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Wirtschaft: Männliche Küken werden in Deutschland erstickt, vergast und zerschreddert

Der Mensch ernährt sich von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln, denn er ist von der Natur zum "Allesfresser" bestimmt worden. Das bedeutet zwangsläufig, dass Tiere getötet werden müssen.

Der Mensch ernährt sich von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln, denn er ist von der Natur zum "Allesfresser" bestimmt worden. Das bedeutet zwangsläufig, dass Tiere getötet werden müssen. Die moderne Produktion von Nahrungsmitteln jedoch wird meist auch von wirtschaftlichen Vorgaben beeinflusst, und das führt bisweilen zu grausamen Methoden, die für die Ernährung selbst gar nicht notwendig wären. Der nun folgende Text mag Ekel und Abscheu erregen, aber er beschreibt nur, wie wir mit der Natur umgehen.

Alle Welt findet Küken niedlich, Kinder fassen sie auf dem Bauernhof oder der Grünen Woche gern an. Auch die Werbeagenturen mögen die piepsenden gelben Flaumbällchen als Sympathieträger, Kinderbuchautoren sowieso. Verschwiegen wird indessen, wie deutsche Legehennenzüchter und Brütereibesitzer mit Küken umgehen.

Für diese Leute gibt es nützliche, wirtschaftlich effizient verwertbare Küken - das sind die weiblichen fürs Eierlegen - und unnütze, unprofitable männliche. Sie werden lebendig zu blutigem Mus zerquetscht, zerhäckselt oder vergast, und zwar massenhaft, über sechzig Millionen pro Jahr. Dies geschieht nicht nur in Deutschland, sondern auch bei Nachbarn wie Holland und Belgien, die für den deutschen Markt Legehennenküken produzieren.

Jene, die mit Geflügelzucht ihr Geld verdienen, wissen, was sie tun. Und sie passen deshalb auf, dass niemand die Massentötung filmt oder ablichtet. Nicht einmal den risikofreudigsten Tierschutz-Fotografen glückte das. Auf Anfrage heißt es beim zuständigen Bundesverband in Königswinter, so etwas dürfe man nicht in die Öffentlichkeit bringen, es werde sich kein Betrieb finden, der Aufnahmen zulasse. Was da laufe, sei schließlich "abschreckend und unschön".

"Vor Fotos hat die Branche höllische Angst", sagt Eckard Wendt. Er ist durch jahrelanges Engagement zum Experten geworden, leitet mit Gleichgesinnten den Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung in Heikendorf bei Kiel, ist bestgehasst in der Brütereibranche. Kein einziger Geflügelunternehmer ließe ihn wissentlich nur in die Nähe der Kükenschredder oder Vergasungsanlagen.

Nur einmal gelang Wendt das, mitten in einer Gruppe von Fachleuten des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums: "Die Hahnenküken kommen nach der Selektion auf ein Fließband, werden dann in einen Trichter geworfen - darunter ist ein rotierendes Schlagwerk. Darin werden die Tiere zerdrückt, zermust, zerfetzt. Das geht alles im Akkord."

Die Industrie stellt die Maschinen für die massenhafte Kükentötung auf Messen aus. Solche Maschinen heißen dann unverfänglich "Homogenisator" oder Muser - weil man die Küken eben in Mus, in einen blutigen Brei verwandelt. Aus den Hahnenküken wird Tierfutter, das an Pelztierfarmen oder Geflügelmastanstalten verkauft wird. Großabnehmer sind auch die zoologischen Gärten. Sie bestellen vergaste Küken.

Geliefert werden sie auf minus dreißig Grad tiefgefroren, im Dreihunderter- oder Vierhunderterpack. Ein Großteil der Unternehmen, die Küken zerschreddern oder vergasen, befindet sich in Norddeutschland.

Im Berliner Raum gibt es keine einzige Firma mehr - dabei war hier immerhin die größte Anlage Europas, sie überlebte jedoch die Wende nicht: KIM Spreenhagen, einst wichtigster Geflügel-und Eierproduzent der DDR, experimentierte zwar mit Gas, wohl um Westniveau zu erreichen. "Doch das wollte einfach nicht klappen", erläutert der damals zuständige Tierarzt, inzwischen Gastwirt von Beruf. Schließlich verfiel man auf Unterdruckkammern. "Die Küken wurden durch Luftentzug ohnmächtig."

Im vereinten Europa muss jedoch alles seine Ordnung haben, auch das Vernichten von Küken. Im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ist deshalb bereits in der Ausgabe vom 31. Dezember 1993 genau definiert, wie "schnell wirksames maschinelles Töten" abzulaufen hat. Da heißt es wörtlich: "Die Maschinenleistung muss ausreichen, um auch eine große Zahl von Tieren unverzüglich zu töten. Die Tiere sind einer aus einer Quelle von hundertprozentigem Kohlendioxid erzeugten Atmosphäre mit höchst möglicher Kohlendioxidkonzentration auszusetzen." Und weiter: "Die Tiere müssen in dieser Gasatmosphäre verbleiben, bis der Tod eingetreten ist." Bei der Abnahme der Tötungskammern wird mit der Stoppuhr getestet, wie lange ein Küken im Gas überlebt. "Da wird oft sehr unsauber gearbeitet, die Tiere ersticken elendig", sagt der Tierschützer Wendt.

In Holland oder der Schweiz wird genauso verfahren. Das eidgenössische Bundesamt für Veterinärwesen in Zollikofen betont freilich, dass es den Brütereien wenigstens verboten ist, die jährlich rund zwei Millionen "Abfall"-Küken lebendig übereinander zu schichten, vor Giftgas oder Häckselmaschine.

Wendt schlägt vor, zum "Mehrnutzungshuhn" zurückzukehren, in eine Zeit, als die Hennen noch nicht so viele Eier legten wie heute. Das neue Karlsruher Urteil zur Käfighaltung bringt ihnen zwar ein bisschen mehr Platz, verboten sind die engen Boxen in der EU aber erst ab 2012. Damit bleibt das Problem der Massentierhaltung und der massenhaften Kükentötung. Deshalb sind die Tierschützer so für das Eier, Fleisch und Federn liefernde Mehrnutzungshuhn, sie verweisen auf die Bio-Höfe. Dort scharrt es schon wie früher, die Tiere haben freien Auslauf.

Doch die Züchter stehen zu den Tötungsverfahren. Ein Unternehmer der Branche nennt Vergasen "relativ human", räumt aber ein, dass man weiterhin "schwarze Schafe" unter den Brütereibesitzern finde. Bei denen "fallen die Küken vom Förderband in einen großen Wasserbottich und ersaufen dann jämmerlich. Andere werfen die Küken lebendig in große Plastiksäcke. Wenn die voll sind, werden sie zugebunden und auf den Kopf gestellt. Dann ersticken die Küken eben so."

Das Bundeslandwirtschaftsministerium nennt die Küken-Massentötung "ethisch durchaus problematisch", hat aber keine Einwände gegen Vergasen und Verschreddern, sofern es vorschriftsmäßig gemacht werde. "Die gesetzlichen Vorschriften reichen aus", sagt ein Sprecher auf Anfrage, "um dem Tier überflüssiges Leiden zu ersparen". Schwarze Schafe unter den Brütereien seien vorstellbar, "man sieht es auch in anderen Sektoren, dass die Gesetze zwar ausreichen, aber die Kontrollen lückenhaft sind."

Und die Rückkehr zum sogenannten Mehrnutzungshuhn, wie es die Tierschützer fordern, weil das der massenhaften Kükentötung entgegenwirken würde? Ein nationaler Alleingang, gar auf dem Verordnungswege, hätte wohl wegen der ausländischen Konkurrenten wenig Sinn, da diese sofort den Vorteil nutzen würden, heißt es beim Bundeslandwirtschaftsministerium. In Deutschland entstünden Kosten, hiesige Unternehmen wären nicht mehr wettbewerbsfähig. Und dem Verbraucher würden letztlich wieder Produkte aus Geflügelbetrieben offeriert, die weiter vergasen und verschreddern.

Klaus Hart

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