zum Hauptinhalt
304378_0_fc2cc6b4.jpg

© dpa

Lego-Deutschland-Chef: ''Die Kinder spielen heute anders''

Lego-Deutschland-Chef Dirk Engehausen spricht mit dem Tagesspiegel über über verplante Kids, virtuelle Spiele und erwachsene Sammler.

Herr Engehausen, haben Sie als Kind mit Lego gespielt?



Ja, natürlich. Und das mache ich auch noch heute. Ich baue zum Beispiel jedes Jahr zwischen den Weihnachtsfeiertagen unser größtes Lego-Technic-Set zusammen. Das gibt mir ein Gefühl dafür, wie unsere Artikel gepackt sind, ob sie logisch aufgebaut sind, ob die Bauanleitung gut ist, ob also unterm Strich Qualität und Werthaltigkeit stimmen.

Wie lange sind Sie damit beschäftigt?

Meine Töchter lassen mir nie die Zeit, mal sechs, sieben Stunden am Stück zu arbeiten. Deshalb dauert das durchaus zwei oder drei Nachmittage.

Der Markenschutz für die Lego-Steine ist ausgelaufen. Fürchten Sie Billiganbieter?

Wir nehmen jeden, der Konstruktionsspielzeug anbietet, ernst, aber wir fürchten die Konkurrenz nicht. Wir haben aber Angst vor Trittbrettfahrern, die minderwertige Produkte herstellen, unsere Verpackung imitieren und den Konsumenten in die Irre führen. Das ist für uns das größte Risiko. Unsere Käufer – und darunter sind auch immer mehr Erwachsene – legen auf Qualität sehr großen Wert.

Vor einigen Jahren stand die Lego-Gruppe am Rand des Ruins. Jetzt verdienen Sie richtig gut. Hat Sie das überrascht?


Nein, wir haben geplant, 2009 weiter zu wachsen, Krise hin oder her. Wir legen seit fünf Jahren kontinuierlich zu. Aber im Gegensatz zu früher haben wir gelernt, dass wir nur wachsen wollen oder können, wenn wir die Kosten im Griff haben.

Was machen Sie sonst noch anders?

Wir haben gelernt, uns auf den Lego- Stein zu konzentrieren.

Also keine Klamotten und keine Lego-Fahrräder mehr?

Wir haben früher versucht, alles selber zu machen. Wenn wir ein Spiel für eine Spielkonsole herausgebracht haben, dann haben wir das selbst programmiert. Heute verkaufen wir unsere Lizenzen, unsere Partner sind Profis. Und das zahlt sich aus. Wir haben im vergangenen Jahr 30 Millionen Computerspiele unter unserem Label verkauft. Wir sind damit global der erfolgreichste Anbieter von Kinderspielsoftware.

Es gibt Lego-Spiele für Nintendo, Playstation und Wii. Reichen die normalen Steine nicht mehr aus, um Kinder zu begeistern?

Die Welt der Kinder wird immer digitaler. Deshalb stellen wir uns hier auf. Im nächsten Jahr bringen wir eine neue Online-Plattform auf den Markt, die heißt Lego Universe. Aber egal ob PC-Spiel oder Lego Universe, unsere Angebote müssen kreativ sein. Wir möchten, dass die Kinder ihre Legokiste hervorholen und das in natura nachbauen, was sie zuvor online gespielt haben. Wir glauben, dass beide Angebote – nebeneinander – ihre Berechtigung haben.

Muss man heute virtuelle Spiele anbieten, um erfolgreich zu sein? Werden die Kinder früher alt?

Nein, das stimmt nicht. Aber das Angebot an die Kinder wächst von Jahr zu Jahr. Zehnjährige Kinder spielen noch, aber sie spielen anders als früher. Und sie haben weniger Zeit zum Spielen. Die Zeit der Kinder ist viel verplanter als vor 20 oder 30 Jahren. Sie gehen zum Ballett, zum Sport oder zum Klavier. Es ist heute schwieriger, an die Zeit der Kinder als an das Geld der Kinder zu kommen. Wichtig ist, dass man eine langfristige Markenbindung schafft. Wenn man die Kinder oder die Schenker – also die Erwachsenen – einmal enttäuscht, wenden sie sich viel schneller von einer Marke ab als früher.

Wird das Jahr für Sie so gut weitergehen, wie es begonnen hat?

Der Lego-Umsatz wird sich in der zweiten Jahreshälfte in etwa auf dem Niveau bewegen wie im zweiten Halbjahr 2008. Die Geschäftsentwicklung hängt nicht zuletzt davon ab, wann wir unsere Topentwicklung auf den Markt bringen. In diesem Jahr sind die zehn neuen Lego-Spiele mit dem Konzept „Bauen-Spielen-Verändern“ unser wesentlicher Schwerpunkt. Die sind im August lanciert worden.

Und die verkaufen sich gut?

Ja, die Lego-Spiele übertreffen selbst unsere ehrgeizigen Erwartungen. Im August lagen wir auf dem Markt für Kinderspiele auf Platz eins, von null.

Kommt vor Weihnachten etwas Neues?

Nein, wir waren mit dem Lancieren unserer Neuheiten im September durch. Die letzten waren „Space Police“ und „Lego Technic“, zum Beispiel Riesentrucks, die bei Kindern und Erwachsenen gut ankommen. In den Läden werden jetzt die Aufsteller für das Weihnachtsgeschäft aufgebaut, Mitte Oktober beginnt die Fernsehwerbung. Es bringt nichts, im Dezember noch etwas Neues vorzustellen, da uns dann die Zeit fehlt, den Kindern die Produkte noch richtig vorzustellen.

Mit großen Trucks werden Sie den meisten Mädchen keine Freude machen.

Das ist richtig. Das ist Jungsspielzeug – für kleine und große Jungs.

Wie groß sind die großen Jungs?

Achtzehn plus. Knapp 20 Prozent aller Lego-Technic-Produkte werden für Männer oder von Männern über 18 gekauft.

Statt der Modelleisenbahn wird jetzt der Lego-Truck gekauft?

Das kann man so nicht sagen, aber es gibt viele erwachsene Sammler, die Lego- Technic-Produkte oder Raumschiffe aus der Star-Wars-Serie kaufen. Bei Spielzeug, das über 100 Euro kostet, haben wir einen überproportional großen Marktanteil, und der wächst kontinuierlich. Wenn Sie Ihrem Partner also etwas Außergewöhnliches schenken wollen, kaufen Sie ihm ein großes Lego-Teil. Dann haben Sie drei Tage Freizeit.

Spüren Sie die Finanzkrise gar nicht?

Die Verbraucher kaufen nicht weniger Lego-Produkte, weil sie gerade in diesen Zeiten viel Wert auf Qualität legen. Aber der Handel verringert seine Lagerbestände. Die Finanzkrise hat den Handel erreicht, die Händler kaufen vorsichtiger ein. Aber solange wir schnell liefern können, ist das kein großes Problem für uns.

Produzieren Sie auch deshalb nicht in China, um schneller nachproduzieren und nachliefern zu können?

Das ist einer der Gründe. Aber der Hauptgrund ist die Qualität. Wir produzieren im Umfeld unserer Hauptmärkte – für Europa produzieren wir in Dänemark, Tschechien und Ungarn, für die USA in Mexiko – und haben daher kurze Wege. Das betrifft sowohl die Entwicklung als auch die Qualitätssicherung.

Wie viele Menschen beschäftigt Lego?

Rund 7000. Nach der Krise hatten wir nur noch 5000 Mitarbeiter, aber wir holen die Produktion, die wir an Fremdfirmen ausgelagert hatten, jetzt wieder in unser Unternehmen zurück. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz haben wir ein Team von 170 Mitarbeitern.

Spielen Ihre Töchter auch Lego?

Meine Töchter sind acht und zwölf. Sie spielen Lego, aber sie stehen auch auf andere Sachen. Auf Hannah Montana, auf High School Musical oder auf die „Bis(s)“- Vampirbücher von Stephenie Meyer.

Das Interview führte Heike Jahberg.

ZUR PERSON

DER MANAGER

Dirk Engehausen (44) kommt aus Hamburg und war zunächst Marineoffizier, bevor der Diplomkaufmann seine Karriere 1994 bei der Lego GmbH begann. Nach Stationen im Vertrieb und im Marketing wurde er 2004 Geschäftsführer für Zentraleuropa und damit auch Deutschlandchef. Seit 2006 leitet er zudem die Geschäfte in Südeuropa (Italien, Frankreich, Portugal und Spanien). Engehausen hat zwei Töchter und lebt in der Nähe von München.

DIE FIRMA

Die dänische Lego- Gruppe ist Europas größter Spielwarenhersteller. Vor fünf Jahren stand der Konzern vor dem Zusammenbruch und musste Tausende entlassen. Jetzt steht Lego wieder gut da: Im ersten Halbjahr 2009 stieg der Gewinn um 60 Prozent auf knapp 92 Millionen Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false