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Wirtschaft: Made in Germany – aus China

Die Krise deutscher Traditionsmarken nützt ausländischen Investoren und auch den Marken selbst

Es ist ein Abschied auf Raten – doch das Tempo wird schärfer. Als vor zehn Jahren die Waschmaschinen- und Pürierer-Marke AEG an den schwedischen Konzern Electrolux verkauft wurde, war das noch ein Novum. Heute vergeht kaum ein Monat, in dem nicht der Verkauf einer Marke „Made in Germany“ an einen chinesischen, türkischen, koreanischen, französischen, britischen oder amerikanischen Konkurrenten verkündet wird. Deutsche Traditionsmarken wie Grundig und Grohe, Bauknecht und Bechstein, Beck’s und Holsten, Mannesmann und Minol, Wella, die Hypo-Vereinsbank und die Siemens-Handy-Sparte sind inzwischen alle in ausländischer Hand. Und es werden nicht die Letzten bleiben, erwarten Experten. „Der Trend, dass Marken von ausländischen Gesellschaften aufgekauft werden, wird künftig weiter zunehmen“, sagt Jürgen Häusler, Chef der Unternehmensberatung Interbrand Zintzmeyer & Lux. Das Ende von „Made in Germany“?

Nein, vielleicht ist es sogar ein neuer Anfang. Denn die Krise der Firmen hinter starken deutschen Traditionsmarken ist für ausländische Investoren eine riesige Chance – die am Ende auch den deutschen Marken neue Lebenskraft geben kann. Mit dem Kauf der Marke können sich internationale Konzerne Werte, die Kunden weltweit noch immer mit „Made in Germany“ verbinden – hohe Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationskraft –, überwerfen wie einen schönen Mantel und so das Image des Billiganbieters überdecken. Niemand betreibt das so systematisch wie die Chinesen. Mitte der Neunzigerjahre beschlossen der damalige Staatspräsident Jiang Zemin und Premier Zhu Rongji ein Programm, wonach innerhalb von 15 Jahren 50 Staatsbetriebe für den internationalen Wettbewerb fit gemacht werden sollen. Chinesische Hersteller, die bisher die Welt mit Billigprodukten überschwemmen, sollten mittelfristig zu internationalen Großkonzernen aufgebaut werden. Für China und viele andere aufstrebende Länder ist die Schwäche deutscher Traditionsmarken das Sprungbrett auf dem Weg zum Weltmarkt.

„Deutsche Marken sind für internationale Investoren sehr attraktiv, selbst wenn das Unternehmen hinter der Marke in der Krise steckt“, sagt Interbrand-Chef Häusler. Denn es ist vielfach rentabler für ein Unternehmen, eine Marke zu übernehmen, als eine eigene zu etablieren. „Der Aufbau einer neuen, großen Marke kostet mehrere Milliarden Euro und dauert viele Jahre“, sagt Bernd M. Michael, Chef der Düsseldorfer Werbeagentur Grey. Und darum sei es auch ein großer Fehler gewesen, die starke Traditionsmarke Hoechst nach der Fusion mit Rhône-Poulenc 1999 einfach verschwinden zu lassen und stattdessen für viel Geld die Nachfolgemarke Aventis aufzubauen. „Da sind ein paar Milliarden Euro den Bach runtergegangen“, sagt Michael. Marketingstrategen halten es für viel schlauer, eine bekannte Marke weiter zu verkaufen – und wenn das Unternehmen dahinter noch so schlapp ist.

Doch wie glaubwürdig ist „Made in Germany“ noch, wenn eine Wirtschaftswundermarke wie Grundig komplett im Billiglohnland Türkei produziert wird? Das ist offenbar weder für Kunden noch für Marketingstrategen ein Problem. „Es besteht zwar das Risiko, dass Traditionsmarken nach der Übernahme durch Ausländer an Strahlkraft verlieren“, sagt Jesko Perrey, Mitautor des Buchs „MegaMacht Marke“ und Berater bei McKinsey. Das Markenimage werde aber nur geschädigt, wenn der neue Eigentümer das Versprechen der Marke, zuverlässig hohe Qualität zu bieten, nicht erfüllt.

Die Krise deutscher Traditionsmarken, die sie zu einer leichten Beute für ausländische Investoren macht, hat unterschiedliche Gründe – von verpassten Technologieentwicklungen bis hin zu verpatzten Generationswechseln. Hoechst, Grundig, AEG, Jil Sander und Minol sind fünf Beispiele für das, was aus „Made in Germany“ geworden ist.

Harald Maass[Maren Peters], Dagmar Rosenfeld

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