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Wirtschaft: Länder fordern: 24 Stunden einkaufen

Die meisten Bundesländer wollen den Ladenschluss abschaffen – nur der Sonntag ist tabu

Düsseldorf - Zehn der 16 Bundesländer streben eine weitreichende Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten an. Sie sind bereit, die Öffnungszeiten an Werktagen völlig freizugeben. Das ergab eine Umfrage des Handelsblattes unter allen Bundesländern. Nur das Saarland will der Umfrage zufolge die Ladenöffnungszeiten nicht ausweiten, fünf Länder sind noch unentschlossen (siehe Kasten).

Jetzt muss Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Voraussetzungen für eine Freigabe des Ladenschlusses schaffen. Am weitesten reichen die Pläne in Brandenburg. Die Landesregierung hält eine völlige Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten für denkbar und schließt in ihre Überlegungen auch die Sonntage ein. Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) sagte dem Handelsblatt: „In längeren Öffnungszeiten sehe ich auch die Chance für mehr Arbeit. Wenn der Einzelhandel verbindlich erklärt, dass er zusätzliche Arbeitsplätze schafft, soll er aufmachen können, wann er will.“ Die anderen Bundesländer, die eine Liberalisierung der Öffnungszeiten anstreben, machen sich für das „Modell 6 x 24“ stark. Es sieht vor, dass Händler von Montag bis Samstag jeweils 24 Stunden öffnen dürfen. An einem weitgehenden Schutz der Sonn- und Feiertage wollen diese Länder jedoch festhalten.

Vergangene Woche hatten Bayern und Hessen angekündigt, die Beschränkungen von Montag bis Samstag aufheben zu wollen. Auch Niedersachsen steht in den Startlöchern: Man werde „umgehend die Freigabe von Montag bis Samstag umsetzen“, sobald der Bund den Ländern die Kompetenz dazu übertragen habe, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP).

Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehenden Öffnungszeiten, deren Regelung derzeit noch in der Hand des Bundes liegt, für grundgesetzkonform erklärt und den Schutz des Sonntags bekräftigt. Die Richter wiesen im Juni jedoch daraufhin, eine grundlegende Neuregelung der Ladenöffnungszeiten müsse Ländersache sein. Clement hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, die Lockerung der Öffnungszeiten sei ein wichtiges Element seiner 29 Punkte umfassenden Agenda zum Bürokratieabbau. Clement kann den Wünschen der Länder auf zwei Wegen entsprechen. Variante eins: Der Bund könnte seine aus dem Grundgesetz abgeleitete Zuständigkeit für den Ladenschluss per Gesetz auf die Länder übertragen. Variante zwei: Das Thema wird Gegenstand der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern in der Föderalismuskommission. Die Kommission hat das Ziel, das im Grundgesetz geregelte Beziehungsgeflecht zwischen Bund und Ländern zu vereinfachen.

Baden-Württemberg hat eine Initiative im Bundesrat gestartet und fordert darin den Bund zum „umgehenden gesetzlichen Handeln auf“. Gegenwind kommt aus der SPD. Klaus Brandner, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht keinen „akuten Handlungsbedarf“. „Das alte Gesetz ist erst ein Jahr alt. Wir sollten zunächst die Erfahrungen aus den längeren Öffnungszeiten am Samstag bis 20 Uhr auswerten, bevor wir wieder etwas entscheiden.“

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi steht einer weiteren Liberalisierung skeptisch gegenüber. Verdi-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold appelliert an die Abgeordneten, an der aktuellen Regelung nichts zu ändern. Unterstützung erhält sie aus Berlin, das sich neben Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen noch nicht ausdrücklich für die Freigabe der Öffnungszeiten ausspricht. „Das Ladenschlussgesetz ist kein Gesetz zur Verhinderung von Konsumbedürfnissen, sondern ein Arbeitsschutzgesetz“, sagte die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). „Die Interessen der Beschäftigten - zumeist sind es Frauen - müssen auch dann gewahrt bleiben, wenn die Regelung den Ländern überlassen bleibt.“ HB

Thomas Sigm

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