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Wirtschaft: "Leipzig Power Exchange": Am 14. Juni startet Deutschlands erste Strombörse

Es ist 10.30 Uhr.

Es ist 10.30 Uhr. Noch 90 Minuten, dann müssen die Gebote registriert sein. Seit einer halben Stunde läuft die Frist, 31 Gebote sollen es werden - bislang ist aber kein einziges eingegangen. "Kein Problem", versichert Gunnar Isaksson. "Die meisten Gebote kommen immer erst kurz vor Schluss." Der Schwede, Chefberater bei Nord Pool Consulting in Stockholm, muss es wissen. Er hat fünf Jahre Erfahrung im Stromhandel. "An der Strombörse in Oslo laufen 60 Prozent der Gebote erst in den letzten 15 Minuten ein", sagt Isaksson. Was in Norwegen seit Jahren klappt, soll auch in Leipzig funktionieren. Seit Beginn der Liberalisierung des Energiemarktes verfolgen die Sachsen ein selbstbewusstes Ziel: den Aufbau der ersten Strombörse in Deutschland. Der Countdown läuft: Am 14. Juni will die Leipzig Power Exchange (LPX) den Handel mit Strom aufnehmen. Die Konkurrenz in Frankfurt plant dies erst für August.

In dieser Woche proben die Sachsen den Ernstfall. 31 Stromhändler bundesweit, darunter das Bayernwerk in München und Fortum Energie in Hameln, testen die Computer, simulieren Kauf und Verkauf, Angebot und Nachfrage. In ihren Unternehmen sind sie über das Internet mit LPX verbunden. Isaksson beaufsichtigt den Live-Test. Er ist der Mann für alle Fälle. Von Nervosität ist bei dem großen, blonden Mann keine Spur. Lediglich die geröteten Wangen des 33-Jährigen lassen auf angespannte Nerven schließen: "Eine große Sache, für die wir hier arbeiten."

11.20 Uhr: Die ersten Gebote sind eingegangen. LPX-Geschäftsführer Carlhans Uhle blickt erleichtert: Alles laufe fast besser als erwartet. 11.30 Uhr: Sieben Gebote liegen jetzt vor. Im Handelsraum sitzen fünf Mitarbeiter an ihren PC, telefonieren, reichen Papiere herum. Ein unspektakuläres Bild. Alles scheint zu funktionieren. "Sorry", sagt Isaksson, es sei nicht viel los - womit er sehr zufrieden ist. 12.30 Uhr: 30 Teilnehmer haben in ihre Computer eingegeben, wie viel Strom sie am nächsten Tag jeweils stundenweise und zu welchem Preis kaufen oder verkaufen wollen. Die Frist wurde bis auf wenige Ausnahmen eingehalten. Jetzt geht es an den Feinschliff. Was lief gut, was schlecht? Was muss geändert werden? Bei einigen Teilnehmern hat es im System gehakt; sie schickten ihre Liste per Fax. Im Juni muss das alles reibungslos gehen.

Nur das kann der Garant sein für das Überleben der Leipziger, die mit den Frankfurtern nicht nur um das beste Handelssystem, sondern vor allem um Händler und Mengen konkurrieren. Auf ein gemeinsames Vorgehen konnten sie sich bislang nicht einigen. Frankfurt beharrt auf seinem Computersystem Xetra. Leipzig will an dem in Oslo erprobten Handelssystem Sapri festhalten. Xetra bevorzuge auf Grund seiner Komplexität die großen Marktteilnehmer, meint LPX-Chef Uhle. Das komme für Leipzig nicht in Frage. Die Gespräche über eine mögliche Fusion wurden abgebrochen. Seitdem malen beide Börsen die eigene Zukunft in den rosigsten Farben. Kein Wunder, beide Standorte lockt die Aussicht auf glänzende Geschäfte: Experten erwarten für den Stromhandel enorme Zuwachsraten - und Deutschland ist der größte Strommarkt Europas. Die Leipziger rechnen damit, dass bis zu einem Fünftel des gesamten in deutschen Unternehmen und Privathaushalten benötigten Stroms über die LPX gehandelt werden kann. Dauerhaft aber wird der Markt kaum zwei deutsche Strombörsen tragen. Experten sind sich sicher: Sollten sich Leipzig und Frankfurt nicht einigen, muss der Markt entscheiden.

Langfristig dürfte in ganz Europa nur eine Börse überleben. Fortum etwa will abwarten, wie sich Leipzig entwickelt. "Die bisherigen Eindrücke waren gut", heißt es aus Hameln. "Wir sind einem Engagement nicht abgeneigt." Doch halte man die jährliche Grundgebühr von 12 500 Euro für zu hoch. Ein offenbar vorgeschobenes Argument - in Frankfurt soll die Gebühr bei 20 000 Euro liegen. Das Bayernwerk berichtet von einer "grundsätzlich offenen Haltung, in Leipzig und in Frankfurt zu handeln". Entschieden aber sei noch nichts. Ähnlich argumentiert Preussen-Elektra. Uhle und sein Mitgeschäftsführer Kjetil Knutsson erwarten dennoch, dass die LPX mit 15 bis 20 Marktteilnehmern starten wird. Die Voraussetzung dafür, dass der Strom auch tatsächlich durch das Leitungsnetz fließen kann, hat LPX geschaffen: Im April wurden Verträge mit den Netzbetreibern RWE und VEW abgeschlossen. Kurios: Da der ostdeutsche Netzbetreiber Veag mit Verweis auf die Braunkohle-Schutzklausel die Stromdurchleitung verweigert, können die Leipziger ausgerechnet in Ostdeutschland nicht handeln.

Silke Kersting

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