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Wirtschaft: La Ola für die Wirtschaft

Zuerst kommt der Konsum, dann die Investitionen. Die WM hat Werbung für Deutschland gemacht – im In- und Ausland

Die Kölner sind dafür bekannt, dass sie während der sechs Tage vor Aschermittwoch konkurrenzlos viel Bier trinken. Doch neben der fünften Jahreszeit gab es in diesem Jahr noch eine sechste: die WM. „Jeder Tag war wie Weiberfastnacht oder Rosenmontag – nur bei 30 Grad“, jubelt die Privatbrauerei Gaffel. Doch nicht nur die Gastronomie hat vom wochenlangen Ausnahmezustand profitiert, sondern auch die Gesamtwirtschaft. Da ist sich Heinrich Bayer, Konjunkturexperte der Postbank, sicher. Das Institut hatte vor der WM prognostiziert, dass das Großereignis zu 0,3 Prozent mehr Wirtschaftswachstum führen würde. „Wir gehörten damit zu den Optimisten“, sagte Bayer dem Tagesspiegel am Sonntag. Angesichts der „genialen Stimmung in diesem Land“ sei er nun auch „optimistischer denn je, dass die positiven Effekte tatsächlich eintreffen“.

Bei einzelnen Branchen habe es durch die WM „eine Sonderkonjunktur, kurz und knackig,“ gegeben. Zu den direkten Gewinnern zählt Bayer die Gastronomie und die Elektronikhändler. Die Deutschen hätten schätzungsweise für zwei bis drei Milliarden Euro zusätzlich konsumiert, die Gäste aus dem Ausland für eine Milliarde Euro.

Andere Branchen, die wegen der WM die Zurückhaltung der Verbraucher gespürt haben, erwarten jetzt einen Nachholeffekt – so zum Beispiel die Reiseveranstalter. Denn mit dem letzten Spiel denken die Leute auch wieder an die Organisation ihres Urlaubs. Und zwar nicht nur die deutschen Touristen. „Die WM wird den Trend zum Städtetourismus in Deutschland noch verstärken“, sagt Ulrike Regele, Referatsleiterin Tourismus beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Sie erwartet auch zusätzliche Gäste aus dem Ausland. Die WM-Städte München, Stuttgart und Hamburg würden profitieren, weil ihre vorhandene Bekanntheit noch verstärkt worden sei. Besonders große Hoffnungen könne sich Berlin machen. „Die Fanmeile ist um die Welt gegangen. Sowas hat es noch nie gegeben“, sagt Regele. Durch die perfekt organisierte WM habe sich Deutschland nebenher auch noch als Veranstaltungsort für Kongresse und Tagungen empfohlen.

Ausländische Unternehmer lässt das Fußballereignis ebenfalls nicht kalt. Als Jutta Ludwig am vorvergangenen Freitag in ihrem Hotelzimmer in Schanghai mitten in der Nacht den Fernseher ausmachte, stand es 0:0. Dass Deutschland das Viertelfinale gegen Argentinien doch noch gewann, verpasste sie trotzdem nicht: „Deutschland! Deutschland!“ rief die Chinesin im Nachbarzimmer – so laut, dass Ludwig, die Geschäftsführerin der deutschen Außenhandelskammer in Peking, wieder aufwachte. „Die Chinesen waren total WM-begeistert“, sagt sie. Vor allem aber waren sie Deutschland-begeistert. „Deutschland hatte hier immer schon einen Qualitätsruf“, sagt die Kammerchefin. Durch die WM und die permanente Berichterstattung über Deutschland seien „Interesse und Hochachtung“ noch verstärkt worden. „Man wendet sich doch gerne einem Land zu, von dem immer lachende Gesichter gezeigt werden.“ Jetzt hofft Ludwig, dass die öffentliche Beachtung zu noch intensiveren Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und China führen wird.

Dass die WM gute Werbung für den Standort Deutschland gemacht hat – da ist sich auch Ulrich Hoppe, Geschäftsführer der deutschen Außenhandelskammer in London, sicher. „Die WM hat uns ein deutlich positiveres Image bei den Briten verschafft.“ Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht: „Deutschland, das war immer so düster, da fehlen die Konsumenten“ – so habe man es vorher auf der Insel gesehen. Die WM-Bilder aber hätten Lebensfreude und Optimismus gezeigt. „Die britischen Unternehmer waren sehr positiv überrascht“, erzählt Hoppe. Vor allem Mittelständler könnte die WM nach Deutschland locken. Die Großen investierten unabhängig vom Fußball. „Für kleine Unternehmen aber ist eine emotionale Verbundenheit wichtig“, sagt Hoppe.

Die Skeptiker unter den WM-Experten haben ihre Meinung allerdings nicht geändert. Gert Wagner, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), erwartet nicht, dass sich die Euphorie kurz- oder langfristig zählbar positiv niederschlagen wird. „Für ausländische Unternehmer ist entscheidend, welche Erfahrungen sie mit der Wirtschaft in Deutschland gemacht haben“, sagt Wagner. „Im Ausland gelten wir ohnehin als guter Standort.“ Wenigstens eins könnte aber die WM-Euphorie bringen, schätzt Wagner: ein besseres Bild der Deutschen von sich selbt.

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