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Kriminalität: Neue Beweise für Schmiergeldzahlungen bei Siemens

Verdeckte Hilfen für die AUB: Im Siemens-Prozess stützen Fahnder den Verdacht, dass der Konzern sich eine genehme Arbeitnehmerorganisation gekauft hat. Auch die Betrugsvorwürfe gegen den ehemaligen Chef der AUB erhärten sich.

Im Prozess um millionenschwere Siemens-Zahlungen an die umstrittene Arbeitnehmerorganisation AUB haben Steuerfahnder weitere Beweise für den verdeckten Aufbau einer Gegengewerkschaft im Siemenskonzern präsentiert. Die Unterstützung der AUB habe schon Anfang der 1990er Jahre begonnen, berichtete der leitende Fahnder am Donnerstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Ein enges Geflecht an Firmen und weitreichende Rahmenverträge machten die Zahlungen möglich. Im Gericht vorgelegte Dokumente belegten, dass die Stärkung der AUB schon vor Jahren für Unruhe im Konzern sorgte. Auch der Betrugsvorwurf gegen den früheren AUB-Bundesvorsitzenden Wilhelm Schelsky wurde erhärtet. Schelskys Anwalt kündigte für nächsten Dienstag ein Teilgeständnis zum Vorwurf der Steuerhinterziehung an.

Nach Erkenntnissen der Steuerfahnder war die AUB aufgrund ihrer niedrigen Mitgliederzahlen und -beiträge ohne externe Finanzierung nicht überlebensfähig. Die verdeckten Zahlungen flossen über eine Gruppe von fünf bis sechs Unternehmen, an denen Schelsky beteiligt war. So erhielt Schelsky etwa von der Firma Sicon von 1991 an 52.000 DM monatlich für Beratungen und Schulungen. Diese seien Siemens weiterbelastet worden, erläuterte der Steuerfahnder. Dazu kaufte Sicon Gebäude an, die Siemens zu einem höheren Betrag zurück erwarb. Die Differenz ging an Schelsky. Dieses Konstrukt war streng geheim und mit Wissen des Zentralvorstands vereinbart, hieß es in einem Aktenvermerk der Prüfer. Der Vorstand habe auch spätestens von 2002 an von einem Darlehen von 8,9 Millionen Euro an eine von Schelskys Firmen gewusst.

"Mehr als gute Karriere" für Schelsky

"Allgemein kann man sagen, dass Herr Schelsky ab seiner Betriebsratstätigkeit eine mehr als gute Karriere gemacht hat", schilderte der Beamte. Dies sei auch nach seinem offiziellen Ausscheiden aus dem Unternehmen der Fall gewesen. "Es war gewollt, dass Herr Schelsky praktisch ein Gehalt und eine Siemens-Rente erhält." In mehreren Verträgen wurden dem Ex-Siemensianer etwa ein Rückkehrrecht, ein fortgesetzter Versicherungsschutz für seine Familie sowie Hinterbliebenenversorgung zugesichert. Nicht alle Zusatzverträge wurden in die Personalakte aufgenommen.

Der zunehmende Einfluss der AUB sorgte offenbar schon früh für Unruhe im Siemens-Konzern. Im Protokoll einer Aufsichtsratssitzung von 1997 ist vermerkt, dass es Zweifel an dem ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gab. Auch wurde der Verdacht geäußert, dass Siemens die AUB finanziell unterstützte. Diese Vorwürfe wurden jedoch vom Tisch gewischt. Auch wurde wiederholt angeprangert, dass leitende Angestellte Betriebsratskandidaten für die AUB rekrutierten.

Unterhaltszahlungen als Gehalt verbucht

Das Gericht präsentierte mehrere Dokumente, aus denen hervorgeht, dass die AUB bewusst als Gegenmacht zur einflussreichen IG Metall im Konzern aufgebaut werden sollte. In einem mit dem früheren Siemens- Zentralvorstand Günter Wilhelm abgestimmten Hintergrundpapier etwa hatte Schelsky bereits 1993 festgehalten, dass er sich nach Aufforderung durch Siemens als Unternehmensberater selbstständig gemacht habe, um in enger Absprache die Mitbestimmung im Konzern zu beeinflussen. Dass die Informationen brisant waren, war den Akteuren offenbar bewusst: "Dieses Papier ist aus Sicherheitsgründen zu vernichten."

Schelsky und der frühere Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer müssen sich seit Mittwoch wegen verdeckter Zahlungen in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro zum Aufbau einer Gegengewerkschaft zur IG Metall verantworten. Ihnen wird unter anderem Steuerhinterziehung vorgeworfen. Zu diesem Vorwurf im Rahmen privater Angelegenheiten will Schelsky nächste Woche Stellung nehmen. Die Steuerfahndung präsentierte am Donnerstag Beweise, wonach etwa die Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Frau als Gehalt verbucht worden waren. (ck/AFP)

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