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Wirtschaft: Machtwechsel an der WTO-Spitze

Ein Thai mit wenig Respekt vor den USA und der EU führt die Welthandelsorganisation

Genf. Das Timing war nicht geplant, ist aber perfekt. Während die Entwicklungsländer in Johannesburg ihren Teil an der Globalisierung einfordern, übernimmt zum ersten Mal ein Mann aus ihrer Mitte einen der wichtigsten internationalen Wirtschaftsposten: Supachai Panitchpakdi wird am heutigen Montag in Genf neuer Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO). Noch am selben Tag will der Thailänder zum Weltgipfel abreisen, wie um seine Hauptforderung zu unterstreichen: Die Globalisierung müsse „freundlicher" für die Entwicklungsländer gestaltet werden, das Wort der Armen in der WTO dürfe nicht länger verhallen. „Ich glaube nicht, dass die Stimmen aus dem Rest der Welt von den entwickelten Staaten immer gehört werden", sagt der ehemalige buddhistische Mönch. „Manchmal werden sie vielleicht gehört, aber schnell vergessen oder aber nicht verstanden."

Die Kritik des neuen Chefs trifft . Zwar zählen drei Viertel der 144 WTO-Mitglieder zu den Entwicklungsländern, den Taktstock schwingen jedoch die Reichen. Besonders die USA. Alle bisherigen WTO-Abkommen tragen entscheidend die Handschrift der Washingtoner Handelsdiplomaten, die werden wiederum von Vertretern der US-Wirtschaft instruiert. Regelmäßig etwa machen Abgesandte von amerikanischen Multis in Genf Station. Als sich die WTO-Staaten auf das Abkommen über die Liberalisierung der weltweiten Märkte für Finanzdienstleister einigten, weilten hochrangige Emissäre von US-Versicherungen wie AIG in Genf. Erst als die ihr OK gaben, unterzeichneten auch die US-Unterhändler.

Auch Supachai war alarmiert. Als neuer WTO-Boss will er nun die Macht der Multis beschneiden. Dazu soll ein Verhaltenskodex aufgestellt werden. Der Thai weiß, dass er sich mit dieser Forderung nur begrenzt Freunde schafft, „besonders in den entwickelten Ländern". Ebenso sorgte Supachai für klare Fronten, als er US-Forderungen nach höheren Umwelt- und Arbeitsstandards für Entwicklungsländer rundherum ablehnte. Die Armen hätten dafür einfach „nicht die nötigen finanziellen Ressourcen".

Besonders aber legt sich Supachai für den Abbau der Subventionen in den reichen Ländern ins Zeug. Zumal die üppigen Hilfen für europäische und amerikanische Landwirte jeglichen internationalen Wettbewerb quasi ausschalten. Wollten Washington und Brüssel „wirklichen Erfolg bei der Liberalisierung" sehen, müssten sie die Zuwendungen drastisch stutzen.

Bei dem Tonfall überrascht es kaum, dass Washington mit Supachai so seine Probleme hat. Nur widerwillig stimmte die Clinton-Administration 1999 einer begrenzten dreijährigen Amtszeit Supachais zu. Die Bedingung: Vor dem Thai sollte der US-Schützling Mike Moore die WTO drei Jahre führen.

Überhaupt standen die bisherigen Chefs der WTO und des Vorgängers Gatt allesamt recht eng an der Seite der Amerikaner. In ihren Amtsperioden ist der weltweite Strom von Waren und Dienstleistungen auf einen Wert von jährlich 7500 Milliarden Dollar gewachsen - mehr als 90 Prozent davon decken die WTO-Verträge ab. Vor einem halben Jahrhundert waren es noch 1000 Milliarden Dollar. Mehr als die Hälfte dieses gigantischen Volumens kontrollieren Firmen aus den USA und der EU. In Brüssel löste Supachai bisher auch keine Beifallsstürme aus. Nur etwa die Hälfte der EU-Staaten stellte sich im Nominierungskampf hinter ihn.

Dabei verfügt der Mann aus Bangkok über Expertise: Er war Bankdirektor, Wirtschaftsminister und Vizepremier. Seinen Doktor erwarb er bei Jan Tinbergen - dem Nobelpreisträger für Ökonomie. Doch sollte Supachai klar sein, dass der Generaldirektor offiziell die WTO nur repräsentiert und den Apparat leitet. Die Macht haben die Mitglieder, zumal die reichen. Jan-Dirk Herbermann

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