nestlé Deutschland im April aus dem Milchgeschäft zurück und verkaufte die Labels Bärenmarke, Glücksklee und Lünebest an die Molkerei Hochwald. Die Milchspezialisten (Jahresumsatz: 640 Millionen Euro) aus der Pfalz produzierten bisher überwiegend No-Name-Produkte. Das soll sich jetzt ändern. „Mit der Übernahme der klassischen Marken können wir ganz neue Geschäftsfelder erschließen“, sagt Hochwald-Geschäftsführer Karl-Heinz Engel.

Als Grund für den Verkauf der Milchsparte gab Nestlé an, sich auf „renditestarke Produkte mit führender Marktposition“ konzentrieren zu wollen. Im Klartext: Selbst der Branchenriese Nestlé war in diesem Marktsegment zu klein. Während Hochwald rund 1,1 Milliarden Kilogramm Milch pro Jahr verarbeitet, waren es bei Nestlé nur rund 300 Millionen Kilogramm. „Die Hersteller brauchen große Mengen, um kostengünstig produzieren zu können“, sagt Andreas Kaapke, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung an der Uni Köln. Zu groß sei der Preisdruck der Discounter.

Aus ähnlichen Gründen wie Nestlé verkaufte auch Kraft Foods Deutschland im April seine Marke Reis-Fit an den spanischen Reis- und Zuckerkonzern Ebro Puleva (Umsatz: 2,1 Milliarden Euro). Mit der Akquisition von Reis-Fit für 27 Millionen Euro werden die Spanier nach eigenen Angaben zum Marktführer auf dem deutschen Reismarkt. Eine führende Position hatte der Konzern bisher schon durch seine Marke Oryza bei lose abgepacktem Reis. Mit Reis-Fit wird Ebro jetzt auch bei Kochbeutelreis in Deutschland die Nummer Eins.

Mittelständlern wie Hochwald oder Ebro kommt zugute, dass sie den großen Konsumgüterkonzernen wie Unilever, Procter & Gamble oder Nestlé nicht gefährlich werden können. „Keiner will die anderen Großen durch den Verkauf einer Marke stärken“, sagt Handelsexperte Kaapke. „Häufig halten es die Markenartikler für strategisch sinnvoll, eine Marke nicht an einen direkten Konkurrenten zu verkaufen.“ Davon profitierte auch die ostdeutsche Fit GmbH. Bereits vor drei Jahren kaufte der sächsische Waschmittelproduzent die Marken Rei und Sanso von Procter & Gamble und entwickelte die Produkte konsequent weiter. Heute ist Fit auf dem Waschmittel-Markt in den Neuen Ländern Marktführer und bundesweit die Nummer Drei.

Maurice Shahd

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