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Wirtschaft: Langzeitarbeitslose haben keine Wahl

Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, muss künftig jeden Job akzeptieren. Sonst wird das Arbeitslosengeld II gekürzt

REFORMCHECK, TEIL SIEBEN: DIE REFORM DER ARBEITSLOSENUNTERSTÜTZUNG UND DER SOZIALHILFE

Arbeitslose müssen sich umstellen: Die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld wird gekürzt und die Arbeitslosenhilfe faktisch abgeschafft. Für Langzeitarbeitslose ist künftig jede legale Arbeit zumutbar. Im Gegenzug soll sich die Vermittlung verbessern, etwa durch eine intensivere Betreuung.

Arbeitslosengeld I: Grundsätzlich erhalten Arbeitslose künftig nur noch maximal ein Jahr lang das Arbeitslosengeld I, das aus den Beitragsmitteln der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wird. Arbeitnehmer über 55 Jahre erhalten maximal 18 Monate Arbeitslosengeld, bisher sind es bis maximal 32 Monate. Es gibt eine Übergangsregelung: Über 55-Jährige sind erst ab 2006 betroffen.

Arbeitslosengeld II: Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden Anfang 2005 zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt, ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant. Das Niveau liegt auf der Höhe der Sozialhilfe. Anspruch auf die steuerfinanzierte Leistung haben erwerbsfähige Langzeitarbeitslose. Dazu zählen alle, die mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Erstmals erhalten rund 800 000 Sozialhilfeempfänger das ALG II.

Um finanzielle Härten abzufedern, wird beim Übergang vom Arbeitslosengeld I ins ALG II ein auf zwei Jahre befristeter Zuschlag gezahlt, der sich nach einem Jahr halbiert. Er beträgt zwei Drittel der Differenz zwischen den beiden Leistungen, maximal jedoch 160 Euro im Monat. Für jedes Kind kommen 60 Euro dazu. Alle Langzeitarbeitslosen werden künftig nicht nur in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen, sondern auch in die Pflege- und die Rentenversicherung.

Vermittlung: Grundsätzlich ist die Bundesanstalt für Arbeit für die Betreuung der mehr als zwei Millionen Langzeitarbeitslosen zuständig. Die Kommunen können die Trägerschaft für das ALG II aber freiwillig übernehmen. Die Einzelheiten des Optionsmodells, auf das sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nach längerem Ringen verständigt hat, sollen Anfang kommenden Jahres in einem Bundesgesetz geklärt werden. In den Job Centern, den neuen Anlaufstellen für Langzeitarbeitslose, werden ohnehin Bundesanstalt und Kommune eng zusammenarbeiten. Während die Arbeitsämter sich um die Jobvermittlung kümmern, sind die Kommunen für soziale Leistungen zuständig, etwa für Schuldner- und Suchtberatung. Im Laufe des kommenden Jahres sollen flächendeckend Job Center aufgebaut werden. Mit dem Umbau der Bundesanstalt für Arbeit sollen außerdem mehr Kapazitäten für die Vermittlung frei werden. Angestrebt wird ein Betreuungsschlüssel von einem Vermittler auf 75 Arbeitssuchende. Derzeit kommen auf einen Betreuer viermal so viele Arbeitslose.

Zumutbarkeit: Für Langzeitarbeitslose soll künftig jede legale Arbeit zumutbar sein, auch wenn sie unter Tarif bezahlt wird. Sittenwidrige Löhne, die sich etwa 30 Prozent unter Tarif bewegen, sind verboten. Wer Jobangebote ablehnt, muss mit Einschnitten rechnen. Das ALG II soll dann um 30 Prozent oder rund 100 Euro gekürzt werden. Bei wiederholter Ablehnung drohen weitere Abstriche. Junge Menschen unter 25 Jahren können sogar für drei Monate komplett die Unterstützung gestrichen bekommen, wenn sie Angebote ablehnen.

Zuverdienst: Arbeitslose können mehr als bisher zum ALG II dazuverdienen. Ein neues Einstiegsgeld in Form eines zeitlich befristeten Arbeitnehmerzuschusses soll auch die Aufnahme einer Tätigkeit attraktiv machen, die nicht so gut bezahlt ist.

Sozialhilfe: Die Leistungen der Sozialhilfe werden künftig stärker pauschaliert. Einmalige Leistungen wie für Bekleidung, Wäsche, Schuhe und Hausrat, die bisher einzeln beantragt werden mussten, werden künftig pauschal mit in den Regelsatz einbezogen. Leistungen für Miete und Heizung sind dagegen nach wie vor mit dem Regelsatz noch nicht abgegolten, ebenso die Erstausstattung für Wohnung und Bekleidung. Mit der Reform der Sozialhilfe sollen außerdem Behinderte und pflegebedürftige Menschen persönliche Budgets erhalten, die bis 2007 erprobt werden. Das sind regelmäßige Geldleistungen, mit denen bestimmte Betreuungsleistungen selbst organisiert und bezahlt werden können.

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